Fachkräftemangel: In der Pflege müssen Ausländer ran

12.5.2017, 05:53 Uhr
Die Verantwortlichen zweifeln nicht am Können der ausländischen Kräfte. "Das ist eine Win-Win-Situation", sagt Jessica Gerstmeier-Nehmer von der Diakonie Neuendettelsau.

© dpa Die Verantwortlichen zweifeln nicht am Können der ausländischen Kräfte. "Das ist eine Win-Win-Situation", sagt Jessica Gerstmeier-Nehmer von der Diakonie Neuendettelsau.

Für ihren Job sind sie quasi um die halbe Welt gereist, um in Deutschland zu arbeiten. Clarence Lloy Lamique, Julie-Ann Gealon und Kristina Ivy Thomas haben auf den Philippinen ihre Ausbildung zur Altenpflegerin gemacht und sind jetzt in einem Pflegeheim des Bayerischen Roten Kreuzes im Einsatz.

Wie viele andere Träger sucht auch das BRK, das in Nürnberg drei Heime mit insgesamt 280 Plätzen betreibt, händeringend nach guten Fachkräften. Der Markt sei leer gefegt, sagt Edeltraud Rager, die das Seniorenzentrum "Am Zeltnerschloss" gemeinsam mit dem gegenüber liegenden Haus "Am Goldbach" leitet. "Wir werben uns fast gegenseitig die Mitarbeiter ab." Um Personal zu finden, locken Träger laut Rager mit übertariflicher Bezahlung oder zahlen Prämien für die erfolgreiche Vermittlung neuer Kräfte. Doch weil selbst das nicht reicht, setzt das BRK jetzt auf Personal aus Südostasien.

Bei der Anwerbung der Mitarbeiterinnen helfen Agenturen wie die "Talent Solution GmbH" aus München. Deren Geschäftsführer Matthias Kletzsch ist nach eigenen Angaben regelmäßig in Manila, um zu prüfen, welche Kandidatinnen geeignet sind. Vor allem die Sprachkenntnisse hat Kletzsch im Blick, an der fachlichen Qualifikation mangele es in der Regel nicht. Auf den Philippinen gebe es mehrere 100.000 hochqualifizierte Pflegefachkräfte, die auf der Suche nach Arbeit sind, sagt der Vermittler, der den Arbeitskräftetransfer deshalb auch nicht für kritisch hält, im Gegenteil: Mit ihren Zahlungen an daheim gebliebene Verwandte stützten die Migranten die heimische Wirtschaft.

Kampf mit deutscher Bürokratie

Kletzsch hat nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr 50 philippinische Pflegefachkräfte in den deutschsprachigen Raum vermittelt. Zu kämpfen habe er dabei vor allem mit der deutschen Bürokratie, "es ist ein Riesenproblem, an die erforderlichen Genehmigungen zu kommen".

Der Aufwand hat auch Rager und Vill überrascht. Sie würden gerne weitere Frauen einstellen, die bereits in Manila auf ihre Ausreise warten, doch noch ist unklar, ob das klappen wird. Denn ihre Qualifikation soll eine deutsche Krankenpflegeschule prüfen, doch auf die Ausreisegenehmigung warten die Bewerberinnen noch.

Reicht ihr Fachwissen nicht aus, können sie sich in Deutschland nachqualifizieren. Die entsprechenden Kurse für Mittelfranken organisiert die Diakonie Neuendettelsau. Jessica Gerstmeier-Nehmer, die für das Angebot zuständig ist, betreut eine bunt gemischte Klientel aus vielen Ländern. Manche Teilnehmer leben seit Jahren in der Region, andere kommen wegen ihrer guten Chancen auf dem Arbeitsmarkt her. An deren Qualifikation bestehe kein Zweifel, sagt Nehmer-Gerstmeier. "Viele haben sogar einen Bachelor gemacht." Sie müssten, neben der Sprache, vor allem die Abläufe in deutschen Pflegeheimen kennenlernen. Von einer Pflege zweiter Klasse könne keine Rede sein. "Das ist eine Win-Win-Situation."

Monika Strobel, stellvertretende Chefin des Nürnberg Stifts, sieht die Entwicklung trotzdem skeptisch. Zwar will auch sie nicht ausschließen, dass städtische Heime entsprechende Kräfte einstellen, wenn sich die Situation weiter verschärft. Doch derzeit könne die Kommune ihren Bedarf in der Regel mit eigenen Azubis decken, "auch wenn das immer schwieriger wird". Mit ausländischen Mitarbeiterinnen könne man das Problem nicht auf Dauer lösen.

Stattdessen, sagt Strobel, müsse die Pflege so attraktiv werden, "dass junge Leute sagen: Das ist ein Beruf für mich". Für bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege gehen zum Tag der Pflege am Freitag auch in Nürnberg zahlreiche Beschäftigte auf die Straße.

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