Der „Wesenstest“ ist jetzt auch für Rottweiler Pflicht

14.11.2002, 00:00 Uhr

Dieses Negativzeugnis erhalten aber nur Hunde, denen ein Sachverständiger in einem Gutachten soziale Kompetenz und Verträglichkeit bestätigt. Kostenpunkt: 150 bis 250 Euro. Vor allem die Aufnahme des Rottweilers in die neue Kampfhundeverordnung wird für einen großen Andrang bei den Sachverständigen sorgen. In der Begründung des Bayerischen Innenministeriums heißt es, dass der Rottweiler von allen Hunderassen am häufigsten in Beißunfälle verwickelt ist.

Ergebnis einreichen

Im Landkreis Neumarkt schätzt Christian Jäger vom Ordnungsamt die Zahl der gemeldeten Rottweiler auf 50. Den Hundehaltern wird, um sich auf die Neuregelung einstellen zu können, eine Übergangsfrist eingeräumt. Bis zum 1. April 2003 muss ein Termin für den Wesenstest vereinbart worden sein. Und bis zum 30. Juni muss das Ergebnis dann bei der Stadt oder Gemeinde eingereicht werden.

Johann Fruth aus Lauterhofen ist so ein Gutachter. Oder genauer: „Ein von der Regierung der Oberpfalz bestellter und vereidigter Sachverständiger für das Verhalten von Hunden im Hinblick auf Aggressivität und Gefährlichkeit“, so der offizielle Titel. Fruths Aufgabe ist es, die Hunde gezielt Grenzsituationen auszusetzen und dadurch ihren Charakter zu prüfen. Ein festgeschriebenes Procedere gibt es dafür nicht, nur ein Grobraster, das Fruth abfragt.

„Ich prüfe das Verhalten der Hunde gegenüber Artgenossen, anderen Tieren, Menschen, in Stresssituationen und in einer ungewohnten Umgebung“, erklärt Fruth. Wie er das macht, bleibt dem Polizeibeamten selbst überlassen. Nicht umsonst hat sich der gelernte Diensthundeführer im Oktober 2001 in einem aufwendigen Anerkennungsverfahren prüfen lassen. Dass die Anforderungen hoch sind, beweist die Durchfallquote: In ganz Bayern gibt es höchstens 35 vereidigte Sachverständige.

Mehrere Stunden dauert es, bis Fruth die soziale Verträglichkeit eines Hundes überprüft hat. Doch die Grenzen sind fließend, das weiß auch der Gutachter. „Es ist schon eine große Verantwortung, aus subjektiven Momentaufnahmen ein Urteil zu fällen“, erklärt Fruth. Von seinem Plazet hängt es ab, ob der Hundehalter ein Negativzeugnis beim Ordnungsamt beantragen kann. Und damit auch das Schicksal des Tieres.

Doch nicht nur das Tier, auch die Lebensumstände und die Haltung werden hinterfragt. „Der Besitzer muss fähig sein, den Hund zu führen“, erklärt Fruth. Der neuen Kampfhundeverordnung steht der Polizeibeamte positiv gegenüber: Nicht nur, dass Fruth dadurch in nächster Zeit mit einigen Aufträgen rechnen kann. Aus seiner langjährigen Erfahrung kennt der Hundefreund die Rottweiler auch als sehr massige und kräftige Tiere mit einer enormen Körper- und Beißkraft. „Wenn ein Halter so ein Tier nicht richtig erziehen kann, ist schon ein Gefahrenpotenzial vorhanden“, weiß Fruth.

Pfeffer im Hintern

Auch Berthold Funk aus Amberg weiß, wovon er spricht. Der Besitzer eines siebenjährigen Rottweilers beschreibt das Tier als einen Hund „mit Pfeffer im Hintern“. Doch Funk ist nicht nur Hundehalter, er ist auch Vorsitzender der „Hundefreunde Amberg“, die eine Hundeschule führen. Anders als in traditionellen Hundeschulen legen Funk und seine Mitarbeiter großen Wert auf das soziale Verhalten der Tiere.Die Schuld für die Aggressivität mancher Hunde sieht Funk oft bei den Hundehaltern. „Es ist doch kein Wunder, dass ein Wachhund, der in einem Zwinger ohne Familienanschluss vor sich hinvegetiert, verblödet“, ereifert sich Funk.

Mit der neuen Kampfhundeverordnung ist Funk nicht ganz zufrieden. „Es hat zwar etwas getan werden müssen. Aber es wurde leider nur ein Teil der Hunde erfasst“, bedauert Funk. Er präferiert eine rassenunabhängige Verordnung oder einen Führerschein für Hundehalter. Der Zukunft der Rottweiler blickt Funk traurig entgegen. „Die Zucht ist nicht mehr erlaubt, und Rottweiler ohne Negativzeugnis werden ins Tierheim abgeschoben oder eingeschläfert.“ KATJA KÖLBL