Juraleitung: Geplante Stromtrasse erhitzt nach wie vor die Gemüter
20.6.2020, 05:45 UhrReinhard Hüttner und seine Mitarbeiter konnten sich in den vergangenen Monaten nicht über Arbeitsmangel beklagen. Rund 1300 Anregungen und Korrekturwünsche von Bürgern und Bürgerinitiativen zum Trassenverlauf gingen bei dem für die Planung und Genehmigung der Juraleitung verantwortlichen Projektleiter ein – und ein Großteil davon wurde laut Netzbetreiber Tennet tatsächlich berücksichtigt.
Auf "etwa 80 Prozent" schätzt Lea Gulich die Quote der im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung eingereichten Vorschläge, die sich in Detailänderungen oder gar Alternativlösungen bei einzelnen Trassenabschnitten widerspiegeln. "An ein paar Stellen gehen manche Vorschlagsvarianten direkt auf solche Anregungen zurück", beteuert die für die Bürgerbeteiligung zuständige Referentin des Trassenbauers.
Vom Kreis Fürth nach Niederbayern
Lange Zeit tappten Kommunalpolitiker und Bürger im Dunkeln, wie es weitergeht mit dem umstrittenen Großprojekt, bei dem der Ausbau der P53, einer 160 Kilometer langen Wechselstromtrasse, zur Juraleitung geplant ist. Die neue Höchstspannungsleitung mit 380 Kilovolt soll vom Umspannwerk Raitersaich (Landkreis Fürth) über das Umspannwerk Ludersheim im Nürnberger Land nach Altheim im niederbayerischen Landkreis Landshut führen. In den vergangenen Jahren hat sich jedoch eine breite Front gegen die Pläne des Übertragungsnetzbetreibers Tennet formiert.
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Auch wegen dieser Widerstände (unter anderem haben sich mittlerweile 16 lokale Bürgerinitiativen zur "BI-Allianz P53" zusammengeschlossen) verkündete Ministerpräsident Markus Söder (CSU) im Juni vergangenen Jahres, dass an "neuralgischen Punkten" die Stromleitungen unterirdisch statt als Freileitung verlegt werden sollen. Ein Großteil der bisherigen Pläne war damit Makulatur, doch nun ist wieder Bewegung in das Projekt gekommen. Wenn alles optimal für Tennet läuft, könnte laut Lea Gulich Ende dieses Jahres das Raumordnungsverfahren starten, 2023 dann das Planfeststellungsverfahren eingeleitet werden und 2024 mit dem Bau begonnen werden. Etwa zwei Jahre Bauzeit werden momentan veranschlagt, sodass möglicherweise ab 2026 Strom durch die neue Höchstspannungstrasse fließt.
Mindestens 200 Meter Abstand
Bis dahin gibt es allerdings noch viele strittige Punkte zu lösen, denn unter anderem fordern viele betroffene Bürger, dass die im bayerischen Landesentwicklungsplan aufgeführten Mindestabstände eingehalten werden. Demnach sollen Strommasten innerhalb geschlossener Ortschaften mindestens 400 Meter und außerhalb geschlossener Ortschaften mindestens 200 Meter von den nächsten Wohngebäuden entfernt sein.
Besonders knifflig ist der Weg zur optimalen Trassenführung südlich von Nürnberg, wo in den Bereichen bei Schwabach, Schwanstetten und Katzwang zwei oder sogar drei verschiedene Planungsvarianten zur Diskussion stehen. Das Team um Reinhard Hüttner prüft zum Beispiel, ob man Abschnitte der Juraleitung parallel zu einer bereits bestehenden 110-KV-Leitung durch den Wald führen könnte. "Dann wären die Eingriffe in die Landschaft relativ klein, weil wir die ja schon vorhandene Schneise nur erweitern müssten", erklärt der Projektleiter.
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In Katzwang wiederum haben die Planer mit einer extremen Engstelle zu kämpfen, bei der die gebotenen Mindestabstände definitiv nicht eingehalten werden könnten. In diesem Abschnitt werden die Verantwortlichen wohl nicht um eine Erdkabellösung herumkommen, für die aber zusätzliche oberirdische Infrastruktur wie Kabelübergang- und Blindleistungskompensationanlagen nötig wäre.
Ebenfalls viel Hirnschmalz mussten die Tennet-Planer in die Trassenführung bei Mühlhausen im Landkreis Neumarkt investieren und sowohl die Wohnbebauung dort als auch die Ausläufer eines Landschaftsschutzgebietes berücksichtigen. Drei Planungskorridore sind dort nun im Gespräch, wobei eine Variante laut Lea Gulich tatsächlich der Vorschlag eines Bürgers war.
Neues Bundesgesetz sorgt für Ärger
Viele Trassengegner werfen allerdings nach wie vor die Frage auf, ob die Juraleitung überhaupt nötig ist. Sie fordern stattdessen dezentrale Lösungen, die ihrer Ansicht nach nicht nur umwelt- und landschaftsverträglicher, sondern auch kostengünstiger sind als dieses Großprojekt. Ende Mai zum Beispiel fanden im Landkreis Roth mehrere Kundgebungen statt, um gegen das neue Planungssicherstellungsgesetz zu protestieren, das der Bundestag vor Kurzem erlassen hat. Es soll verhindern, dass sich wegen Corona wichtige Projekte, etwa bei der Energiewende, verzögern. Dagegen regt sich nun Widerstand.
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