Bei Rempeleien ist die Rugby-Familie nicht zimperlich
30.10.2006, 00:00 Uhr
Die Augen leicht zusammengekniffen, die Schritte raumgreifend und entschlossen: So haben sich Sexisten Frauen wohl beim vormaligen Sommer- oder Winterschlussverkauf vorgestellt. Das Klischee vom «Hascherl“, das für eine herabgesetzte Handtasche seine Manieren vergisst, ist beim Sport sowieso längst überholt. Gleichwohl betreiben die Frauen des Rugby- und Football-Clubs (RFC) Nürnberg ihren Sport mit viel Temperament.
Das zweite Turnier der Frauen-Regionalliga-Süd beginnt beschaulich. «Mag jemand später etwas essen?“, tönt es an der Vereinsgaststätte des TSV 1846, draußen in Erlenstegen. Verena Fickenscher ist mit zwei Rollen Essensmarken behangen. Sie fahndet nach dem Hungerpegel der Gäste, der sich für das Turnier-Ende ankündigen soll. Es wird Bockwurst geben und Eintopf - einmal mit Hack und einmal ohne für Vegetarier.
Die zierliche Dame mit der roten Brille ist der Kapitän des RFC. In den vergangenen Wochen hat sie aber nicht trainieren können, weshalb sie heute lieber nicht aufläuft.
Turniere sind ökonomischer
Die Regionalliga Süd der Frauen trägt ihre Partien in Eintagesturnieren aus. Drei finden vor dem Winter statt, drei erst wieder im April. Da können sich die Mannschaften die langen Anfahrten sparen. Bei dieser zweiten Serie sind sieben Mannschaften dabei: Stuttgart, Freiburg, Nürnberg, München, Konstanz und zwei Teams des Ruder-Klubs aus Heidelberg. Gespielt werden nicht wie bei den Männern zweimal 40, sondern zweimal sieben Minuten. Der Turniermodus kann so ökonomischer ablaufen.
Rugby ist von der Regelkunde und dem Spielaufbau mit dem American Football vergleichbar. Aber zwei Unterschiede fallen sofort auf: Der «Schutzpanzer“ fehlt. Und bei eigenem Angriff darf das «Ei“ nur durch Pässe nach hinten oder zur Seite in die gegnerische Endzone getragen werden. Jeder Spieler muss dabei in Bewegung sein. Deshalb ist Rugby auch ein physisch ziemlich anspruchsvoller Sport.
«Der Körper wird ganzheitlich trainiert. Wir üben die Kontaktaufnahme mit dem Gegner in der Vorbereitung ein, deshalb kommt es selten zu schweren Verletzungen“, sagt Fickenscher. «Viele Leute haben ein diffuses Bild von Rugby - mit Schlamm-Catchen hat es aber wenig zu tun.“ Trotzdem kommt es fast so weit. Der Himmel ist den ganzen Tag verhangen. Eigentlich braucht es nur einen Tropfen, um die graue Wolkendecke aufzureißen.
Im Februar 2004 bestand die Nürnberger Frauen-Mannschaft aus gerade einmal drei Mädchen. Damals schloss sich auch Fickenscher dem RFC an. Sandy Köthe (30) war da schon Mitglied im Verein und hatte mehrere Jahre in München und Fürstenfeldbruck auf hohem Niveau hinter sich. Sie ist Spielertrainerin und verfügt über die meiste Erfahrung im Team. Ihr Arzt hat ihr ein Jahr absolutes Sportverbot ausgesprochen - mehrere Risse in der Gelenkpfanne einer ihrer Hüften. Ein Überbleibsel aus der Zeit der Kaderschmieden in der damaligen DDR.
Köthe zieht das Turnier trotzdem durch - sie muss. Bei den Rugby-Frauen geht es, wie gesagt, familiär zu. Erfolgreiche Aktionen der Gegner werden auch beklatscht. Zur Kollegialität gehört ebenso die Teilhabe an einer «Wechselbörse“. Verfügt ein Team über zu wenige Spieler, füllen Reservisten der Gegner den Kader auf - damit jede Auswahl sechs Feld- und zwei Ersatzspieler vorweisen kann. Auch der Nürnberg RFC muss darauf zurückgreifen, weil einige Spielerinnen beruflich verhindert sind.
Während die Männer zeitversetzt auf dem A-Platz ihre Regionalliga-Partie gegen den starken Ulmer RC unglücklich mit 5:7 verlieren, spielen die Frauen auf dem B-Platz ein sehr erfolgreiches Turnier. Dass Heidelberg I das Finale (19:7 gegen Stuttgart) für sich entscheidet, ist keine Überraschung. Denn sie gelten ob ihres Spielerpotenzials und Vorbereitungsaufwands als kaum schlagbar. Die Nürnbergerinnen aber schaffen es bis zum Platzierungsspiel um Rang drei. Gegen Heidelberg II verlieren sie knapp mit 5:7. «Ein kleiner Sieg“, sagt Fickenscher.
Warum aber das ruppige Rugby? Frauen können auch beim Ballett oder der rhythmischen Sportgymnastik eine tolle Figur abgeben. «Ich habe bis zur sechsten Klasse Ballett getanzt. Über eine Freundin bin ich zum Rugby gekommen. Der Spaß und Zusammenhalt hier ist einmalig“, sagt Nadja Greiner, Pressewart und Aktive beim RFC. Auch Alex Michl, Spieler im Männer-Team und früher Trainer der Frauen, hat großen Spaß beim Zuschauen: «Ich finde sie fantastisch. Wenn Frauen Handball spielen können, dann auch Rugby.“
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