Frische Ideen auf der Leinwand

15.03.2012, 00:00 Uhr
Frische Ideen auf der Leinwand

Ein Mann im Unterhemd sitzt in einem im Gelsenkirchener Barock eingerichteten Zimmer, umringt von maladen Topfpflanzen. Er schaut die Nachrichten. Staatsschulden, Klimakatastrophe, Berichte über Arbeitslosigkeit und Gesundheitsrisiken durch Fettleibigkeit. Der Mann hat genug. Er will umschalten. Doch steckt er mit seinem voluminösen Hintern im Sessel fest und kann die Fernbedienung nicht erreichen.

"Blühe, deutsches Vaterland“ heißt der dreiminütige Clip vom Team „Hund und Katze“. Dahinter verbergen sich die Regisseurin Sophie Linnenbaum und der Kamera- und Tonmann Moritz Frisch. „Blühe, deutsches Vaterland“ läuft an diesem Wochenende im Rahmen des 24. Mittelfränkischen Jugendfilmfestivals. Eine filmische Nabelschau, bei der die junge Filmemacher-Generation Frankens in den Fokus gerückt wird.

Die Maxime der Veranstalter des Jugendfilmfestivals lautet: Eine Plattform schaffen, damit junge Menschen Filme produzieren und nicht nur konsumieren. „Wir wollen die Jugend ernst nehmen. Deswegen sind wir froh, dass wir mit dem Cinecitta wieder einen entsprechenden Rahmen bieten können“, erklärt Klaus Lutz.

Placebos gegen Parasiten

Der pädagogische Leiter des Medienzentrums Parabol ist seit Jahren im Verbund mit dem Medienpädagogen Oliver Lieb für die Organisation der dreitägigen Veranstaltung zuständig. Den Zuschauer erwartet eine bunte Melange unterschiedlichster Produktionen: Vom charmanten Debüt bis zum erstaunlich professionellen Streifen. Der Fantasie der Wettbewerbsteilnehmer wurden im Vorfeld keine Grenzen gesetzt. Die insgesamt 59 Beiträge behandeln Liebe und Beziehungschaos, es geht um Lebens- und Zukunftsängste, um Ausgrenzung und Integration, um Jugendkultur und die Suche nach dem eigenen Ich.

Frische Ideen auf der Leinwand

© PR

„Hund und Katze“ haben noch einen weiteren Streifen im Rennen. Der heißt „Und dann...?“ Ein experimenteller Streifen, der auf poetische Weise untersucht, was aus den Kindheitstraumberufen in der Realität geworden ist. Was wird aus jenen, die später weder schöne Zöpfe flechten noch Menschen helfen wie Robin Hood?

„Weit, weit weg“ wünschen sich zwei weibliche Prekariats-Teenager. Die treffen sich periodisch auf dem Dach eines gammeligen Parkhauses. Dort versuchen sie, dem Frust zu entfliehen. Schlechte Noten und häusliche Gewalt durch die Alkoholiker-Eltern. Man hat so einiges auszuhalten.

Lied von Reinhard Mey stand Pate

Bei Stefan Weßlings einfühlsamen Drama stand das Lied „Kati und Sandy“ von Reinhard Mey Pate. Dass ein erst 20-Jähriger den netten Mann mit der Gitarre und der Nickelbrille hört, ist allein schon ungewöhnlich. Auch nicht von der Stange entpuppt sich „Beziehungsweise” von der bzw.-Group. Wie in Trance stolpert der Zuschauer mit dem Protagonisten durch den einsamen Morgen, tritt in den Reißnagel, beißt in die verdorbene Weißwurst, während die Kamera verzweifelt versucht, Schärfe und Halt in der leeren Welt zu finden. Am Ende die Erinnerung, die Musik evoziert ein letztes Bild vergangener Zeiten.

„Jeder Kanake gegen jeden Kanaken“: ein wenig poetischer Titel. Einfach mal das Klischee bedienen, damit spielen und daraus einen humorvollen Kurzfilm in Form eines Sketches produzieren. Das gelingt der Al-Familia Produktion ausgesprochen gut.

Ein offensichtlich von Schmerzen geplagter Mann sitzt beim Arzt im Wartezimmer. So beginnt der zehnminütige Film „Der Parasit“. Hört sich eigentlich nicht allzu angenehm an. Falsch gedacht. Der Streifen des Regie-Quartetts Patrick Schmidt, Adrian Schmidt, Stephan Gelenscher und Myriam Pitschak entpuppt sich als durchaus unterhaltsam. Der Patient erfährt, dass ein Parasit für sein Leiden verantwortlich ist. Welches Wundermittel kann ihm helfen? Schlicht und einfach Placebos.

Die besten Filme werden von einer aus Jugendlichen und Erwachsenen bestehenden Jury gekürt. Neben Geldpreisen von 100 Euro bis 250 Euro bringt der Sieg die Qualifizierung für das „Bayerische Jugendfilmfest“, das heuer in Kulmbach stattfindet. Die Eröffnung ist morgen um 18 Uhr. Im Anschluss gibt es im Cinecitta Filme bis kurz vor Mitternacht. Am Samstag beginnen die Filmblöcke um 14 Uhr und um 16.15 Uhr. Am Sonntag um 13 Uhr. Die Preisverleihung findet um 18 Uhr statt. Der Eintritt ist grundsätzlich kostenlos.

Mehr Informationen gibt es auf der Seite www.jugendfilmfestival.de



 

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