Hebammen verzweifelt gesucht

14.09.2017, 08:00 Uhr
Speziell für unerfahrene Eltern sind die Hebammen eine wichtige Unterstützung. Das Problem: Viele junge Eltern müssen ohne Hilfe auskommen.

© Arne Dedert/dpa Speziell für unerfahrene Eltern sind die Hebammen eine wichtige Unterstützung. Das Problem: Viele junge Eltern müssen ohne Hilfe auskommen.

Das dritte Kind ist unterwegs: Die Nachricht hat bei Stefanie M. und ihrer Familie aus Zerzabelshof für große Freude gesorgt. Bereits in der zehnten Schwangerschaftswoche kümmerte sie sich um eine Hebamme für die Betreuung im Wochenbett: "Mir war klar, dass ich das nicht so lange hinausschieben darf." Doch sie holte sich eine Absage nach der anderen. Erst die fünfte Hebamme — Andrea Friedel — sagte zu. "Ich hatte Angst, niemanden zu finden", sagt die werdende Mutter.

Sie ist kein Einzelfall, wie Andrea Friedel berichtet. "Im Augenblick ist es chaotisch." Die Nachfrage in Nürnberg ist groß. In der Angst, leer auszugehen, gehen werdende Mütter immer früher auf die Suche. Friedel, die für die Grünen im Stadtrat sitzt, erlebt, dass besorgte Frauen sich mitunter schon in der sechsten Schwangerschaftswoche um eine Nachsorge-Hebamme bemühen: "Dabei haben sie da noch nicht mal ihren Mutterpass."

Mütter haben ein gesetzliches Recht auf Hilfe

Von einem "enormen Notstand" spricht denn auch der gemeinnützige Verein "Mamaprotest". Auf dessen Initiative hin wurde vor vier Jahren das derzeit einzige Geburtshaus ("Das weiße Haus") Nürnbergs eröffnet: Dort — und auf Wunsch in den eigenen vier Wänden — betreuen Andrea Friedel und ihre Kollegin Xenia Hasenschwanz Frauen bei der Entbindung. Mütter müssten sich bei der Betreuung im Wochenbett sputen, sagt denn auch Geburtshelferin Conny Krell von der Hebammenpraxis "Gugelrund": "Es ist im gesamten Stadtgebiet eine Katastrophe." Dabei habe jede gesetzlich krankenversicherte Frau Anspruch auf die Unterstützung einer Hebamme.

Denn die Betreuung im Wochenbett ist mehr als nur ein bisschen Händchen halten: Hebammen achten auf die Rückbildung der Gebärmutter oder die Heilung von Riss- und Operationswunden. Sie haben das Baby im Blick und kontrollieren etwa, ob das Kind gut zunimmt. Speziell für junge und unerfahrene Eltern ist dies eine wichtige Unterstützung. Das weiß Christian R. Löhberg, leitender Arzt der Frauenklinik am Theresien-Krankenhaus. Auch hier fragen Mütter bei Anmeldegesprächen für die Geburt immer wieder nach der Wochenbettbetreuung — und stellen fest, dass sie viel zu spät dran sind. Die kleine Klinik mit jährlich 800 Geburten will sich im Bereich Nachsorge profilieren. So sagt Löhberg: "Wir arbeiten daran, die Nachsorge weiter auszubauen." Derzeit habe man ein Auge auf unsichere Mütter und Frauen aus sozial schwachen Schichten, die keine Nachsorge haben: Hier versucht die Klinik, kurzfristig eine Betreuung zu organisieren.

Der Großraum Nürnberg stehe bei der Wochenbett-Betreuung noch einigermaßen gut da, sagt dagegen Susanne Weyherter vom Bayerischen Hebammen Landesverband. "In München oder Frankfurt am Main ist das Problem wesentlich größer." Warum fehlen Hebammen? So erfüllend der Beruf ist: Er hat auch Schattenseiten, gibt Weyherter zu. Da ist der Schicht- und Wochenenddienst in der Klinik. Da ist der relativ geringe Verdienst — eine angestellte Berufsanfängerin am Krankenhaus verdient lediglich monatlich 1500 Euro netto. Und da sind die stark gestiegenen Prämien: Eine selbstständige Hebamme muss jährlich 7600 Euro nur für die Berufshaftpflichtversicherung zahlen.

