Eine Reise in den Alltag der 60er Jahre
12.10.2010, 15:30 UhrAls die verwackelten schwarz-weiß-Aufnahmen über den Bildschirm flimmern, kommt Bürgermeister Horst Kratzer ins Schwärmen und deutet mit dem Finger auf Gebäude und Personen: „Hier ist die Bäckerei Alder, die gibt‘s heute auch noch. Und dort ist die Praxis Unger, jetzt ein Frisörgeschäft. Die einzig geteerte Straße in Postbauer war damals übrigens die Bundesstraße acht“.
Seit einiger Zeit liegt der digital überarbeitete Heimatfilm aus dem Jahr 1960 im Rathaus von Postbauer-Heng. Horst Kratzer hat den Streifen bereits sechsmal gesehen. Langweilig werden die Szenen auch beim siebten Mal nicht. „Ich bin 1960 geboren — für mich hat der Film daher eine ganz spezielle Bedeutung“, lächelt er.
Schönheitskur für 500 Euro
Eine Firma aus Forchheim überarbeitete den 16-Millimeter-Stummfilm und brannte ihn auf DVD. Gut 500 Euro kostete die Schönheitskur. Um die Szenen — allen voran auch für die jüngere Generation — noch interessanter zu machen, hat ihn Ortsheimatpfleger Hans Bradl zusammen mit Hobbyfilmer Jürgen Stüwe vertont. „Dies ist ein Stück Zeitgeschichte“, sagt Bradl, der damals gerade 18 Jahre alt war.
Schürze und Lederhose
Exakt 51 Minuten lang ist die Dokumentation: Menschen flanieren in Schürze und Lederhose durch die Gassen, Ochsengespanne pflügen Felder, beim Frisör lassen sich junge Frauen locken drehen und ein Schuljunge zeichnet eine Raute vor den strengen Augen des Lehrers an die Tafel. Beim großen Abschlussfest, das damals extra für die Filmemacher veranstaltet wurde, schwingen die Einheimischen das Tanzbein und prosten sich lächelnd zu.
„Das ist Lebensfreude“, kommentiert Bürgermeister Kratzer. „Obwohl es früher keine Handys, Computer oder mp3-Player gegeben hat, waren die Leute zufrieden.“ Das Gefühl der Lebensfreude und der Zufriedenheit soll auch die Zuschauer packen, wenn sie den Film sehen. Die Gemeinde plant, Vorführungen für Vereine, Schulklassen oder Firmen zu veranstalten.
Vor 50 Jahren organisierte der Gesangverein Postbauer unter ihrem damaligen Vorsitzenden Xaver Vögele die Aufnahmen. Sie wollten eine Erinnerung für später. Am 10. Juni 1960 war es dann soweit: von früh morgens bis zum späten Nachmittag drehte ein Team aus Nürnberg in Postbauer und Heng, Kemnath, Buch und Dillberg. Bevor die Profis ihre Kamera aufstellten, gaben sie den Bewohnern strikte Anweisungen: „Wenn Sie merken, dass Sie gefilmt werden, so unterbrechen Sie bitte Ihre augenblickliche Tätigkeit nicht. Der Kamermann macht kein Foto, sondern eine Filmszene. Deshalb bewegen Sie sich ruhig weiter, denn nur von der Bewegung lebt der Film“, stand auf einem Handzettel, der überall verteilt wurde.
120 Mark Kosten
Gekostet hat das Projekt 120 DM. Zusätzlich musste der Gesangverein die Hälfte der Einnahmen aus den Filmvorführungen abgeben. Finanziell griffen daher mehrere Geschäftsleute den Sangesbrüdern unter die Arme und sponsorten den Film mit. Einige Male wurde hernach das Werk präsentiert. Kinder bezahlten damals 50 Pfennig, Erwachsene 1,40 DM. Uraufführung war vor exakt 50 Jahren im „Eberhard-Kino“ in Postbauer.
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Der Film wird am Sonntag, 17. Oktober, von 14.30 Uhr bis 17.00 Uhr im Schloss in Postbauer-Heng vorgeführt. Der Eintritt ist frei.