Der Bärlauchsenf aus dem alten Klostergarten
13.05.2008, 00:00 Uhr
In der zweiten spielte der knurrende Magen von Meister Petz nach dem Winterschlaf überhaupt keine Rolle. Hier besann man sich der alten Germanen, die angeblich ihre Bärenschinken mit dem Lauch würzten. Wie auch immer – Bärlauch erlebt seit Jahren eine Renaissance. Die Pflanze, von den Römern einst zur Blutreinigung genutzt, ist aus unseren Küchen nicht mehr wegzudenken. Da gibt es Pesto aus Bärlauch, Bärlauchnudeln, Bärlauchquark, Bärlauchomelett, Bärlauchstrudel, Fisch mit Bärlauch, Bärlauchbrot . . . Beim bloßen Gedanken an all diese Köstlichkeiten lief mir das Wasser im Munde zusammen. War es nicht nebensächlich, woher der Name stammte? Das war ohnehin Schnee von gestern.
Schnee lag auch, als ich an Ostern im Leinleitertal wanderte. Dort wollte ich die Tummler oder auch Hungerbrunnen besichtigen. Das sind Karstquellen, die nur bei Schneeschmelze oder nach starken Niederschlägen Wasser führen und dann das landschaftlich einmalige Trockental fluten.
Nach einem Bericht des BR wollten sich viele Leute von dem Naturschauspiel mit eigenem Augen überzeugen, weshalb trotz heftigen Schneegestöbers eine Art Völkerwanderung im Gange war. Entsprechend aufgewühlt und schlammig war der Weg. Bergschuhe wären das einzig Richtige gewesen. Meine Tochter trug keine. Ihr zuliebe erklärte ich das Abenteuer, noch bevor es richtig begonnen hatte, wieder für beendet. Den Rückweg bahnten wir uns quer durch den winterlich anmutenden Buchenwald. Plötzlich übermannten uns Frühlingsgefühle: Bärlauch, so weit das Auge reichte!
Und ausgerechnet jetzt hatte ich kein Messer dabei, um den Bär- oder auch Waldknoblauch, ebenfalls bekannt als Hexenzwiebel, Wilder Lauch oder Knoblauchspinat, abzuschneiden. Abreißen kam nicht in Frage. Wie hätte ich das meinen Freunden vom Bund Naturschutz erklären sollen? Letztendlich landete ich also doch wieder beim Gemüsehändler.
Apropos Händler: Beim Urlaub an der Mecklenburger Seenplatte im vergangenem Sommer stieß ich auf eine Bärlauchkreation, die ich bis dahin noch nicht kannte: Bärlauchsenf. Die Spezialität im urigen Tontopf erstand ich im Hofladen des Klosters Rühn, aus dessen hauseigener Manufaktur das Produkt stammte.
Das Rezept sei einem Sternekoch namens Michael Laumen zu verdanken, berichtete die Hofladeninhaberin Anne Wolny. Eine typische Wende-Geschichte schloss sich an. Das Kloster, zu DDR-Zeiten als Jugendwerkhof genutzt, stand ab 1991 leer. In die über 750 Jahre alten, geschichtsträchtigen Mauern sollte jedoch wieder Leben einkehren. Der Sternekoch Laumen sah das einstige Domizil der Zisterziensernonnen schon als Hotel mit großer Klosterwirtschaft.
Die Arbeiten liefen auch tatsächlich an, scheiterten jedoch schnell am fehlenden Geld. Falls sich nicht ein neuer Investor findet, droht der Klosteranlage der totale Verfall. Bei meinem Besuch bröckelte das Kulturdenkmal schon gewaltig. Daran kann der gemeinnützige «Klosterverein Rühn» leider nichts ändern, den 2005 eine Handvoll Aufrechter gründete. Auch, um die täglichen Führungen durch die Klosteranlage von Mai bis September zu organisieren.
Besucher können sich nach der Besichtigung wenigstens in einem kleinen Café stärken. Das gehört zum Hofladen, womit wir endlich wieder beim Bärlauchsenf wären. Via Internet wollte ich mir neuen besorgen. Unter www.klosterruehn.de, wie es auf meinem Tontopf stand. Leider erlebte ich eine herbe Enttäuschung. Die Klostermanufaktur bietet keinen Bärlauchsenf mehr an.
Warum nicht? Sämtliche Öle, die Michael Laumen kreierte, stellt sie doch auch noch her. Damals, so erinnerte ich mich, hatte ich zunächst mit dem Weizengras-Öl liebäugelt, weil dem darin enthaltenen Weizengrassaft Anti-Aging-Wirkung zugeschrieben wird.
Aber dann gab ich doch dem «frisch wie Kräuterwiese» schmeckenden Rapsöl «mit dem Aroma von fünf heimischen Wildkräutern» den Vorzug. Inzwischen konnte in der 500-Mililiter-Dose mit dem Wildkräuteröl (8,90 Euro) nicht mehr viel drin sein. Als ich sie prüfend zur Hand nahm, fiel mein Blick aufs Etikett: «Kulinarisch bietet dieses Öl einen einzigartigen Genuss.» Wenn ich weiterhin genießen will, muss ich meinen Bärlauchsenf selber machen.
Keine Kommentare
Um selbst einen Kommentar abgeben zu können, müssen Sie sich einloggen oder sich vorher registrieren.
0/1000 Zeichen