126 zu 52: Nasser Ahmed ist neuer Nürnberger SPD-Chef

Marco Puschner

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10.4.2021, 13:03 Uhr
Der neue Chef im Karl-Bröger-Haus: Nasser Ahmed gewann die Wahl zum Nürnberger Parteichef klar gegen Gabriela Heinrich. 

© NNZ Der neue Chef im Karl-Bröger-Haus: Nasser Ahmed gewann die Wahl zum Nürnberger Parteichef klar gegen Gabriela Heinrich. 

Ahmed, der den bisherigen Parteichef Thorsten Brehm beerbt, punktete bei den rund 180 Delegierten des digitalen Parteitags mit einer sehr persönlichen Rede, in der er seine Familiengeschichte als Kind von Einwanderern aus Eritrea erzählte. Seine Eltern seien dort als Nomaden aufgewachsen; der Vater habe, als er mit 14 Jahren in den Krieg ziehen sollte, sein Schicksal selbst in die Hand genommen und sei geflüchtet.

"Sehnsuchtsort Deutschland"

"Sein einziges Ziel: sich zu seinem Sehnsuchtsort durchschlagen. Dem Sehnsuchtsort Deutschland." Dass Deutschland für seine Eltern und viele Menschen ein "Sehnsuchtsort" gewesen sei, ist für Ahmed auch das Resultat sozialdemokratischer Politik. Sie habe Rahmenbedingungen geschaffen, in denen sozialer Aufstieg für jeden möglich wurde, der hart arbeitete.

Aufstiegsversprechen in Gefahr

Doch Ahmed sieht dieses Aufstiegsversprechen in Gefahr - und damit die soziale Marktwirtschaft in der Krise. "Wir haben Armut in einem reichen Land." Deswegen benötige die SPD einen Neuanfang, vor allem in der Arbeits- und Sozialpolitik. Der 32-Jährige forderte unter anderem einen höheren Mindestlohn, ein Ende von Hartz IV, eine gerechte Steuerpolitik und eine deutliche Arbeitszeitverkürzung. Über das bedingungslose Grundeinkommen müsse man ebenfalls dringend diskutieren.

"Um die soziale Krise zu überwinden, braucht es mutige sozialdemokratische Visionen - auch vor Ort hier in Nürnberg." Was die lokale SPD betrifft, so versprach der bisherige Vizechef der hiesigen Genossen den Delegierten mehr Transparenz und eine "Reform unserer Kommunikationskultur"; Ahmed kündigte mehr Mitsprache für die Ortsvereine sowie einen "Masterplan Parteiarbeit der Zukunft" an.

Die SPD soll "Hoffnungsträger" sein

Dagegen warnte seine Kontrahentin Gabriela Heinrich die Partei davor, sich zu sehr "mit uns selbst zu beschäftigen". Auch wenn die SPD die heftige Niederlage bei der Kommunalwahl 2020 mit dem Verlust von Stadtratsmehrheit und Oberbürgermeisterposten verkraften müsse, gelte es, nach vorne zu schauen: "Eine Partei, die nur in ihrer eigenen Blase bleibt, verliert das Gespür dafür, was die Menschen mehrheitlich bewegt", sagte die 57-jährige Bundestagsabgeordnete.

Während Ahmed viele bundespolitische Themen ansprach, betonte Heinrich, dass man nicht hier vor Ort entscheiden könne, "wie sich der Mindestlohn entwickeln wird". Ihre unter dem Motto "Nürnberg - Stadt der Zukunft" vorgetragenen Konzepte konnten die Delegierten letztlich jedoch nicht überzeugen. "Lasst uns Hoffnungsträger sein", sagte Ahmed nach seinem klaren Wahlsieg mit 126 zu 52 Stimmen bei drei Enthaltungen.

Stellvertreter Hampel und Gardill

Heinrich und Ahmed waren bisher Stellvertreter von Thorsten Brehm, der sich nach seinem Rückzug vom Parteivorsitz voll auf seine Aufgabe als Chef der SPD-Stadtratsfraktion konzentrieren will. Auch Heinrich, die nach 15 Männern die erste Frau an der Spitze gewesen wäre, scheidet aus dem Vorstand des SPD-Unterbezirks Nürnberg aus, kandidiert aber im Wahlkreis Nürnberg-Nord wieder für den Bundestag. Bei den beiden neu zu besetzenden Stellvertreterposten gab es keine Kampfkandidaturen, sondern nur zwei Bewerber, die grünes Licht von der Jahreshauptversammlung erhielten.

Bernd Hampel, Ortsvereinschef der SPD Maxfeld, bekam 143 Ja-Stimmen (18 Nein-Stimmen, neun Enthaltungen). Auf die Historikerin Kerstin Gardill, die 2018 vergeblich für den Landtag kandidierte, entfielen 141 Ja-Stimmen (21 Nein-Stimmen, elf Enthaltungen). Gardill war maßgeblich an den Projekten beteiligt, mit denen die Nürnberger SPD im Jahr 2016 ihr 150. Jubiläum feierte. Zu besetzen waren zudem noch neun Beisitzerposten im Vorstand: Hier erhielt Stadträtin Yasemin Yilmaz mit 140 Stimmen das beste Ergebnis. Sie wurde wiedergewählt, während Stadtrat Michael Ziegler und der Landtagsabgeordnete Arif Tasdelen neu in das Gremium einzogen.

Grußwort von Alt-OB Ulrich Maly

Die meisten Bewerber stellten sich per Videobotschaft vor, nur wenige Menschen befanden sich bei der JHV im Karl-Bröger-Haus. Darunter aber zu Beginn Altoberbürgermeister Ulrich Maly, der ein Grußwort sprach. Er sagte, dass das Staatsverständnis während der Corona-Krise sozialdemokratisch geprägt sei - einen schwachen Staat könne sich in diesen Zeiten niemand wünschen.

Dank an die Partei

Wegen der Corona-Krise "bin ich sang- und klanglos aus dem Rathaus verschwunden", erinnerte er sich an seinen Abschied aus dem Amt im Frühjahr 2020. Nun wolle er die Gelegenheit nutzen, sich bei der Partei, die ihm seine politische Karriere ermöglicht habe, zu bedanken. Maly war nach 18 Jahren als Oberbürgermeister 2020 nicht mehr angetreten. Brehm verlor damals die OB-Wahl gegen den CSU-Kandidaten Marcus König.

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