Atemgift im Blut
10.05.2005, 00:00 Uhr
Sebastian Neudecker (Name geändert) und drei Freunde hatten sich am Wochenende für ein 111-Runden-Rennen auf dem zirka 350 Meter langen Parcours angemeldet. Regelmäßig brettert die Clique in den 6,5 PS-starken Sportwagen über die Strecke. Ein Vergnügen, das ihr am Sonntag allerdings ordentlich vergällt wurde.
„Ab der 80. Runde wurde mir während der Fahrt schwindlig.“ Sebastian Neudecker konnte das Rennen gerade noch zu Ende fahren. „Ich war benommen. Ich konnte den Helm gar nicht mehr selbst abnehmen.“ Der 17-Jährige kämpfte mit Übelkeit. „Und dann bin ich zusammengebrochen.“ Er verlor das Bewusstsein und musste mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht werden: Intensivstation.
Die Blutwerte, die im Südklinikum gemessen wurden, ließen keinen Zweifel an der vermuteten Diagnose: Eine Kohlenmonoxid-Vergiftung lag vor. 14 Prozent des farb-, geruch- und geschmacklosen, also nicht wahrnehmbaren Gases hatte Neudecker im Blut. Normalerweise ist der Anteil gleich Null. Bei Neudeckers Freunden lagen die Werte bei etwa zehn Prozent. Auch sie klagten über Kopfschmerzen und Übelkeit.
Kohlenmonoxid, das bei der Verbrennung von Kraftstoff entsteht, ist ein Atemgift, das den Sauerstofftransport beeinträchtigt und sich bereits bei niedrigen Vergiftungen aufs zentrale Nervensystem auswirkt. Zeit-, Helligkeitsempfindung und Sehleistung können nachlassen. Ab einem Anteil von zehn Prozent bestehe die Gefahr, dass dauerhafte Schäden auftreten, sagt Klinikumssprecher Bernd Siegler. Schäden an der Muskulatur zum Beispiel. Lebensbedrohlich sei das Gas jedoch erst ab einer Konzentration von 70 Prozent.
Tüv prüft Abgasanlage
Die Ursache für die Vergiftung ist bis jetzt nicht bekannt. Gestern untersuchten ein Sachverständiger des Tüv und die Kriminalpolizei die im Dezember 2000 in Betrieb genommene Gokartanlage. Der Gutachter nahm Sicherheitsvorkehrungen und Abgas-Absauganlage unter die Lupe. Die Ursache sei trotzdem noch unklar, sagt Karlheinz Mohnlein, Betreiber der Kartbahn. Er kann sich nicht erklären, wie es zu dem Zwischenfall kam. „Nach meinem Empfinden war alles in Ordnung.“ Im Internet verweist er darauf, dass „wir Anforderungen wie hohe Sicherheit und Qualität durch ständige Kontrolle und Wartung erfüllen“. Für den Betrieb der rund vierzig Karts setze er speziellen benzolfreien Kraftstoff ein. Dieser entwickle in Verbindung mit den eingesetzten Katalysatoren weniger Abgase, „um in der Halle immer durchatmen zu können, und damit mehr Freude am Fahren“ zu haben. Von „Freude am Fahren“ konnte zumindest gestern keine Rede sein. Die Bauordnungsbehörde muss entscheiden, wann
der Betrieb der Kartbahn weitergeht. Mohnlein hofft, dass die Gokarts heute wieder fahren.