Als Winnetou-Bände noch knapp waren: Erinnerungen eines Bibliotheksnutzers

Wolfgang Heilig-Achneck

Lokalredaktion

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12.1.2021, 20:04 Uhr
Eine Lieblingslektüre aus der Jugendzeit: Einige "Mechanikus"-Hefte hat sich Fritz Hofmann bis heute aufbewahrt.

© NNZ Eine Lieblingslektüre aus der Jugendzeit: Einige "Mechanikus"-Hefte hat sich Fritz Hofmann bis heute aufbewahrt.

Dazu sind auch ein paar Andenken zu rechnen, die Fritz Hofmann über Jahrzehnten sorgsam gehütet und nun, angeregt durch unsere Berichterstattung zu dem seltenen Jubiläum, hervorgekramt hat. Die erste Lektüre, an die er sich noch lebhaft erinnern kann, war kurz nach der Schreckenszeit des Zweiten Weltkriegs ein Buch über James Cook, das sein Vater einem Kollegen abgekauft hatte.

"Plötzlich hatte man Zugang zu einer großen Auswahl"

Hofmann war gerade mal zehn Jahr alt, die Familie wohnte im Viertel am Nordostbahnhof. Als dann die "Volksbücherei" am Wespennest wieder öffnete ("der Eingang war am unteren Ende der Steintreppe"), versorgte sich der Junge von da an regelmäßig mit Nachschub. "Plötzlich hatte man Zugang zu einer großen Auswahl", das hat ihn schon damals beeindruckt.


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Was er damals ausgeliehen hat, lässt sich im Detail nachvollziehen. Denn alles wurde in Lesehefte eingetragen – und die hat Fritz Hofmann bis heute aufbewahrt, um sie nun in gute Hände zu geben. Abenteuer- und Sehfahrergeschichten standen bei ihm offenbar hoch im Kurs, er ließ sich lesend "Durchs wilde Sumatra" und ins "Herzen Brasiliens" entführen oder von Eskimos und Pelztierjägern faszinieren. Auch Götz von Berlichingen und Titel zur Nürnberger Stadtgeschichte sind vertreten.

Prädikat "sehr gut"

Spannend wäre es freilich noch, der Frage nachzugehen, mit welchen Angeboten die Bibliotheken damals den demokratischen Neuaufbau zu unterstützen versuchten. Neben dem Fälligkeitsdatum bot in den Heften eine Spalte Platz für das "Urteil des Lesers", das ebenso wie die Buchtitel eigenhändig einzutragen war. Und in sauberer Schülerschrift lauten die meisten Vermerke "schön" oder gar "sehr gut". Im März 1949 ist - endlich - der erste Eintritt eines Karl May-Bandes zu entdecken: Winnetou III.

Die Schmöker waren unter den Schülern besonders begehrt, die Bestände dafür aber viel zu schmal. "Deshalb bekam man den jeweils nächsten Band frühestens, wenn man zehn andere Bücher ausgeliehen hatte", erzählt Fritz Hofmann. Die Leihfrist war kurz bemessen, das förderte das Lesetempo.

Zudem seien die Bände auch unter der Hand getauscht worden. Oft wurde heimlich gelesen, weil viele Eltern die Karl May-Lektüre gar nicht gern sahen. "Ich weiß bis heute nicht warum", gesteht der Senior. Eines Tages entdeckte er in den Regalen auch Hobby- und Fachzeitschriften wie den Mechanikus. Und das sollte auch den weiteren Lebensweg beeinflussen - und den Weg in den Ingenieursberuf ebnen.

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