Der Deutsche Hebammenverband (DGHV) befürchtet unterdessen eine weitere Verschlechterung für die freiberuflichen Hebammen. Nach dem Beschluss einer Schiedsstelle, die zwischen dem Verband und den gesetzlichen Krankenkassen vermitteln sollte, dürfen Beleghebammen künftig nur noch die Betreuung von zwei Frauen gleichzeitig abrechnen. Jedoch: In der Praxis kümmern sich Beleghebammen, die freiberuflich am Krankenhaus arbeiten, mitunter um drei oder mehr Frauen gleichzeitig. Bei einem Fünftel aller Geburten in Deutschland ist eine Beleghebamme mit dabei: Der Deutsche Hebammenverband sorgt sich nun, dass Beleghebammen wegen der neuen Regelung aus der Geburtshilfe aussteigen und so weitere Engpässe entstehen könnten.

Unbehagen bereitet auch der Plan, dass die Wochenbettbetreuung in den eigenen vier Wänden durch eine ambulante Betreuung ergänzt werden soll: Frisch gebackene Mütter, die Ruhe brauchen, müssten sich hier mit dem Kind zur Hebamme aufmachen statt umgekehrt. Über die von der Schiedsstelle angekündigte Erhöhung der Vergütung für freiberufliche Hebammen um 17 Prozent kann sich der Deutsche Hebammenverband angesichts der geringen Grundvergütung nicht wirklich freuen.

Hebammen verzweifelt gesucht

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Südklinikum kommt bei den Geburten an seine Grenzen

Die geplanten Änderungen schrecken auch Hannelore Köhler, leitende Hebamme am Südklinikum, auf. Das Haus in Langwasser ist von den Neuerungen nicht betroffen, weil es wie das Theresien-Krankenhaus keine Beleghebammen, sondern nur fest angestellte Geburtshelferinnen hat. Köhler fragt sich aber, wie die Geburtsklinik Hallerwiese, die nur mit Beleghebammen arbeitet, künftig agieren wird. Werden die Beleghebammen dort Gebärende abweisen, wenn sie zwei Frauen gleichzeitig betreuen? Schließlich kann eine dritte Patientin nicht mehr abgerechnet werden. Die Vorstellung, dass die Hallerwiese Gebärende weiter ins Südklinikum schickt, schreckt Köhler auf: "Da wird mir ganz schlecht." Denn auch das Südklinikum, ausgelegt für 2500 Geburten im Jahr, spürt den Baby-boom gewaltig: Im Jahr 2016 kamen dort 3300 Kinder auf die Welt. "Das bringt uns an unsere logistischen Grenzen — räumlich und auch personell", stöhnt sie. Sie beklagt den Hebammenmangel: "Das ist ein bundesweites Problem." Angesichts der Arbeitsüberlastung würden immer mehr Hebammen früher aufgeben und den Beruf wechseln.

Wird die Klinik Hallerwiese wegen der Neuerung künftig Gebärende abweisen? Verwaltungsleiterin Kathrin Meckel betont: "Unser Ziel ist es, dass auch zukünftig jede Schwangere, die ihr Kind in der Klinik Hallerwiese gebären möchte, dies tun kann und ihr die bestmögliche Versorgung zuteil wird."Man werde nun Gespräche mit den Hebammen führen — und man werde auch den Schulterschluss mit anderen Kliniken suchen, die ebenfalls mit Beleghebammen arbeiten.

Der Deutsche Hebammenverband will weiter auf die schwierige Situation aufmerksam machen und tourt zur Bundestagswahl derzeit mit einem Info-Bus durch Deutschland. Verbandsvertreterin Susanne Weyherter rät Frauen, die eigene Krankenkasse etwa von der schwierigen Suche nach der Nachsorge-Hebamme zu informieren. "Wichtig ist, dass Frauen auf ihr Recht auf Hebammenhilfe pochen — das geht nur, wenn wir Öffentlichkeit schaffen."

Mehr Informationen unter: www.unsere-hebammen.de

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