Glore: Die Nürnberger Adresse für Fair Fashion

18.12.2020, 11:36 Uhr
Glore: Die Nürnberger Adresse für Fair Fashion

© Foto: Glore

Der jüngste Laden des Nürnberger Fachhändlers Glore für faire und ökologische Mode (sprich: "Glo-Rie", steht für Globally Responsible Fashion) steht im schweizerischen Zürich. Die Eröffnung war im Februar, kurz bevor die Corona-Pandemie für einen achtwöchigen Lockdown sorgte. Dennoch zeigt sich Gründer und Glore-Chef Bernd Hausmann "insgesamt zufrieden".


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Obwohl Corona insbesondere der Textilbranche einen ordentlichen Schlag versetzt hat, sei bis September ein Minus von nur acht Prozent aufgelaufen. Neben dem Stammgeschäft in der Nürnberger Innenstadt gibt es bundesweit sechs Geschäfte sowie weitere zwei in der Schweiz. Hinzu kommt noch der Online-Shop, der "Not-Tropfen in Corona-Zeiten", wie Hausmann sagt.

Fünf Millionen Euro Umsatz

Mit etwas Glück werde der Umsatz insgesamt in diesem Jahr die Vorjahresmarke von rund fünf Millionen Euro erreichen, hofft der einstige Amateur-Fußballer mit Aussicht auf einen Profivertrag. Doch Hausmann entschied sich damals für ein Studium der Sozialen Arbeit, kümmerte sich in den USA um Obdachlose und war dann in der Kinder- und Jugendarbeit in Stein aktiv. Nebenbei vertrieb er Retro-Trikots, etwa vom 1. FCN.

Doch mit dem Erfolg seines Textilgeschäfts hinterfragte er auch die Arbeits- und Produktionsbedingungen der Branche. Er zog seine Konsequenz, hängte seine Beschäftigung im öffentlichen Dienst an den Nagel und verabschiedete sich von seinem Trikot-Geschäft. Dafür eröffnete er 2007 seinen ersten Glore-Store. "Ich bin kein Start-up-Typ", erinnert sich Hausmann. "Ich habe nicht als Unternehmer angefangen, sondern als Idealist." Getrieben hat ihn seine persönliche Mission, attraktive Mode in den Markt zu bringen, die fair gehandelt ist und sich auch um die Arbeitsbedingungen, etwa der Näherinnen in Bangladesch, kümmert. Dazu kommt die ökologische Erzeugung der Stoffe.

Deutschlands erster modischer "Fair Fashion Laden" war eine Erfolgsstory. Auch heute dürfte er der "weltweit größte Fachhändler im fairen Textilsegment" sein, doch Hausmann legt auf solche Kategorien keinen Wert. Denn die Sparte öko und fair macht nicht einmal ein Prozent vom gesamten Textilgeschäft aus. Deshalb hofft er auf das bundesdeutsche Lieferkettengesetz, das gerade von der konventionellen Wirtschaft mit Verweis auf die Corona-Krise torpediert werde.

Glore: Die Nürnberger Adresse für Fair Fashion

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Missbilligend verfolgt der Pionier die Aktivitäten konventioneller Modehändler, die auch mit Ökotextilien werben. Schaue man genauer hin, liege der Anteil an Biobaumwolle nur bei drei Prozent: "Die halten nicht, was sie versprechen." Viele Textilsiegel haben auf den zweiten Blick Schwächen, aber man komme nicht daran vorbei. Selbst bei den wichtigsten, internationalen Prüfzeichen GOTS mache man Kompromisse.

Textilbranche hinkt hinterher

"Aber es ist ein Anfang", sagt Hausmann, der sich selbst als "realistischer Fundi" oder "pessimistischen Optimisten" bezeichnet. Etwas neidisch blickt er auf die Lebensmittelbranche, der der Textilhandel "zehn bis 15 Jahre hinterherhinkt".

Um für seine Idee fairer Mode zu werben, engagiert sich Hausmann auch in Sachen Bildung an Schulen. "Die alte Vorstellung von ,Jutesack und Birkenstockʻ ist längst bei Öko-Klamotten vorbei." 150 Marken finden sich im Schnitt in einem Glore-Geschäft, die vor allem über ihr Design überzeugen sollen: Hemden, Blusen, Jeans, Hosen, Schals, Jacken oder Schuhe – das Angebot ist riesig. Lediglich bei Anzügen und Sportklamotten fällt die Auswahl geringer aus. Neben etablierten Marken wie Armedangels, Nudie Jeans, Veja und Lanius kommen oft auch kleinere lokale Anbieter hinzu.

Besonders freut es Hausmann, dass eine junge Generation im Modedesign heranwächst, die von sich aus vieles anders mache. Ohne sich um Siegel oder Zertifikate zu kümmern, arbeiteten sie mit Biobaumwolle oder ließen lieber in Portugal als in Bangladesch fertigen. "Das ist Veränderung von unten."

Glore im österreichischen Wien zu eröffnen. Hausmann lässt sich dabei nicht von Markt- und Standortanalysen leiten, sondern entscheidet sich nach den Menschen vor Ort mit einer "fairen Vision von Öko-Fashion". Er nennt dieses Modell nicht Franchise, sondern "Friendise". Selbst Quereinsteiger, wie etwa in der Schweiz, seien kein Hindernis, solange die Begeisterung für die Idee stimme.

Hausmann steuert die Geschäfte aus einem Backsteingebäude in Gostenhof. Auf ein Chefbüro verzichtet er; er sitzt mit einem Teil der 15 Nürnberger Mitarbeitern an einem Tisch. Dort wird verpackt, telefonisch geordert oder die Retouren bearbeitet.

Mit netten Briefchen

Jede zweite Online-Bestellung werde zurückgeschickt, allerdings nahezu ausschließlich in Top-Zustand und oft noch mit netten Briefchen. Seit Jahresbeginn ist der Online-Shop technisch auf neuestem Niveau – man kann dort etwa den Versand in einem gebrauchten Karton wählen – aber der Aufwand sei hoch, um im weltweiten Netz gefunden zu werden, berichtet Hausmann.

Fast Fashion vs. Slow Fashion

Besorgt blickt er aktuell auf den Stammsitz. Der verwinkelte Bau mit Gründerschmiede, Agenturen und kleinen Büros ist für Hausmann ein kreativer Kosmos, hat aber wohl seine beste Zeit hinter sich. Der Eigentümer hat die Kündigung eingereicht; im nächsten Spätsommer ist Schluss. Wahrscheinlich werde das Gebäude generalsaniert und dann mit exklusiven Lofts versilbert, mutmaßt der "pessimistische Optimist", wie er sich selbst nennt.

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