Betroffener sagt: "Ich hatte Angst"

Brutaler Übergriff bei Klebe-Protest in Nürnberg: Passanten schlagen und treten Klimaaktivisten

Tobi Lang

Redakteur

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20.6.2023, 20:04 Uhr
Dieses Foto zeigt einen Ausschnitt aus dem Video, in dem Passanten die Klimakleber attackieren. 

© Screenshot Twitter Dieses Foto zeigt einen Ausschnitt aus dem Video, in dem Passanten die Klimakleber attackieren. 

Es sind exakt eine Minute und 28 Sekunden, die pure Selbstjustiz zeigen. "Was ist euer Problem, runter von der Straße, Mann!", ruft ein Passant. Bei dem Schrei bleibt es aber nicht - der Mann wird hangreiflich, brüllt: "Verpisst Euch mal, Kindergarten oder was?!" Dabei greift der Autofahrer, der wegen einer Klima-Demo im Stau steht, einem jungen Mann, der sich gerade auf der Straße am Nürnberger Frauentorgraben festkleben wollte, unter die Achseln und zieht ihn davon. Ein zweiter Frustrierter packt ebenfalls zu, eine Frau versucht zu schlichten. Die Geräuschkulisse nimmt zu. Dann schubst der offensichtliche Rädelsführer einen Demonstranten um, später wird er ihn noch treten.

Diese Szenen aus einem Video, das derzeit auf Twitter kursiert, sorgen für Kopfschütteln. Sie zeigen einen offensichtlichen Übergriff während eines Klimaprotestes, bei dem sich am Montagmorgen drei junge Männer zwischen Hauptbahnhof und Plärrer festklebten. Gut eine Stunde stand der Verkehr still, besonders in der Anfangsphase kochten die Emotionen hoch. Das schilderte bereits am Montagabend einer der Demonstranten unserem Medienhaus. "Ich hatte wirklich Angst, dass er mich jetzt schlägt", sagt Lorenz, einer der Klimakleber, über die Aggression eines Autofahrers. "Der Gefahr der Eskalation setzen wir uns ja aus. Trotzdem ist es erschreckend, wozu Menschen fähig sind."

Ermittlungen nach Videoveröffentlichung?

Anzeige hat der 20-Jährige nicht erstattet. "Wir protestieren nicht gegen die Menschen und die Autos und deswegen haben wir auch keine Absichten, uns in Zivilstreits zu verlieren", sagt Lorenz, der sich nach eigenen Angaben über zehn Mal auf deutschen Straßen festklebte. Stattdessen ermittelt die Polizei nach der Blockade gegen die Teilnehmer. Es steht, wie so häufig bei Klebeprotesten, der Verdacht der Nötigung im Raum. Die Szenen zeigen die Sekunden gegen 7 Uhr, als sich die Klimaaktivisten festkleben wollten - deshalb war die Polizei auch noch nicht vor Ort. Ob die Behörden nun wegen des Videos Ermittlungen einleiten, bleibt unklar.

Lorenz kennt die Situation, wenn die Nerven von Autofahrern blank liegen. In dem Moment, in dem die Polizei auftauche, endeten die Pöbeleien und die Angriffe meistens. "Aber bis dahin entsteht immer dieselbe Gruppendynamik: Die Autofahrer sind sauer und schauen, wer sich noch nicht festgeklebt hat, damit sie den wegschleifen können." Genau das geschah am Montagmorgen in Nürnberg.

Warum Nürnberg bald mehr Klima-Blockaden drohen, was die Aktivisten der "Letzten Generation" eigentlich fordern und wie die Teilnehmer die Klebeaktion erlebt haben, lesen Sie im Hintergrundartikel auf NN.de.