Fachkräftemangel

Auch in Berufsschulen fehlen die Pädagogen

Kathrin Walther

Ressort Kinder, Familie und Bildung

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20.5.2021, 06:00 Uhr
Sie haben vom dualen Ausbildungssystem profitiert: Norina Selch aus Hilpoltstein und Linda Schulze aus Nürnberg sind in diesem Jahr zwei von Deutschlands 100 besten Auszubildenden im Maler- und Lackiererhandwerk.

© Berufsschule Roth, NN Sie haben vom dualen Ausbildungssystem profitiert: Norina Selch aus Hilpoltstein und Linda Schulze aus Nürnberg sind in diesem Jahr zwei von Deutschlands 100 besten Auszubildenden im Maler- und Lackiererhandwerk.

Viele Studierende denken erst gar nicht an diese berufliche Option oder sie haben ein falsches Bild davon, sagt Ulrike Horneber, die in Nürnberg das Amt für Berufliche Schulen leitet. Dabei bietet gerade dieses Lehramt variable Einsatzperspektiven und verzahnt fachliche Kompetenz eng mit Pädagogik und Didaktik.


Wie sich Corona auf den Berufseinstieg auswirkt


Pankraz Männlein, Bayerns Vorsitzender des Verbands der Lehrkräfte an beruflichen Schulen . 

Pankraz Männlein, Bayerns Vorsitzender des Verbands der Lehrkräfte an beruflichen Schulen .  © privat, NN

Die Einstellungsprognosen sind, um es positiv zu formulieren, „mittel- und langfristig weiterhin hervorragend“, schreibt Daniel Otto von der Pressestelle des Kultusministeriums. Hinter dieser Aussage steckt aber auch eine zweite, negative Ebene: „Seit Jahren beklagen wir beispielsweise in den gewerblich-technischen Fachrichtungen wie zum Beispiel Elektro-, Metall-, Informations- und Bautechnik einen erheblichen Nachwuchsmangel. Aber auch für die sozial-pflegerischen Fachklassen fehlen uns die dafür entsprechend qualifizierten Lehrkräfte“, sagt Pankraz Männlein, Vorsitzender des Verbands der Lehrkräfte an beruflichen Schulen in Bayern.

Simone Fleischmann, Präsidentin des bayerischen Lehrerinnen- und Lehrerverbands

Simone Fleischmann, Präsidentin des bayerischen Lehrerinnen- und Lehrerverbands © BLLV

Rund 10.000 Lehrkräfte unterrichten in diesem Schuljahr an den 182 Berufsschulen in Bayern, die unterteilt in acht Fachgebiete 250 Ausbildungsrichtungen anbieten. 257.000 Schülerinnen und Schüler nutzten bayernweit im Schuljahr 2019/20 diese Angebote – Tendenz steigend. Demgegenüber wird die Zahl der Lehrkräfte in den nächsten Jahren einbrechen – der Anteil der über 50-Jährigen liegt bei über 40 Prozent.


Das Handwerk und die Leerstellen


Bildungsforscher Klaus Klemm schlug deshalb schon 2018 Alarm: „In den Berufsschulen herrscht dramatischer Lehrermangel“, lautet das Ergebnis seiner Studie im Auftrag der Bertelsmann Stiftung. Tausende Stellen bleiben demnach unbesetzt. Die Kultusministerkonferenz konterte mit einem anderen Ergebnis: Nach ihren Berechnungen sind es bis 2030 lediglich 670 Stellen.

"Welche Maßnahmen werden ergriffen?"

