Die Geschichte vom halben Brot
31.01.2011, 15:30 Uhr
Begleitet vom brummenden Geräusch der Kühltheke sitzt eine kleine Gruppe von Menschen um ein paar Bistrotische im Gastraum einer türkischen Bäckerei. Dicht gedrängt lauschen sie im Schein bunt blinkender Lichterketten gespannt einer Erzählung.
„Geschichten vom Essen – aus der Türkei“ lautet der Untertitel der Veranstaltung und es ist kein Zufall, dass die Wahl des Austragungsortes auf die Bäckerei Ankara in der Gibitzenhofstraße fiel, sondern vielmehr Teil des Konzepts. „Die Veranstaltungsorte sollen zum Thema der Lesungen passen“, erzählt Michael Kleemann, Gemeindereferent der katholischen Pfarrei St. Ludwig. „In der letzten Lesung ging es um polnische Gespenstergeschichten. Dafür saßen wir bei Kerzenschein auf dem Dachboden von St. Ludwig.“
Die Idee zu der ungewöhnlichen Lesereihe entstand bei einer Sitzung des Stadtteilarbeitskreises Gibitzenhof-Rabus. In regelmäßigen Abständen kommen hier die sozialen Einrichtungen des Stadtteils zusammen, um gemeinsam etwas zu bewirken. „Gibitzenhof ist einer der am meisten vernachlässigten Stadtteile Nürnbergs“, erklärt Kleemann. „Es gibt so gut wie kein kulturelles Angebot und die schlechten Wohnverhältnisse sorgen für eine große Fluktuation. Kaum jemand identifiziert sich mit dem Viertel und daran versuchen wir zu arbeiten.“
Ein voller Erfolg
Ein großer Schritt in diese Richtung gelang den Ehrenamtlichen im letzten Jahr. Die Konzertreihe „Gibitzenhofer Sommer“ war ein voller Erfolg, schlug mit knapp 10000 Euro aber auch ein großes Loch in die Spendenkasse. Der „Gibitzenhofer Winter“ fällt deshalb etwas schmaler aus und lässt sich nur durch die Bereitschaft Freiwilliger realisieren. „Alle Beteiligten machen aber sehr gerne mit“, versichert Stadtteilkoordinatorin Annette Hiller. „Es herrscht eine große Offenheit für solche Veranstaltungen.“
So auch in der Bäckerei Ankara. Bereits nach wenigen Minuten werden Teller voll Baklava und Gebäck gereicht, die Frau des Bäckers bringt persönlich den Tee. Die dunkler werdende Gibitzenhofstraße im Rücken, erzählen Cigdem Durcan und Johanna Diller den Zuhörern schließlich ihre „Geschichte vom halben Brot“.
Von der bisher geringen Resonanz auf die Lesungen zeigen sich die Initiatoren weitestgehend unbeeindruckt. Die Veranstaltungsorte seien ohnehin nur auf wenige Besucher ausgerichtet, sagt Kleemann. „Es geht mehr um den sekundären Effekt. Wichtig ist, dass die Leute durch die Handzettel und Plakate sehen, dass in Gibitzenhof kulturell tatsächlich etwas stattfindet, etwas, bei dem auch verschiedene Nationalitäten eine Rolle spielen.“
In diesem Sinne sollen noch zwei weitere Lesungen folgen. Am Mittwoch, 16.Februar, werden um 17.30 Uhr Wintergeschichten aus Russland im Reisebüro Ernst-Tours, Gibitzenhofstraße 89 gelesen. Und am Freitag, 18.März, gibt es ab 19 Uhr bosnische Kaffeehausgeschichten aus dem Bistro Galia, Gibitzenhofstraße 115.