Alexander Herrmann: Die Prise Wahnsinn ist immer dabei
22.10.2020, 16:47 UhrHerr Herrmann, Ihre Biografie die kürzlich erschienen ist, heißt: ". . . Und eine Prise Wahnsinn". Wie viel davon muss man für Ihren Beruf mitbringen?
Na ja, der Wahnsinn ist nicht berufsorientiert, sondern eher eine Haltungssache. Wenn man überlegt, was ich so durchziehe und wie ich’s mache, ist das nicht total verrückt und bekloppt, aber es hat diese Prise Wahnsinn. Zum Beispiel, wenn man diese Krebserkrankung betrachtet, die ich vor zehn Jahren hatte und damals verschwiegen hatte.
Im Buch erwähnen Sie sie aber. . .
Ich erwähne es im Buch, weil sie die Prise Wahnsinn zeigt. Ich hatte eine durchaus lebensbedrohliche Erkrankung (eine Form von Hautkrebs, Anm.d.Red.), die allerdings mit einer kurzen OP erledigt war. Ich wollte damals nicht, dass das jemand weiß und mich dann in einem anderen Licht sieht. Dann bin ich vielleicht raus aus dem Fernsehen, weil mich jemand schonen will. Oder jemand sagt: "Naa, nach Wirsberg fahrmer net, weil dem Herrmanns geht’s net so gut." Das wäre ja unternehmerisch der Supergau. Das mit sich selber auszumachen, um das Unternehmen zu schützen, das ist diese Prise Wahnsinn, die ich meine.
Das Klischee vom rauen Ton in der Küche nervt Sie. Warum?
Na ja, der raue Ton, den gab’s früher auf Baustellen genauso wie bei Chefredaktions-Meetings, wenn man Journalisten fragt, die schon ein paar Jährchen Erfahrung haben. Am Schluss sind der raue Ton und das Ausflippen eine Cholerik. Und die kommt immer dann, wenn du überfordert bist. Die Gastronomie hat sich früher selbst in diese Lage gebracht, weil da Speisekarten geschrieben wurden, die einfach nicht machbar waren (im Sinne von zu üppig, Anm. d. Red.), wenn der Laden voll war. Das ist heute vorbei.
Ihre Branche ist aber schon besonders dafür bekannt. Nach dem Motto: Köche unter Dampf, da geht’s zur Sache . . .
Weil wir damit kokettiert haben! Wer in die Gastronomie will, der muss schon besonders hart sein. Damit haben wir uns keinen guten Dienst erwiesen. Denn manche sagen da: "Nee, so hart bin ich nicht, das ist für mich nichts."
Sie haben bei vielen namhaften Kollegen gelernt. Unter anderem auch bei Schuhbeck. Was war die wichtigste Lektion?
Ich habe bei jedem was Besonderes gelernt. Einer der wichtigsten Sätze meines Lebens stammt aber von Konrad Rottner. Der sagte: "Wir sind ein Wirtshaus, hier hat der Wirt das Sagen." Das hat er vor 30 Jahren gesagt. Damals war die Haltung der Gastronomie: Der Gast ist König. Gerade meine Oma (damals Seniorchefin des Posthotels, Anm. d. Red.) ist ja vor jedem eingeknickt! Und dann kommt Rottner und sagt das. Das fand ich großartig.
Beim Rottner mussten Sie ja anfangs ständig Baggers machen. Haben Sie davon ein Trauma?
Nee, überhaupt nicht! Die Baggers und die Rösti waren mein ganzer Stolz. Ich wollte jeden Baggers so haben, wie ich ihn gerne esse. Ich war verliebt in jeden einzelnen Baggers (lacht).
Was ist Ihr Soulfood? Etwas, das Ihnen ein wohliges Gefühl vermittelt, wenn Sie es essen.
Meine Mutter hat früher immer Tomatensuppe mit Reis und pochiertem Ei gemacht. Im "Fränkness" haben wir beim Brunch oft Shakshuka gemacht. Und da kocht man das Ei ja auch in den Tomaten. Der erste Bissen von diesem zerfließenden, wunderbaren Ei auf den Tomaten versetzt mich in 60 Sekunden zurück in die Zeit, als ich sechs Jahre alt war.
Ihre Eltern sind bei einem Autounfall ums Leben gekommen, als sie neun Jahre alt waren. Im Buch sprechen Sie darüber zum ersten Mal öffentlich. Wie schwer ist Ihnen das gefallen?
Es war jedenfalls nicht leicht. Aber ich wurde schon öfter damit konfrontiert. Es steht ja auch auf Wikipedia und Co. Ich kann das nicht wegdiskutieren, so nach dem Motto: Das gab’s nicht. Es sind nicht unbedingt Neuigkeiten, die in dem Buch verkündet werden. Sondern Geschichten, die mich verändert haben und zeigen, wieso gewisse Dinge bei mir entstanden sind. Andy Hock (Koautor von Herrmanns Biografie,Anm.d. Red.) muss ich da sehr loben, weil er es so geschrieben hat, dass es keine Sekunde ins Depressive rückt, sondern immer auch das Positive darstellt, das ich immer gesehen und auch gelebt habe.
Sie sagen: "Mit dem Schicksal hadern, ist wie schaukeln. Es bringt einen nicht voran." Als Kind hatten Sie Ihre Großeltern, Ihre Tante, Sie waren in die Hotel-Familie eingebettet. Aber trotzdem waren Ihre Eltern plötzlich nicht mehr da. Was hat Ihnen die Kraft gegeben, nicht zu hadern und unbeirrt Ihren Weg zu gehen?