„Leck ist Leck“, sagt dazu Simone Fleischmann vom bayerischen Lehrerinnen- und Lehrerverband BLLV. „Die Frage ist nicht, wer recht hat. Die Frage ist: Welche Maßnahmen werden ergriffen, um dem entgegenzuwirken? Es geht um das Vorhalten von ausreichend hochqualifiziertem Personal, um dem zu Recht gepriesenen dualen Berufsbildungssystem weiter gerecht zu werden. Und unseren Jugendlichen.“

Das sieht auch Pankraz Männlein so. „Wir brauchen eine Image-Kampagne. Wir brauchen aber ebenso verbesserte Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen – auch in finanzieller Hinsicht. Leider müssen wir immer wieder feststellen, dass fertig ausgebildete Lehrkräfte für das Lehramt an beruflichen Schulen aufgrund ihrer fachlichen Kompetenzen – etwa in der Ingenieurwissenschaft – lukrative Angebote aus der Wirtschaft erhalten.“ Zwar verdient eine Lehrkraft an der Berufsschule das gleiche wie ein Gymnasiallehrer. Doch aufgrund des Fachkräftemangels vor allem im technisch-gewerblichen Bereich sowie der Informatik ist die Konkurrenz auf dem freien Markt groß.

Was die Ausbildung zur Berufsschullehrkraft von anderen Lehrämtern unterscheidet, ist die Praxisnähe: Bis zum Ende des Studiums muss ein einjähriges Berufspraktikum oder eine Berufsausbildung absolviert worden sein. Die berufliche Vorbildung der Lehrkräfte ist gewinnbringend für die Schülerinnen und Schüler. „Doch entscheidend ist auch, ob und wie ich meine fachliche Kompetenz vermitteln kann“, sagt Volker Köttig, der die Berufliche Schule B11 in Nürnberg leitet. Deshalb ist für BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann auch eine gesicherte Qualifikation im methodisch-didaktischen sowie pädagogischen Bereich ein Muss. Das gilt vor allem für Quer- und Seiteneinsteiger. Mit diesen Sondermaßnahmen versucht das Kultusministerium, Lücken in allen Schularten zu schließen.


Das sind die angesehensten Berufe in Deutschland


Eine von Volker Köttigs Lehrkräften ist Milva Krüger. Sie hat nach dem Abitur eine Lehre als Bauzeichnerin gemacht. Eigentlich wollte sie Architektin werden. Doch um Beruf und Familie besser vereinen zu können, hat sie sich für das Berufsschullehramt entschieden. Seit 2002 unterrichtet die 47-Jährige als eine von wenigen Frauen an der B11 das Hauptfach Bautechnik.

Bereut hat sie diese Entscheidung nie. „Ich sehe viele Vorteile. Die Schüler sind erstens motiviert, weil sie ein klares Ziel vor Augen haben. Außerdem ist der schlimmste Teil der Pubertät überstanden, wenn sie hier anfangen. Ich kann mein fachliches Wissen anwenden und es gleichzeitig vermitteln. Und den Reifeprozess von jungen Menschen in diesem Alter zu begleiten, ist wirklich schön.“

Berufsschule statt Architektur

Milva Krüger gefällt es außerdem gut, dass sie an der Berufsschule die Freiräume, die der Lehrplan bietet, nutzen und sich so besser auf ihre Schüler konzentrieren kann. „Meiner Beobachtung nach sind etwa Gymnasiallehrer eingeschränkter in ihrem Tun.“
Doch den Personalmangel nimmt sie durchaus wahr. „Es gibt ein oberstes Gebot an Berufsschulen: Kein Unterricht fällt aus. Ist beispielsweise ein Lehrer krank, müssen die anderen einspringen. Bei uns Bauzeichnern gibt es vier Fachlehrer. Sobald auch nur einer krank ist, wird es bei zwei bis drei Klassen, die parallel laufen, schon eng.“


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Die Berufsschullehrerin kommt aus Niedersachsen und ist für das Studium nach München gezogen. Noch heute sind die unterschiedlichen Studiengänge nur an wenigen Standorten möglich – in Bayern vor allem in München. Auch das schmälert die Attraktivität des Berufsschullehramts. „Wir wissen alle: München ist für Studierende keine einfache Stadt. Die Lebenshaltungskosten schrecken viele ab“, sagt Ulrike Horneber und wird konkret: „Ich würde mir für Nürnberg mehr Lehrstühle für berufliche Schulen wünschen. Zum Beispiel für Bautechnik. Zum Beispiel an der neuen Technischen Universität Nürnberg.“

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