„Latschen“ fürs Überleben
11.8.2020, 17:58 UhrEs seien „die Geschichten hinter den Objekten eines Museums, die sie so wertvoll für deren Sammlungen machen“, schrieb Pressesprecherin Ute Rauschenbach zu deren Eröffnung. Wenige Wochen zuvor hatte das Museum des Bezirks Mittelfranken geflochtene Juteschuhe des Burghaslacher Johann Müller zusammen mit einer bewegten Geschichte entgegennehmen können, die er in einem Kriegstagebuch dokumentiert hatte.
Mit seiner Tochter hatte er im Juli dem Fränkischen Freilandmuseum Bad Windsheim seine Notizhefte, das Kriegstagebuch mit Fotoalbum und einige andere Dinge aus dieser Zeit übergaben, deren sich Juliane Sander für eine Dokumentation annahm. Die Schuhe waren in der Zeit nach 1946 während seiner Kriegsgefangenschaft in England aus Fäden entstanden, die der aus Jutesäcken gezogen und geflochten hatte. Mit ihrem Verkauf konnte er sich seinen Lebensunterhalt aufbessern, wie es Johann Müller aufzeichnete.
Nun sind sie Juteschuhe als „Objekt des Monats“ im Eingangsgebäude des Fränkischen Freilandmuseums zu sehen. „Seine persönlichen Erlebnisse und Erfahrungen aus dieser Zeit fügen sich nun in die Geschichte ein und bleiben im kollektiven Gedächtnis bewahrt“, schreibt dazu Museumssprecherin Ute Rauschenbach deren Autor Johann Müller, der gerne aus der Vergangenheit erzähle und bei einem Besuch im Museum viele Fragen beantwortete: „Er ist ein wacher Geist, hat einen gesunden Menschverstand, Herzensbildung und Humor, ist kreativ, zudem handwerklich versiert und vielseitig begabt. Sein offenes Herz, begleitet von diesen zweifelsfrei überlebenswichtigen Gaben, lassen ihn dankbar auf seine Vergangenheit zurückblicken“.
Für das „Objekt des Monats“ beginnt der Ausschnitt aus den leidvollen Erfahrungen von Johann Müller in und nach dem Krieg am 2. September 1946. In englischer Kriegsgefangenschaft begann er mit der Fertigung der nun im Museum ausgestellten Hausschuhe. „Latschenfabrikation“ nannte er das, obwohl er sie mit ganz einfachen Mitteln, aber in Massen herstellte. Nicht für sich selbst, sondern zum Verkauf an die englische Bevölkerung. Der winzige Gewinn konnte das Überleben sichern. Aus noch brauchbaren, im Lager „organisierten“ Jutesäcken, zog Johann Müller vorsichtig Fäden heraus und flocht sie zu „Zöpfen“. Diese bildeten das Grundmaterial für die Schuhe. Das „Objekt des Monats“ gewährt regelmäßig Einblick in die Sammlungsarbeit des Fränkischen Freilandmuseums.
Gezeigt werden Neuzugänge, hochwertige und besondere Objekte, Kuriositäten und Dinge, die man viel-leicht gar nicht unbedingt in einem Freilichtmuseum erwartet. Öffnungszeiten sind noch bis 14. Oktober von 9 bis18 sowie vom 25. Oktober bis 13. Dezember von 10.30 bis 16.30 Uhr. Ab 9. November ist das Freilandmuseum am Stadtrand von Bad Windsheim montags geschlossen.