GNM: Mythos um Nürnberger Taschenuhr-Erfinder entzaubert

19.8.2014, 11:15 Uhr
Die Henlein-Uhr ist im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg zu sehen. In dem Deckel rechts ist der Hinweis auf das Jahr 1510 und der Namen "Petrus Hehle" zu sehen. Der Nürnberger Peter Henlein gilt für viele als Erfinder der Taschenuhr.

© Daniel Karmann/dpa Die Henlein-Uhr ist im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg zu sehen. In dem Deckel rechts ist der Hinweis auf das Jahr 1510 und der Namen "Petrus Hehle" zu sehen. Der Nürnberger Peter Henlein gilt für viele als Erfinder der Taschenuhr.

Die Ufa widmete ihm in der Nazi-Zeit ein opulentes Filmdrama. Schon vorher hatte ihn die deutsche Uhrenindustrie zum Urvater ihres Handwerks stilisiert. Bis heute ranken sich viele Mythen um den 1542 gestorbenen Nürnberger "Feuerschlosser" Peter Henlein. Ein Mythos schaffte es bis in Schulbücher und Köpfe vieler Deutscher: Als Erfinder der angeblich ersten Taschenuhr der Welt soll Henlein eine neue Epoche der Zeitmessung eingeleitet haben: Mit seiner dosenförmigen Uhr machte er wohlhabende Bürger vom Blick auf die örtliche Turmuhr unabhängig. Die Uhrzeit wurde zur Privatsache.

Das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg, das die Henlein-Uhr seit 1897 besitzt, hat den Henlein-Mythos nie besonders gepflegt. Zumindest in den vergangenen Jahren hatten die Museumsmacher das vergoldete Messingkleinod auch nicht mehr ins Zentrum ihrer Ausstellung gerückt. Denn längst hatten die Wissenschaftler des Hauses Zweifel an der Echtheit der Uhr. Mit einem zweijährigen Projekt haben die Forscher nun versucht, dem Geheimnis der Uhr auf die Spuren zu kommen.

Der Restaurateur und Historiker Roland Schewe sitzt mit der Henlein-Uhr in der Hand vor zwei Bildschirmen mit detaillierten Großaufnahmen der Uhr. Links ist eine 3D-Computer-Tomographie zu sehen, rechts eine Aufnahme im sogenannten Streifenlichtverfahren.

Der Restaurateur und Historiker Roland Schewe sitzt mit der Henlein-Uhr in der Hand vor zwei Bildschirmen mit detaillierten Großaufnahmen der Uhr. Links ist eine 3D-Computer-Tomographie zu sehen, rechts eine Aufnahme im sogenannten Streifenlichtverfahren. © Daniel Karmann/dpa

Das hauseigene Institut für Kunsttechnik und Konservierung (IKK) hat dazu mit Unterstützung von Materialforschern des Fraunhofer Instituts neueste Technik eingesetzt. Da eine Zerlegung des filigranen Uhrwerks aus konservatorischen Gründen nicht infrage kam, durchleuchteten die Forscher die zylinderförmige Uhr mit einem hochauflösenden Computertomographen. Die damit erzielten 3D-Bilder lieferten umfassende Einblicke in die Funktionsweise sowie den Zustand der Uhr.

Ein sogenanntes Streifenlichtverfahren offenbarte zudem kleinste Details auf der Oberfläche der verwendeten Materialien. "Damit wurde jeder Feilstrich im Metall sichtbar", erläutert IKK-Restaurateur und Historiker Roland Schewe.

Zusätzlich studierte das Wissenschaftler-Team zeitgenössische Quellen und verglich die Henlein zugeschriebene Uhr mit acht ähnlichen Uhren aus der Frühzeit der Taschenuhren. Einige wurden eigens aus privaten Sammlungen in den USA ausgeliehen. Für die Experten ein Novum: "Noch nie wurden Taschenuhren aus einer vergleichbaren Epoche mit ein und derselben Methode untersucht", schwärmt der Kurator für wissenschaftliche Instrumente am Nationalmuseum, Thomas Eser.

GNM: Mythos um Nürnberger Taschenuhr-Erfinder entzaubert

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Inzwischen steht ein vorläufiges Ergebnis der aufwendigen Forschung fest: "Die mutmaßliche Henlein-Uhr ist keine komplette Fälschung, aber auch kein komplettes Original", stellt Eser fest. Was manche Fans alter Uhren auf jeden Fall enttäuschen dürfte: Ob die Uhr tatsächlich aus Henleins Werkstatt stammt, bleibt weiter im Dunkeln der Geschichte verborgen. Auch nach intensiver Forschung fehle es an Beweisen, dass diese oder auch eine der acht ebenfalls untersuchten historischen Taschenuhren dem legendären Nürnberger Schlosser zuzuschreiben sind.

Daran ändert auch die Signatur im Deckel der angeblichen Henlein-Uhr nichts. Die hatte zwar mit dem Hinweis auf das Jahr 1510 und den Namen "Petrus Hehle" für Henlein jahrzehntelang den Mythos genährt, die erste Taschenuhr der Welt – und eine aus Henleins Werkstatt – zu sein. Die Analysen haben inzwischen für Klarheit gesorgt: "Die Signatur ist nachträglich aufgebracht worden, als die Innenseite des Deckels schon zerkratzt war", erläutert Restaurationsexperte Schewe anhand der Computerbilder. Ansonsten stießen die Forscher auf keinem der seinerzeit noch geschmiedeten Uhren-Bauteile auf eine Signatur von Peter Henlein.

Für das hohe Alter der angeblichen Henlein-Uhr spricht hingegen viel. Zwar lehnen es die Nürnberger Experten vorerst weiter ab, von der "ältesten Taschenuhr der Welt" zu reden. Dazu müssten erst noch die Untersuchungen anderer, aus der Epoche stammender Uhren ausgewertet werden.

Dass sie aber im 16. Jahrhundert hergestellt wurde, halten die Experten für unzweifelhaft. Für das hohe Alter des Kleinods spreche etwa das zum Verlöten von Bauteilen verwendete Material. "Später hat man bessere Lote gehabt", sagt Restaurationsexperte Schewe. Eines ist für Schewe und seine Kollegen aber klar: Die Uhr lief nie. "Die Uhr hat fast keine Abnutzungsspuren."

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