Muss Vorzeige-Türke gehen?

28.11.2010, 22:47 Uhr
Muss Vorzeige-Türke gehen?

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Hakan Cengiz kümmert sich seit Jahren in Würzburg um die Integration von Migranten. Der 29-Jährige gibt Deutsch-Nachhilfestunden, organisiert Integrationskurse und unterstützt Eltern, die wegen Sprachproblemen nicht mit den Lehrern ihrer Kinder reden können. Cengiz kommt aus der Türkei. Dorthin soll er nach mehr als sechs Jahren in Franken abgeschoben werden.

Während sich die Stadt im Recht sieht und sich das auch gerichtlich bestätigen ließ, ist die Empörung bei Bürgern, Politikern, dem Ausländerbeirat und Weggefährten des 29-Jährigen groß. Denn nicht nur der Türke soll zurück in seine Heimat. Auch seine hochschwangere Ehefrau und sein zweijähriger Sohn müssten Würzburg vier Monate nach der Entbindung verlassen.

Der Fall ist verzwickt: „Ich bin für ein Studium hergekommen“, erklärt Cengiz, der zu Hause nicht politisch verfolgt wurde. Nur fürs Studium erhielt er eine Aufenthaltserlaubnis. Doch dann kam alles anders. Krankheit und Trauerfälle in der Familie, finanzielle Sorgen, die Heirat. „Ich habe viel Unterrichtsstoff verpasst“, sagt der Bauingenieur. Das Studium in Darmstadt hat Cengiz nicht beendet, stattdessen vor dreieinhalb Jahren eine Teilzeitstelle beim Förderverein Main-Bildung in Würzburg angenommen. Mehr darf er derzeit laut Gesetz nicht arbeiten.

„Wir garantieren ein Gehalt“

Bei dem Verein wird das Organisationstalent des Türken geschätzt. „Außerdem waren die Sprachkenntnisse von Herrn Cengiz im Türkischen und Kurdischen von enormer Wichtigkeit, um die entsprechenden Bevölkerungsgruppen anzusprechen“, erklärt Vereinsgeschäftsführer Ismail Temel. Er will den 29-Jährigen gerne voll einstellen. „Er gehört zu unseren wichtigsten Mitarbeitern, daher garantieren wir Herrn Cengiz einen Job und ein Gehalt.“

Doch der Stadt sind angeblich die Hände gebunden. „Herr Cengiz konnte trotz wiederholter Aufforderungen der verschiedenen zuständigen Ausländerbehörden seit 2006 keine Nachweise über sein Studium vorlegen“, heißt es bei der Stadtverwaltung. Die Integrationsleistung des Türken – für sich selbst und andere Migranten – erkennt auch das Verwaltungsgericht Würzburg an. Dort hatte der Familienvater gegen die Abschiebeentscheidung der Stadt geklagt. Das Gericht gab der Kommune zwar Recht. Zugleich könne die Stadt prüfen, ob der Aufenthalt des Mannes nicht aus „humanitären Gründen“ zu sichern sei. Die Ausländerbehörde aber blieb hart: Cengiz soll gehen, weil aus ihrer Sicht die rechtlichen Voraussetzungen für seinen Aufenthalt nicht erfüllt sind. Die Stadt vollziehe Bundesrecht.

Landtagsabgeordnete der Region haben den Fall seit längerem im Blick. Günther Felbinger von den Freien Wählern etwa überlegt, den Fall der beim Innenministerium angesiedelten Härtefallkommission vorzulegen.

Auch Bürger protestieren gegen die drohende Abschiebung. „Endlich mal ein Türke, der sich hier einbringt, was arbeitet, sich integriert und solche Leute müssen dann gehen“, heißt es in einem örtlichen Online-Forum. „Mag sein, dass diese Entscheidung ungerecht ist, aber ein Richter muss sich an das Gesetz halten und nicht an die Gerechtigkeit“, schreibt ein anderer Leser und ergänzt: „Und dass viele Gesetze nichts mit Gerechtigkeit zu tun haben, das wissen wir doch alle.“