Mit Alfredo in drei Monaten nach Santiago
2.8.2010, 01:31 UhrHeiko Gärtner lebt in Neumarkt. Wenn er nicht gerade in Island tagelang im Vogelfelsen sitzt oder in der masurischen Steppe bei minus 20 Grad sein Projekt „autark Leben im Winter“ durchzieht. Oder nun auf dem alten Pilgerweg der Frage „are you native?“ nachgeht, bin ich wirklich noch „einheimisch in der Natur“?
Manche mögen den 32-Jährigen Anfangs für einen Spinner halten. Doch wer mit ihm ins Gespräch kommt, den kann er schnell überzeugen von seiner Philosophie. Ihm geht es nicht um das klassische Survivaltraining, das Überleben in der Wildnis, auch wenn er das längst gelernt hat. Sein Ziel ist das freie Leben im Einklang mit der Natur, das Überleben mit nativem Wissen, das er sich in vielen Jahren angeeignet hat.
Gärtner hat vor einigen Jahren den Job als Leiter einer Versicherungsagentur an den Nagel gehängt, um sich der Natur zu widmen. Für seine hervorragenden Leistungen bei der Ausbildung zum geprüften Natur- und Landschaftspfleger erhielt er den Meisterpreis der Bayerischen Staatsregierung. Er machte die Jägerprüfung, ließ sich drei Jahre lang zum Wildnispädagogen ausbilden und darf sich nach einer einjährigen Weiterbildung nun Wildnislehrer nennen. Ein Master-Abschluss soll folgen.
Wo wachsen die Schnitzel?
Sein Wissen gibt er in Seminaren und Kursen an Kindergartenkinder oder Schulklassen weiter, denn er ist überzeugt davon, dass das heutige Schulsystem „denaturalisierte Kinder“ ausbildet. „Ich habe in Berlin einmal die Antwort bekommen, dass Schnitzel an Büschen wachsen. Denn auf der Packung steht Bio und Bio sind Pflanzen“, sagt Gärtner. Aus diesem Grund will Gärtner nun die Strapaze auf sich nehmen, um danach berichten und die Erdenbürger überzeugen zu können, wie wichtig es ist, „wildes Wissen“ in die schulische Erziehung aufzunehmen.
Wie konnten die Menschen in der Steinzeit oder noch im Mittelalter so lange Strecken bewältigen, auch dieser Frage spürt Gärtner ab heute nach. Sein einziger Luxus sind dabei Bergschuhe, Sandalen und zwei Paar Socken. Ansonsten gibt es weder Klopapier noch Seife oder Zahnpasta, Gärtner übernachtet in einem Schlafbeutel aus Fell, trägt Bekleidung aus Leder, hat außer Feuerbohrer und Flintmesser nahezu keine Ausrüstung.
Und er ist sicher, auch überleben zu können, ohne das geltende Jagdrecht zu brechen. „Eine kleine Maus von 35 Gramm liefert soviel Energie wie 100 Gramm Putenfleisch“, sagt Gärtner. Auch Eidechsen schätzt er als wertvolle Eiweißquelle. Denn die Wildkräuter, von denen er sich hauptsächlich ernähren will, können nur mit Proteinen und Fett aufgespalten werden. Sicherheitshalber nimmt er auch getrocknetes Bisonfleisch und Dörrfisch mit auf die Reise.
„Alter Wüstenfuchs“
Nicht ganz so streng an die Vorgaben hält sich sein Freund Josef Bogner, der ihn auf der gut dreimonatigen Tour begleitet. „Er ist ein alter Wüstenfuchs und auch so was wie mein Sicherheitsadjutant“, lacht Gärtner. Denn auch wenn alles gut geplant ist, so bleibt doch ein Restrisiko, dessen ist sich Gärtner bewusst. Bogner schläft in einem Zelt und wird sich auch anders ernähren als Gärtner.
Doch auch für ihn gilt: Möglichst wenig Gepäck, Gewicht sparen um jeden Preis. Denn der „Packesel“, den Gärtner von den Staufer Eselfreunden um Rupert Beyer bekommen hat, muss alles schultern können und die Strecke bis nach Spanien durchhalten. Gestern wurde Afredo, wie der neue Wegbegleiter heißt, noch ein spezieller Militärsattel, den Gärtner von den Gebirgsjägern in Garmisch-Partenkirchen organisiert hat, maßgenau angepasst, damit ja nichts scheuert.
In spätestens 100 Tagen wollen sie in Galicien angekommen sein. Macht eine Durchschnitts-Etappe von rund 25 Kilometern am Tag.
Auf seiner Internet-Seite www.heiko-gaertner.de sind alle Fakten zum Marsch auf dem Pilgerweg zusammengestellt. Und da können ihn die Leute auch per Mausklick unterstützen bei seiner wichtigsten Forderung: „Wildes Wissen in Schulen“.