Euroguss-Messe: Mit Druck gegen die Krise

18.01.2012, 19:43 Uhr
Euroguss-Messe: Mit Druck gegen die Krise

© Hagen Gerullis

Christoph Loether freut sich fast scheckig über die verwunderten Augen der Besucher an Stand 132. Eigentlich ist er ein seriöser Typ, Vetriebsrepräsentant eines großen französischen Druckgussunternehmens, einer mit edelgezwirntem Anzug und Brille. Vor ihm: ein gussgegossener Motor, matt und silbern, irgendwie klinisch rein. „Der läuft nur auf Champagner“, hatte Loether kurz zuvor gesagt. „Also nicht auf Sprit“, setzt er nach ein paar Sekunden nach. Ein Liebhaberstück? Ein Gag? Vermutlich jedenfalls ein Stück zum Vorzeigen auf Messen – oder für verwöhnte Milliardäre. Vielleicht auch das Indiz dafür, dass die Aluminium, Zink und Magnesium verarbeitende Branche das Tal der Wirtschaftskrise durchschritten hat.

Auf die Krise folgen neue Herausforderungen

„Das Modell soll die Vielfalt der Komponenten zeigen, die in der Druckguss-Branche hergestellt werden“, erklärt Loether. „Druckzylinder, Saugrohre oder Zylinderkopfhauben“, zählt er auf, „bei einem Pkw machen Druckgussteile 25 bis 30 Prozent des Gewichts aus.“ Und das soll weniger werden: Denn auf weniger Gewicht folgt weniger Sprit- und weniger CO2–Ausstoß – eine der Kursänderungen in der Branche. „Die Kundschaft ist heute überwiegend aus dem Fahrzeugbau“, schiebt Gerhard Eder, Vorsitzender des Verbands Deutscher Druckgießereien, ein. Rolltreppen, die Bullaugen von Waschmaschine und Trockner oder die Karosserie eines Champagner-Motors – „ohne Druckguss würde unser Alltag ganz anders aussehen“, verspricht Eder.

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Dass es vom Gewicht her leichter geht, zeigt auch Marcello Fabbroni. Im Stand der Bühler AG, eines Schweizer Anlagen- und Maschinenbauers, trifft der Besucher auf den Rohbau eines Autos, auf sein kurviges Skelett. Leichtbau ist ein Wort, das Fabbroni gerne verwendet, für das Vorhaben seines Arbeitgebers sowie dessen Kundschaft aus Autobauern.

Besonders stolz ist das Unternehmen auf den neuesten „Space frame“ für den neuen Audi A8. 120 Gramm wiegt das Teil und findet Platz zwischen dem Fußraum des Fahrers und der Mittelarmatur. „Pro 100 Kilogramm Gewicht, die die Autobauer einsparen, sparen sie auch 8,5 Gramm Kohlendioxid ein“, sagt Fabbroni. Neben Innovationen verlagern sich demnach immer mehr Produktionen auf die Verarbeitung von leichteren Metallen wie Aluminium und Magnesium.

Colosio heißt nicht nur so, sondern ist es auch: kolossal. Unter Hochspannung von 380 Volt presst, surrt und windet sich die blau bemalte Limousine einer Werkmaschine und versenkt ihren schalterbesetzten Arm. Nahe Brescia in Italien ertüftelt, steht die zimmergroße Druckgießmaschine wegweisend für die Richtung, in die alles gehen soll bei den großen Gussnationen Italien und Deutschland: Besseres Haushalten mit Energie.
 

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„Die Physik können wir zwar manchmal verfeinern“, meint Verbandschef Eder, „austricksen kann man sie aber nicht“. Deswegen stehe die Branche mit der Energiewende und dem stetigen Preisanstieg von Rohstoffen vor einem großen Problem. „Wenn es uns nicht gelingt, die Kosten in den Griff zu bekommen, sind wir im weltweiten Wettbewerb benachteiligt“, merkt Eder an.

Denn den deutschen Unternehmen, die vorwiegend Mittelständler sind, bleibe nicht mehr viel übrig, „als einfach besser zu sein, als der ’billige Auslandswettbewerb’“, sagt er. Damit meint er China, das auch die Preisschübe für die Rohmetalle bedingt – während die Haupt-Guß-Nationen Italien und Deutschland mit dem Fachkräftemangel hadern und gegen die Konkurrenz im Ausland kämpfen. „Spezialisierung“, antwortet Eder auf die Frage nach dem Weg aus der Misere – „und Innovation“. Für die Forschung steht Burkhard Fuchs in den Messehallen bereit.

Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Werkstoffkunde und Technologie der Metalle an der Universität Erlangen. Auf der Sonderschau „Forschung, die Wissen schaf(f)t“ zeigen sich zehn Forschungsstellen, die Erlanger haben sich unter anderem auf die Möglichkeiten der „Salzkerntechnologie für Hohlstrukturen in Druckguss“ festgelegt. Audi ist das Unternehmen, das von den Natriumchlorid-haltigen Salzkernen profitieren will, die in einem Schritt Geometrie und Innenwände der Gussformen verändern können und dadurch den Austausch von Formen überflüssig werden lassen. Arbeitsprozesse würden gerade an schweren Maschinen erleichtert und beschleunigt.

Deutschland ist Marktführer

80 Prozent der europäischen Produktion stammt allein aus Deutschland und Italien. Nach dem Krisenjahr 2009 mit nur rund zwei Milliarden Euro verbuchten die rund 230 deutschen Betriebe seit 2010 bundesweit wieder Gewinne und schlossen mit einem Rekordergebnis von 3,5 Milliarden Euro. Eine ähnliche Bilanz erwarten sie auch für 2011.

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„Die deutsche Branche ist sehr steil in die Krise gekommen und sehr steil wieder herausgekommen“, sagt Timo Würz vom europäischen Branchenverband Cemafon. „Jetzt stehen wir auf einem hohen Niveau, bei dem sich nicht viel reißen lässt.“ Während der Dürreperiode 2008 und 2009 hat sich die Branche in Deutschland mit Kurzarbeit beholfen – und kam ohne Massenentlassungen aus. 2010 hingegen wurde wieder kräftig eingestellt: Inzwischen hat die Industrie mit 23000 Mitarbeitern soviele wie nie.

Sein Kollege Eder vom deutschen Verband formuliert es so: „In allen Bereichen liegen die Werte des Auftragseingangs über denen der aktuellen Fertigung.“ Auch für 2012 rechnen die Verbände mit einem „auskömmlichen Jahr“.

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