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17. Dezember 2021: Der Nürnberger Förderpreis wird verliehen

17.12.2021, 07:00 Uhr
17. Dezember 2021: Der Nürnberger Förderpreis wird verliehen

© Friedl Ulrich

Ein Förderungspreis für Musik wird in diesem Jahre nicht vergeben. Auch der frühere Kulturpreis entfällt, da im Dürer-Jahr zum ersten Male ein bildender Künstler – der Grafiker HAP Grieshaber – mit dem Albrecht-Dürer-Preis der Stadt Nürnberg ausgezeichnet wurde.

Godehard Schramm: Nach Uwe Brandner (1969) und Angelika Mechtel (1970) dekorierten die Nürnberger mit Godehard Schramm wiederum einen Schriftsteller, der bereits überregional von sich reden machte. Schramm, geboren am 24. Dezember 1943 in Konstanz, hat in den letzten Jahren durch seine Lyrik-Editionen („Lieber Rot als Rot“, „Nürnberger Bilderbuch“) und seine Publikationen in renommierten Zeitschriften wie „Kürbiskern“ oder „Literatur und Kritik“ seine eigene Text- und Wahrheitstopographie klar abgesteckt. Mit bitterbösen Sentenzen und scheinbar leichter Hand lotet Schramm die Tragfähigkeit der Sprache aus. Er seziert die Binsenweisheiten, bastelt clevere Zitat-Montagen, reiht sie zu gefälligen Versen und endet mit ironischen Pointen. Godehard Schramm bekennt sich im Sinne von Majakowski zur „Poesie als Dienstvorschrift für Soldaten/und täglich/eine Ohrfeige dem öffentlichen Geschmack“.

Dieser „fränkische“ Autor aus Konstanz ignoriert den Begriff Provinz. Er las vor Arbeitern und Studenten mit den Pütt-Poeten Max von der Grün und Wolfgang Körner in Gelsenkirchen und Dortmund, schrieb Beiträge für den Bayerischen und den Norddeutschen Rundfunk. Neben zahlreichen Veröffentlichungen eigener Texte in Anthologien sind besonders Schramms Übersetzungen aus dem Tschechischen und Russischen bemerkenswert. Nach dem Gymnasium und einem Volontariat in der Redaktion der „Nürnberger Nachrichten“ studierte Schramm in Erlangen Slawistik, Pädagogik, Germanistik und osteuropäische Geschichte. Er arbeitete danach als Hilfsarbeiter und dann wieder als wissenschaftliche Hilfskraft am Slawischen Seminar der Erlanger Universität. Zur Zeit schreibt Godehard Schramm in Moskau an der Lomonossov-Universität an seiner Doktorarbeit.

Er analysiert die Prosa und Lyrik der sowjetischen Autoren Jewtuschenko und Wosnesenskij. Wie er aus Moskau berichtet, ist er ein Stipendiat der „Deutschen Forschungsgemeinschaft“. Er ist von Moskau fasziniert, will sich vom „bundesdeutschen Verfolgungswahn“ befreien. Er will „ohne Klischees“ leben. Und er entwirft im Schatten der Kreml-Mauern „eine neue Form des mobilen Theaters“. Er schreibt: „Klarheiten schaffen – ich begreife die Notwendigkeit des Theaters: spielerisch veränderte Zustände zeigen.“ Schramm konsumierte auf der Moskauer Szene Gorkijs „Feinde“; ein Erlebnis, das ihn zu einem ersten eigenen Stückversuch mit dem Titel „Hausordnung“ inspirierte.

G. Bodo Boden: In den Sprachfluß dieses Nürnberger Förderungspreisträgers mischt sich in regelmäßigen Abständen ein nach Bestätigung heischendes „Woll“: der „fränkische" Maler und Grafiker G. Bodo Boden ist im Jahre 1937 in Rheine bei Münster geboren und im sauerländischen Arnsberg aufgewachsen; Heinrich Lübke und Jürgen von Manger sind seine Landsleute. Seine künstlerischen Vorfahren freilich tragen durchwegs angelsächsische Namen, denn Bodo Boden ist Pop-Artist, und sein – in weiten Kreisen hochgeschätzter – Haus-Flipper ein durchaus beachtliches „Ready made“ dieses Genres.

Ein Jahr lang studierte Bodo Boden an der Werkkunstschule in Dortmund, fünf Jahre lang war er Schüler von Professor Fritz Griebel an der Nürnberger Kunstakademie. Jetzt leitet er recht gut frequentierte Zeichenkurse des Nürnberger Jugendzentrums. Seine Arbeiten wurden unter anderem in der Kunsthalle Nürnberg, bei der „Ars-Phantastica“-Ausstellung in Schloß Stein, im Duisburger Lehmbruck-Museum, in Polen, Frankreich, Holland und Norwegen gezeigt. Und im Straßenverkehr: Denn Bodo Boden ist unter anderem „Autopainter“, was ihm von der Technik her keine Schwierigkeiten bereitet. Durch Schablonen spritzt er Autolack und Fluorfarben auf Leinwand, Polyester, Blech. Zu seinem Repertoire gehören auch großformatige Farbtafeln, Hinterglasbilder, Grafiken und Abziehbilder.

Bodo Bodens Sujets stammen aus der grellbunten, grobgerasterten Klischee-Welt der Konsum- und Unterhaltungsindustrie. Seine Bilder sind eine Art Koppel-Geschäft: die Leute bekommen das, was sie gerne sehen, was ihnen täglich und stündlich eingehämmert wird, bunt und dekorativ aufbereitet; aber es wird noch etwas mitgeliefert, das auf Anhieb nicht so recht zu den Klischees passen will. Die Konfrontation von Dingen, die im Bewußtsein der Konsumenten nicht zusammenpassen, ist Bodo Bodens Mittel der Kritik.

Das sieht dann zum Beispiel so aus: Milde Damen und Herren aus einer Opel-Reklame freuen sich über den neuen Mittelklassewagen – einen 48-Tonnen-Panzer; der Starfighter im Anflug auf die Brustwarze einer Frau; ein Cowboy zwischen Wolkenkratzern; eine Lippenstift-Rakete überholt einen Rennfahrer. Für unsere Zeit repräsentative Formen der Aggression wie Sex (Lippenstift), Geschwindigkeit (Autorennen), Krieg (Starfighter) ergeben in dem von Bodo Boden sorgsam ausgewählten neuen Kontext eine Art gemalte Sozialpsychogramme, deren Reiz darin liegt, daß sie leicht konsumierbar, aber keineswegs leicht verdaulich sind: „Man schluckt alles“, meint Bodo Boden – „das versuche ich darzustellen“.

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