Ausverkauf: Steigende Leerstände in Nürnbergs Nordstadt

25.11.2019, 05:54 Uhr
Immer mehr Läden schließen in der Pirckheimerstraße – hier läuft gerade wieder der Räumungsverkauf in einem Geschäft.

© Foto: Oliver Barthelmes Immer mehr Läden schließen in der Pirckheimerstraße – hier läuft gerade wieder der Räumungsverkauf in einem Geschäft.

"So gehen Quartiere den Bach runter": So lautet die nüchterne Bestandsaufnahme von Thomas Henze von der Initiative "Meine Nordstadt", die er kürzlich auch im Arbeitskreis Nordstadt (AKN) zur Entwicklung des Einzelhandels im Viertel abgegeben hat. Seine Analyse konzentriert sich dabei in erster Linie auf die Pirckheimerstraße, wo Henze einen Optiker-Laden führt.

Während es dort 2010 laut Statistik noch 52 Geschäfte gegeben hat, ist die Zahl mittlerweile auf 35 gesunken. Die Zahl der Leerstände habe sich zwischen 2010 und 2018 von eins auf elf erhöht. Zudem kritisierte Henz die sinkende Qualität bei den Geschäften: Vor neun Jahren habe es noch zwei Bankfilialen und zwei Drogerien gegeben – dagegen sei die Zahl der Spielotheken gestiegen. Die Zahl der Gaststätten und Cafés sei aber gleich geblieben.

"Das Einkaufsquartier hat deutlich an Zugkraft verloren", bilanziert Henze, der mit seinem Sohn die Bestandsaufnahme durchgeführt hatte. Mit Blick ins Umfeld sieht er die Bucher Straße als "den nächsten Brennpunkt", der sich künftig durch die Neue Mitte Thon verschärfen werde.

Umsatzrückgänge wegen fehlender Straßenbahn 

Bei der Ursachenforschung gehen die Ansichten etwas auseinander. Henze sieht wie Tobias Schmidt, Vorsitzender des Vorstadtvereins Nord, weiter den Wegfall der Straßenbahn als "rollendes Schaufenster" als maßgeblich für die sinkende Attraktivität. Schon ein Jahr nach dem Ende der "9er" im Dezember 2011 hatten über die Hälfte der Händler über Umsatzrückgänge geklagt. Gemeinsame Aktionen zur Belebung folgten, die aber ohne große Erfolge blieben.

Während Helmut Schwämmlein von der SPD Nordbahnhof-Vogelherd, seit 41 Jahren Anwohner, darauf verweist, dass schon früher immer wieder Läden in der Nordstadt zugemacht hätten, verweist AKN-Sprecher Jörg Basel auf die Konkurrenz im Internet. Beim Thema Online-Handel sehen Schmidt und Henze noch Nachholbedarf bei etlichen Geschäftsleuten – viele hätten noch nicht einmal eine Homepage.

Auch die Stadt nimmt der Optiker in die Pflicht. Er vermisst "einen systematischen Umgang mit dem Einzelhandel", ein Stadtentwicklungskonzept fehle für die Nordstadt ebenso wie eine Strukturerhebung. Für die Stadt sei es "günstiger, bestehende Strukturen zu erhalten, als mit viel Geld Neues zu erschaffen", findet Henze und moniert: Generell sei das Wirtschaftsreferat "zu stark zentrumsorientiert."

Verstärkte Impulse von der Stadt

Neue Wohnsiedlungen am Nordbahnhof- und Tucher-Gelände haben bei den AKN-Mitgliedern aber Hoffnungen geweckt, dass sie auf Dauer auch den Handel vor Ort stärken werden. Tobias Schmidt lobt auch den 2019 veröffentlichten Einkaufsführer für Senioren. Er wünscht sich verstärkte Impulse vom Amt für Wirtschaftsförderung – etwa indem das "Meisterhändler"-Zertifikat von der Alt- auf die Nordstadt ausgedehnt wird. Gezielte Schritte gegen Spielotheken hält er ebenfalls für sinnvoll.

Thomas Bodenschatz von der kommunale Wirtschaftsförderung sieht bei der Nordstadt "kein dramatisches Ausmaß" bei den Leerständen. Dabei verweist er auf die für die Versorgung der Bürger wichtigen innerstädtischen Zentren am Friedrich-Ebert-Platz und in der Rollnerstraße. Dort seien Anbieter für Güter des täglichen Bedarfs und zahlreiche Fachgeschäfte vorhanden. In der nördlichen Bucher Straße gebe es eine "geringfügige Häufung von Leerständen, aber auch Neueröffnungen".

Grundsätzlich seien die Gründe für Leerstände "höchst heterogener Natur", so Bodenschatz. Sie reichen vom Dissenz beim Mietvertrag über ungünstige Ladengrundrisse und niedrige Passantenfrequenz bis zur zunehmenden Konkurrenz durch das Online-Shopping. An der fehlenden Kaufkraft läge es hingegen nicht, die sei in der Nordstadt "überdurchschnittlich gut", sagen die Daten der Wirtschaftsförderung. Als Konsequenz sieht man keine Notwendigkeit für ein Stadtentwicklungskonzept. Um Leerstände zu vermeiden, empfiehlt Bodenschatz Geschäftsleuten eine "realistische Miethöhe", die "Spezialisierung des Sortiments auf die Kundenwünsche" sowie "den Aufbau eines eigenen Onlineshops".

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