Bodypainting im Museum: Das Model wird zur Maschine

1.8.2019, 12:31 Uhr
Bodypainting im Museum: Das Model wird zur Maschine

© Foto: Michael Matejka

Kaltes blaues Licht fällt auf die riesige Dampfmaschine im Untergeschoss des Museums Industriekultur, nur ein gelber Scheinwerfer lässt die Szenerie wirken, als fiele ein wenig Tageslicht durch ein Fenster hinein. Vor dem riesigen Rad der alten Dampfmaschine sitzt eine junge Frau, deren Oberkörper und Gesicht bereits beginnen, scheinbar mit dem Metall zu verschmelzen. Seit fast zwei Stunden arbeitet die Künstlerin Andrea Stern daran, ihr Model vor der Maschine zum Verschwinden zu bringen.

Ihr Leben lang malt Stern schon, doch es dauerte lange, bis sie das Bodypainting für sich entdeckte und damit ihre Leidenschaft zum Beruf machte. Statt Kunst studierte sie BWL und machte sich später als Personal Trainer und Heilpraktikerin selbstständig, ein Beruf, den sie bis heute nicht aufgegeben hat. "Der Job lässt sich gut mit der Kunst vereinbaren. Oftmals kann ich beide Berufe sogar verbinden, wenn ich beispielsweise Bodypainting-Projekte auf Sportevents habe – das macht mir dann immer besonders viel Spaß", erzählt Stern.

Die Haut als Leinwand

Zum Bodypainting brachte sie eine Freundin, die bereits für Bodypainter als Model gearbeitet hatte und Stern überzeugte, sich auch daran zu versuchen. Für die ersten Male stellte sie sich als Model zur Verfügung. "Erst war ich sehr skeptisch, ich wollte lieber weiter auf Leinwand malen, aber irgendwann willigte ich ein", lacht Stern. "Dass das endlich mein Weg in die Kunst wird, hätte ich nie gedacht." Inzwischen hat sie viele Models, mit denen sie immer wieder zusammenarbeitet, einige kommen neu hinzu. So auch die junge Frau, die gerade vor der Dampfmaschinen-Kulisse unsichtbar wird.

Sechs bis 16 Stunden braucht Stern für ein Körper-Kunstwerk, je nach Aufwand. 2018 arbeitete sie schon im Tiergarten. "Jetzt muss ich mich natürlich an die Öffnungszeiten des Museums halten", scherzt sie. Im Voraus hat sie sich viele Objekte im Museum angeschaut, bis sie eines gefunden hat, das interessant und gut umsetzbar ist.

Ihre Anfrage, hier ein Live-Bodypainting-Projekt durchzuführen kam für die Städtischen Museen überraschend, wurde jedoch begeistert angenommen. "Dieses Projekt ist das gelebte Gegenteil vom klassischen Bitte-nicht-berühren-Schild im Museum", lacht Simon Schütz, Mitarbeiter für Audience Development. "Für uns ist spannend, wie Objekte dadurch anders und neu inszeniert werden und das Thema Mensch und Maschine interessant umgesetzt wird."

Kalender geplant

Aus dieser Projektreihe, für die Stern in verschiedenen Museen, aber auch im Stadtpark, am Dutzendteich oder in den Hesperidengärten arbeitet, soll ein Kalender unter dem Motto "Nürnberg ist bunt und vielfältig" entstehen, den sie ab August über ein Crowdfunding finanzieren möchte. Die Fotos dafür macht sie selbst: Nach dem Bodypainting brachte sie sich das Fotografieren bei, um selbst die Rechte an den Bildern ihrer Paintings zu haben. Außerdem nutzt sie die Kamera, während sie an einem Kunstwerk arbeitet, um immer wieder Farben, Linien und Positionen zu überprüfen.

Während also die Farbgrundierung trocknet, stellt sie die Kamera richtig ein, fotografiert das Model und korrigiert gegebenenfalls Linien oder Farbtöne. Immer wieder kommen Museumsbesucher herein und staunen über Sterns Arbeit. Sie erlaubt ihnen, Fotos zu machen, solange sie noch nicht fertig ist – die Rechte für das Endergebnis bleiben bei ihr. Einige Besucher stellen Fragen, andere schauen fasziniert eine Weile zu. "Negative Resonanz bekomme ich fast nie, den meisten Menschen gefällt meine Arbeit – obwohl ich nackte Frauen anmale", erzählt Stern. Bodypainting weckt eine Faszination beim Zuschauen und Betrachten der Bilder: Es sind Menschen, die durch ein wenig Farbe und die geschickten Hände einer Künstlerin zu Tieren werden, aus Mauern hervortreten oder, wie in diesem Fall, zum Teil einer Maschine werden.


Infos unter www.kunst-vom-anderen-stern.de

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