Architekt entwarf in Neumarkt Vision des Bauens: Häuser aus dem 3D-Drucker
16.11.2019, 12:00 UhrVon Science-Fiction-Autor William Gibson stammt der Ausspruch "Die Zukunft ist schon da – sie ist nur noch nicht gleichmäßig verteilt." In hoher Konzentration ist sie auf jeden Fall in Lupburg zu finden. Hier ist Knychalla als Leiter des Bereichs "Large Format Manufacturing" bei der FIT AG verantwortlich für Anwendungsentwicklung und Herstellung digital gefertigter Architektur.
Radikal innovativ
Das Unternehmen ist Pionier des industriellen 3D-Drucks und fertigt jährlich über 400 000 Bauteile. Wie FIT-Gründer Carl Fruth erläuterte, sind Individualisierung und Ressourcenschonung die Treiber der rasant steigenden Nachfrage nach additiv gefertigten Endprodukten. Der Ansatz "radikal innovativ" steht auch hinter dem Ziel, 3D-Druck für Gebäude-Bauteile zu etablieren.
"Nur wenn man radikal neu denkt, kriegt man auch radikal neue Ansätze", ist die Maxime von Bruno Knychalla, der in München, Paris und Sydney Architektur studierte. Er träumt seit zehn Jahren davon, ein Haus per 3D-Druck zu errichten. Nun steht er kurz davor, diesen Traum Realität werden zu lassen.
Um den Paradigmenwechsel zu verdeutlichen, blickte er zurück in die Architekturgeschichte. Thomas Edison hatte schon Anfang des 20. Jahrhunderts ein Verfahren entwickelt, um Häuser buchstäblich aus einem Guss aus Beton zu fertigen. Die Industrialisierung war die Basis der modernen Architektur, für die Le Corbusier und Zeitgenossen kodifizierten, was bis heute "Modernes Bauen" ist.
Drohne spann Pavillon
Doch längst ist das digitale Zeitalter angebrochen. "Wie müsste man heute eigentlich bauen?" Diese Frage stellt sich nicht nur Knychalla, der anhand von Teslas Gigafactory den Vorteil der Digitalisierung erläuterte: die Prozessunabhängigkeit, durch die sich Abläufe einfach anpassen lassen. Als Beispiel präsentierte er einen in einem Studienprojekt entstandenen Pavillon. Hier untersuchte das Team, wie Mottenlarven ihre Kokons weben, und entwickelte ein bionisches Verfahren: Der Pavillon wurde von zwei Robotern "gewebt", zwischen denen eine Drohne flog, um die als Material genutzten Fasern aufzuspannen. Dies war nur möglich durch ein "cyberphysisches System", das digitales Modell und Realität auf allen Ebenen verbindet und sofortiges Feedback ermöglicht.
Für den Pavillon hat die FIT AG den BIM-Award für Vernetzung und Konzeption erhalten. "BIM" steht für Building Information Modelling und ist entscheidender Faktor für "Industrie 4.0" in der Baubranche. Hier hat das reale Gebäude einen "digitalen Zwilling" als gemeinsames Modell für das Datenhandling. Es bringt alle am Gebäude beteiligten Akteure zusammen, um Wissens-, Daten- und Reibungsverluste zu vermeiden. Zugleich ist BIM Voraussetzung für die additive Fertigung von Bauteilen auf Basis der 3D-Daten. Dadurch verändert sich der Workflow im Bauwesen zu einem Co-Design-Prozess, in dem sich FIT als Koordinator sieht.
Ein aktuelles Ergebnis dieses Prozesses schmückt den Altarraum von St. Laurentius in Altmühldorf: Das acht Meter hohe Retabel soll die unterschiedlichen Kunststile in der alten Kirche zusammenführen und zeitgenössisch ergänzen. Mit seiner komplexen Gitterstruktur schien das Kunstwerk anfangs nicht umsetzbar. Doch FIT entwickelte einen Prozess, um das Kunststoffgerüst per 3D-Druck zu erstellen und mit Aluminium zu beschichten.
Digitale Kette von Planung bis Bau
Dem Digitalen Bauen gehört für Knychalla die Zukunft: "Das wird langfristig die Planer und Architekten befreien, weil man viele Sachen nur einmal kommunizieren muss." Immer komplexere Details erfordert die digitale Kette von der Planung bis zur Ausführung. Speziell gefertigte Komponenten stärken die Einzigartigkeit eines Gebäudes – "wir sind Experten für Individualisierung", so Knychalla. Zugleich lässt sich mit additiver Fertigung leichter und nachhaltiger bauen.
Die rege Diskussion bewies das große Interesse an diesem Thema. Nicht nur Planer, auch Bauherren wollten am liebsten sofort nach diesem Prinzip bauen und waren begeistert, dass der Weltmarktführer dafür im Landkreis zuhause ist. Hier hofft Knychalla, dass mit den neuen Verfahren nicht weiter herkömmliche Architektur umgesetzt wird: "Die neue Ästhetik der digital generierten Formen wird auch die Gestaltungsregeln erfassen. Wir haben damit supertolle neue Möglichkeiten – es wäre schade, wenn man die nicht nutzt."
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