Einzige deutsche Percussions-Familie: Ursprung in Neustadt
08.06.2018, 18:50 Uhr
Ganz so weit hatte es Wolfgang Schneider aus Hannover nicht, der unter wohl einigen Hundert "Auswanderern" ein paar Kirchweihtage dort genoss, wo er als Jugendlicher mit den Freunden beim Feiern kräftig "auf die Pauke gehauen" hatte. Dass dies als Schlagzeuger einmal sein Berufsleben prägen sollte, war noch kein Thema, als der Sohn vom "Schneiders Jupp", dem Obst- und Gemüsehändler vom Marktplatz, sein Abitur am Friedrich-Alexander-Gymnasium machte. Hätte ihm damals einer gesagt, dass er einmal mit fünf Schlagwerkern in einer Familie ein Stück deutsche Musikgeschichte schreiben würde, hätte er dies herzhaft lachend auf den zu tiefen Blick in die Kerwa-Maß geschoben.
Beim Studium im Würzburg (1966/71) lernte Wolfgang Schneider (Jahrgang 1949), der Klavier und Akkordeon, sowie die Orgel in der Stadtkirche spielte, seine spätere Frau Andrea kennen und schlug die Fachrichtung Percussion ein. Dieses sollte ihm den Weg zu den Nürnberger Sinfonikern ebnen, bei denen er von 1971 bis 1974 "eine tolle Zeit" verbrachte, ehe er sich auf eine Stellenausschreibung bei Norddeutschen Rundfunkorchester bewarb.
Ohne jeglichen Glauben an den Erfolg sei er damals nach Hannover gefahren und in einer größeren Schar von Aspiranten unter die beiden letzten Bewerber gekommen und schließlich davon überrascht worden, die Stelle zu bekommen. Es sollte eine Lebensstellung werden, plaudert er beim Kirchweihfrühschoppen über jenen beruflichen Wendepunkt, mit dem ihm bei Konzertreisen die Welt buchstäblich offenstehen sollte. Als Erster Schlagzeuger der Radio-Philharmonie erfuhr Schneider zahlreiche Auszeichnungen, ist unter anderem Preisträger des "Gaudearnus" und des Deutschen Musikwettbewerbs sowie Ehrenmitglied auf Lebenszeit des Verbandes "Percussion Creativ".
Das Schlagzeug als Erbgut
Drei Töchter schenkte ihm Ehefrau Andrea, wie er vom Schlagzeug fasziniert, das offenbar zum Erbgut des Paares werden sollte. Denn die 1974 geborene erste Tochter Daniela schaffte es nach dem Musikstudium in Rostock als erste Solopaukerin in einem der 125 großen deutschen Orchester eine Männerdomäne zu durchbrechen. Tochter (Jo)Hanna, 1979 geboren, ließ das Schlagzeug in die Musikpädagogik einfließen, die sie in einem privaten Studio vermittelt, wie auch Andrea Schneider nach freiberuflichem Wirken in großen Orchestern nun ein Studio betreibt.
1983 in der Nähe von Hannover geboren, studierte auch Tochter Maria wie ihre Schwestern Daniela und Johanna Schneider klassisches Schlagwerk. Sie besuchte in des Vaters fränkischer Heimat die Berufsfachschule für Musik in Dinkelsbühl, wo sie Schlagzeug sowie Chor- und Ensembleleitung im Hauptfach und ab 2002 an der Hochschule für Musik Hanns Eisler in Berlin Schlagzeug bei Edgar Guggeis, Franz Schindlbeck, Rainer Seegers, Li Biao und Sanja Fister studierte. Heute in Pankow lebend, ist sie seit 2013 festes Mitglied beim "Andromeda Mega Express Orchestra", spielte und spielt in diversen Orchestern, Ensembles und Bands, war Mitglied im "EUYO – European Union Youth Orchestra" und spielte bereits bei Musiktheaterproduktionen in der Schaubühne Berlin und dem Maxim Gorki Theater Berlin, vertonte Lesungen von dem Schauspieler Hartmut Becker und trat beim World Drum Festival auf.
Die Töchter sind in der Elbphilharmonie zu sehen
Wolfgang Schneider erzählt dies mit leuchtenden Augen, freut sich darauf, Daniela, Johanna und Maria am 29. Juli mit "Ambrassador" in der Aula Garbsen zu erleben. Dass Johanna und Maria mit dem "Andromeda Mega Express Orchestra" am 26. August in der längst ausverkauften Hamburger "Elbphilharmonie" gastieren, macht den Papa stolz, der sich auch freut, dass alle vier Enkel schon "musikalisch unterwegs" sind.
Wolfgang Schneider musste mit 65 Jahren seinen Dienst beim Norddeutschen Rundfunkorchester quittieren, mit dem er vor neun Jahren in Tokio ein Konzert gab, nachdem es direkt in die Klinik ging und er nach der Rückkehr nach Hannover eine schwere Herzoperation überstehen musste. Die Leidenschaft Musik sollte der beste Therapeut sein und Wolfgang Schneider bis "zur Rente" weiter den Takt im weltweit renommierten Orchester angeben. Heute ist nach dem Kaffee der erste Gang ins Studio, wo er ebenso gerne an der "alten" Hammondorgel wie am Schlagzeug sitzt und auch wieder zur Gitarre oder Ukulele greift. Gelegentlich setzt ihn das Orchester zu Projekten in Schulen ein, die ihm sehr viel Spaß machen.
"Es war richtig rauszukommen"
Bei einem Besuch in der alten Heimat kämen natürlich "nostalgische Gefühle auf", sehe man die liebenswerte Stadt mit anderen Augen, so Schneider, für den es auch in der Rückschau auf eines reiches Leben "richtig war, rauszukommen". So wie man gelegentlich gerne heim kommt, auch wenn sich die Zahl alter Bekannter zunehmend ausdünnt, er einigen von ihnen den Besuch am Grab abstatten musste. Besonders freute sich Wolfgang Schneider, als ihn beim Kirchweihbummel Kinder aus der "Comenius-Grundschule" fröhlich grüßten und gerne wieder einmal mit ihm trommeln würden, wie ihn ein Schulprojekt nach Neustadt geführt hatte, das er "jederzeit gerne" wiederholen würde.
Sollte er der alten Heimatstadt einen Rat geben, sähe er in der Werbung für deren vielen Vorzüge "noch Luft nach oben". Komme er mit Freunden aus Norddeutschland zu Besuch, seien diese immer wieder hellauf begeistert. Nicht zuletzt von der guten Küche, die Wolfgang Schneider auf der "Kirchweih" genießen konnte, der er sich in einer Fotoserie von Andreas Riedel verbunden fühlt. "Wenn iech komm is Kerwa", steht darunter und traf bei Schneiders Visite haargenau zu.
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