Puh, ich glaube es war keine Kraft, sondern eher die Not am Mann. Man muss es ja machen. Es bleibt dir nix anderes übrig.
Eigentlich wollten Sie als Kind gerne Tierarzt werden . . .
Ja, wir hatten einen Jagdhund. Er und ich, wir waren eins. Insofern war das meine Gaudi. Aber ich hätte keine Chance gehabt für ein Gymnasium, da muss ich mir nix vormachen.
Schule haben Sie nicht so gerne gemocht?
Nein, das war nicht so meins. Da musste ich halt irgendwie durch.
Man kennt Sie auch als Fernsehkoch. Inwiefern ist es anders, vor der Kamera zu kochen?
Na ja, das ist so, wie wenn ich ein Buch auf der Bühne vorlese, anstatt zu Hause für mich. Die Leute haben ja auch eine Erwartungshaltung, denen muss man was mitgeben.
Kennen Sie Lampenfieber?
Natürlich, logisch.
Und was machen Sie dagegen?
Nix. Mich gut vorbereiten. Wenn du dich sicher fühlst, dann ist Lampenfieber minimiert.
Ihre erste Autogrammkarte ist Ihnen heute peinlich, warum?
Ich find’ mich darauf so komisch anbiedernd.
Gab’s und gibt’s Liebesbriefe?
Klassische Liebesbriefe gab’s nicht. "Alexander, ich will ein Kind von dir", hat niemand geschrieben. Aber manchmal haben Leute halt geschmeichelt. So nach dem Motto: "Toller Auftritt", und so weiter. Und das Ganze dann auf Diddl-Maus-Papier (lacht).
Sie tragen Ihr Haar jetzt weiß-grau. Keine Lust mehr auf Färben?
Ach Gott, ja, die Haare! Als ich bei "Hart aber fair" war oder bei "The Taste", da ging’s in Social Media immer nur um die Frisur. Die Gesellschaft ist weiblicher, als man denkt, also zumindest was die Themen betrifft, über die geredet wird. Die Antwort ist ganz einfach: Letztes Jahr, als die Aufzeichnung von "The Taste" rum war und es keine öffentlichen Termine mehr gab, hab ich beschlossen, ich lass mal die Tönung weg, und plötzlich war’s perfekt. Und jetzt bin ich sehr froh, dankbar und happy damit.
Sie sind mal mit Königskrabben im Handgepäck geflogen. Wie kam’s dazu?
Die musste ich mit hochnehmen zu der Fernseh-Show "Kerners Köche". Und ich wollte kein Gepäck aufgeben, sondern schnell rein in den Flieger und schnell wieder raus. Das war vor zehn Jahren. Heute würde das nicht mehr gehen. Aber das ist diese Prise Wahnsinn, dass man’s überhaupt probiert . . .
Wie viel stehen Sie selber noch am Herd?
Für den Ablauf im Alltag bin ich nicht mehr notwendig. Darum ging’s ja auch – eine Gemeinschaft mit dem Team aufzubauen, so dass der Betrieb auf vielen Schultern aufgebaut ist. Ich werde nächstes Jahr 50, da muss auch ich mal in die nächste Ebene rein. Und die lautet, ein Stück weit mehr abzugeben.
Für wen kochen Sie am liebsten?
Egoistischerweise koche ich am allerliebsten für mich alleine, und zwar eine riesengroße Portion Pasta. Dann esse ich so lange, bis ich ein Fresskoma habe.
Sie haben schon viele Prominente bewirtet. Wer hat Sie besonders beeindruckt?
Karl-Theodor zu Guttenberg zum Beispiel. Das ist eine Person, wenn die einen Raum betritt, dann ist sie da. Oder auch Thomas Gottschalk, der immer mal wieder bei uns zu Gast ist, das ist natürlich ’ne Größe.
Für wen würden Sie gerne mal kochen?
Hm, mit Alain Ducasse würde ich gerne mal essen gehen. Der ist einer der größten lebenden Köche für mich, und ich würde gerne mal erleben, wie er Essen bewertet.
Wie arg schlägt Corona bei Ihnen ins Kontor?
Es ist schon nicht ohne. Man muss sich dem Ganzen stellen und gucken, wie man es am besten hinkriegt.
Ihr Palazzo findet dieses Jahr nicht statt. Aber ein Gourmet-Theater namens "Teatrino" findet ab heute statt. Was halten Sie davon?
Ich weiß, was es bedeutet, das Palazzo-Zelt zu machen. Welche Kraft da dahintersteckt. Man muss mal abwarten, wie die das umsetzen. Wenn mich einer fragt, ob ich das alleine trotz der Erfahrung auf die Beine stellen würde, würde ich sagen, ich lass das lieber. Dann sind es auch noch vier Köche. Und die haben ja finanzielle Erwartungen. Das ist eine große Herausforderung. Palazzo lebt von dem Erlebnis, so nah wie möglich an die Bühne zu kommen. Das funktioniert jetzt natürlich nicht. Man muss schauen, ob das jemals überhaupt wieder als Bedienungsstruktur sicher ist. Wir wissen noch nicht genau, wie das gehen soll. Wenn die Kollegen da schneller sind, dann wünsche ich viel Erfolg.
Alexander Herrmann (49) wuchs als Hotelierssohn in Wirsberg auf und leitet das "Posthotel" seiner Familie. In Nürnberg betreibt er das "Imperial" und "Fränk`ness" und wurde mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichnet. Er war jahrelang Gastgeber des "Palazzo". Im TV ist er in der Koch-Castingshow "The Taste" Coach und Juror. Er hat zwei Kinder und eine Lebensgefährtin.
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