Verband übt harte Kritik

Neue Quarantäne-Regeln für Kitas: Beschäftigte sorgen sich vor "Durchseuchung"

Katrin Wiersch

E-Mail zur Autorenseite

8.2.2022, 05:55 Uhr
Mit einer neuen Quarantäne-Regelung für Krippen, Kindergärten und Horte stößt das bayerische Familienministerium auf scharfe Kritik des Kita-Verbandes.

© Friso Gentsch, ARC Mit einer neuen Quarantäne-Regelung für Krippen, Kindergärten und Horte stößt das bayerische Familienministerium auf scharfe Kritik des Kita-Verbandes.

Die Sorge vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus wächst in den Kitas in Bayern. Der Grund: Die neuen Quarantäneregelungen, die am 3. Februar 2022 vom Sozialministerium für die bayerischen Kindertageseinrichtungen bekannt gemacht wurden. In der Altersgruppe bis fünf Jahre beträgt die Inzidenz laut Landesamt für Lebensmittelsicherheit und Gesundheit (LGL) in der letzten Januarwoche 1855. Bei den Sechs- bis Elfjährigen sogar 4042.

Die Dunkelziffer dürfte noch um einiges höher sein, da nicht mehr alle Fälle an die Gesundheitsämter gemeldet werden - oder nur mit großer zeitlicher Verzögerung ans LGL weitergegeben werden.

Entscheiden muss die Einrichtung

Die Gesundheitsämter haben mittlerweile keinen Überblick mehr, wie viele Kinder tatsächlich infiziert sind. Denn die Kontaktnachverfolgung wurde weitgehend eingestellt. Ab sofort entscheidet auch nicht mehr das Gesundheitsamt über Quarantäne oder Schließung einer Gruppe oder eines Kindergartens - sondern die Einrichtung oder der Träger muss darüber entscheiden.

"Die Übertragung der Aufgabe an die Kitas und Träger, eine Quarantäne auszusprechen, verschärft die Situation" zwischen Eltern auf der einen Seite und den Trägern auf der anderen Seite, schreibt der Verband der Kita-Fachkräfte in Bayern in einem offenen Brief an Sozialministerin Carolina Trautner. "Kita-Personal ist nicht dafür ausgebildet und zuständig zu entscheiden, wer sich in Quarantäne begeben muss. Das ist die Aufgabe des Gesundheitsamtes."

Oft seien die Formulierung zudem nur ungenau mit "soll" statt "muss" formuliert, so dass die Vorgaben von Eltern und Verantwortlichen als Empfehlung aufgefasst werden können und nicht als offizielle Anordnung, so der Verband. So steht in dem 462. Newsletter für Kindertageseinrichtungen beispielsweise, dass Eltern die Einrichtung unverzüglich über ein positives Ergebnis informieren sollten - jedoch nicht müssen.

Solange nur einzelne Kinder oder Beschäftige positiv auf das Coronavirus getestet werden, dürfen die übrigen Kinder die Einrichtung weiter besuchen. Erst ab einer Häufung von positiven Fällen, das Sozialministerium spricht von einem 20-prozentigem Anteil an Corona-Infektionen in einer Gruppe, muss die Gruppe oder Einrichtung für fünf Tage schließen. Voll geimpfte oder genesene Kinder sind von der Quarantäneregelung nicht betroffen. "Kinder die von der Gruppenschließung ausgenommen sind, können bei Bedarf vorübergehend auch in einer anderen Gruppe betreut werden", schreibt das Ministerium in dem Newsletter.

Dies kritisiert der Verband besonders: Während bisher auf strikte Gruppentrennung geachtet werden musste, dürfen ab sofort Betreuerinnen und Betreuer gruppenübergreifend arbeiten - wenn Personalmangel besteht. "Infektionen könnten durch gruppenübergreifenden Einsatz verteilt werden, was zu eigenen und fremden Vorwürfen führen kann", kritisiert der Verband die neue Regelung. Auch geimpfte und genesene Kinder aus einer geschlossenen Gruppe können weiterhin - in einer anderen Gruppe - die Einrichtung besuchen.

Eltern und Einrichtungen haben über die Medien zeitgleich von den Neuerungen erfahren. Eltern fragten daraufhin in ihrer Einrichtungen nach Details - und bekamen keine Antworten auf ihre Fragen, weil die Leiterinnen und Leiter selbst nicht wussten, wie die Regelungen auszulegen sind und ab wann sie gelten. "Dies führte dazu, dass sich die Leitungen, die ohnehin überlastet sind und unter Zeitnot stehen, bei den für sie zuständigen Behörden (Aufsichtsbehörde und Gesundheitsamt) erkundigten. Dort gab es je nach Ansprechpartner widersprüchliche Angaben. Diese waren nicht nur von Region zu Region unterschiedlich, sondern bereits innerhalb des gleichen Standortes, was zu Verwirrung führt", schildert der Verband in dem offenen Brief die Situation.

Auch als enge Kontaktperson weiter in der Einrichtung

Ein weiterer Punkt, den viele Beschäftigte nicht nachvollziehen können, ist, dass geboosterte Personen oder Genesene nicht in Quarantäne müssen, wenn sie als Kontaktpersonen gelten. "Auch diese können sich anstecken und das Virus weiterverbreiten", so der Verband. Dies gilt sowohl für genesene und voll geimpfte Kinder als auch für Mitarbeiter.

Ungeklärt für den Verband ist auch die Frage, wie mit ungeimpften Erzieherinnen und Erziehern in Sachen Quarantäne verfahren wird. Der Newsletter des Sozialministeriums gibt zumindest keinen Aufschluss darüber: "Da die Beschäftigten - anders als die betreuten Kinder - Maske tragen und da sie meist von der Quarantänepflicht aufgrund ihres Impf- oder Genesenen-Status ausgenommen sind, können sie auch bei einer Häufung von Infektionsfällen ihrer Tätigkeit weiter nachgehen. Ein intensiviertes Testregime über fünf Wochentage wird empfohlen."

"Viele Beschäftigte haben Sorge vor Ansteckung, die durch die neuen Regelungen erhöht wird", zieht der Verband das Fazit. "Auch wenn Omikron, der bisher bekannten Datenlage nach, meist nicht zu schweren Verläufen führt, gleichen die neuen Quarantäne-Regelungen für viele Beschäftigte einer Durchseuchung. Von Schutz für das Personal und die Kinder kann hier nicht mehr wirklich gesprochen werden."

Den 462. Newsletter im Wortlaut finden Sie unter diesem Link.

Verwandte Themen