Corona-Wirrwarr im Gesundheitsreferat

Heute im Stadtrat: Neue Amtsstruktur soll Corona-Pannen verhindern

Elke Graßer-Reitzner

Lokalredaktion Nürnberg und Rechercheteam

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19.5.2021, 11:56 Uhr
Oberbürgermeister Marcus König und Gesundheitsreferentin Britta Walthelm stellten Ende März das neue Impfzentrum im Nürnberger City-Point vor. Bald sollen Impfmobile in die Stadtteile rollen.

© Michael Matejka, NN Oberbürgermeister Marcus König und Gesundheitsreferentin Britta Walthelm stellten Ende März das neue Impfzentrum im Nürnberger City-Point vor. Bald sollen Impfmobile in die Stadtteile rollen.

Falsche Zahlen in der Corona-Statistik, zurückgehaltene Inzidenzwerte einzelner Stadtteile: Nürnbergs neue Gesundheitsreferentin Britta Walthelm (Grüne) ist nach Fehlern in ihrer Abteilung massiv in die Kritik geraten. Oberbürgermeister Marcus König (CSU) musste sich öffentlich entschuldigen. Doch was ist der Grund für das große Durcheinander?

In der Stadtratssitzung an diesem Mittwoch soll Britta Walthelm genügend Zeit eingeräumt werden, um die Ursachen für das Corona-Wirrwarr zu erklären, heißt es im Rathaus. Denn während in der Nachbarstadt Fürth bislang keine Probleme im Umgang mit Inzidenzen und Co. gemeldet werden, hakt es in Nürnberg seit dem Jahreswechsel im Gesundheitsressort immer wieder. Teils massiv.

Aufregung im doppelte Zählung

Zuerst verfälschten Software-Probleme die Übertragung der registrierten Corona-Fallzahlen ans Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL), die Statistik stimmte am Ende nicht mit dem tatsächlichen Geschehen überein. Jetzt war es wieder so, diesmal sorgten versehentliche Doppelzählungen für Aufregung.

Wo andernorts die Inzidenzen längst sanken, ging sie in Nürnberg vergangene Woche scheinbar nach oben, was wiederum Eltern in Rage brachte, die um die geplanten Schulöffnungen bangten. Die berufsmäßige Stadträtin Walthelm geriet in Erklärungsnot.

Ihr Stuhl wackle keinesfalls, versichern die Parteien unisono, auch wenn die Junge Union jüngst ihren Rücktritt gefordert hatte. Doch Fragen bleiben.

Unter großem Druck

Walthelm habe seit ihrem Amtsantritt vor genau einem Jahr ein "Stahlbad" besonderer Art durchmachen müssen, verteidigt sie Achim Mletzko, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Stadtrat, aus deren Reihen die 40-jährige Politikwissenschaftlerin Walthelm kommt. Als sie mit der Mehrheit aus CSU, SPD und Grünen gewählt wurde, "war die Pandemie noch in Wuhan zu Hause", sagt Mletzko. Kurz danach habe sie unter hohem Druck das Gesundheitsamt neu aufstellen müssen.

Die 80 Vollzeitstellen sind inzwischen auf 430 Vollzeitstellen angewachsen, Beschäftigte des Flughafens und aus der freien Wirtschaft wurden für die Nachverfolgung der Kontakte von Corona-Infizierten abgestellt. Auch die Bundeswehr hilft mit. Die Referentin habe ihre umweltpolitischen Ziele hintan stellen und sich voll auf das "exponentielle Wachstum" ihrer Abteilung konzentrieren müssen, sagt Mletzko.


Kommentar: Walthelm muss liefern


Vor allem aber wünsche er sich, dass Mitarbeiter, die Daten der gemeldeten Corona-Fälle ins System einpflegen, "etwas mehr an Plausibilitätsprüfung" vornehmen. Dies gelte nicht nur für das städtische Gesundheitsamt, sondern auch für das LGL, fügt er hinzu.

Umwelt- und Gesundheitsreferentin Britta Walthelm berichtet den Medien über ihren Besuch bei Kontaktermittlern, die für das Gesundheitsamt arbeiten.

Umwelt- und Gesundheitsreferentin Britta Walthelm berichtet den Medien über ihren Besuch bei Kontaktermittlern, die für das Gesundheitsamt arbeiten. © Roland Fengler, NN

Bei den Sozialdemokraten sehen manche das ähnlich. "Jetzt muss man der Referentin unter die Arme greifen", sagt die Stadträtin und gesundheitspolitische Sprecherin der SPD, Jasmin Bieswanger, von Beruf Intensivkrankenschwester auf einer Corona-Station.

Möglicherweise habe Walthelm die Abläufe besonders im Gesundheitsamt nicht durchdringen können. "Wenn man in einer Krisensituation startet, dann kommt das gegenseitige Kennenlernen oft zu kurz", urteilt Bieswanger.

Jetzt soll der Gesundheitsbereich neu gegliedert werden: Amtsleiterin Dr. Katja Günther soll Personal zur Seite bekommen, um sich stärker auf die Pandemie-Fragen konzentrieren zu können. Nach etlichen Besprechungsrunden mit der Stadtspitze wird Walthelm die neue Struktur den Stadträten vorstellen.

Oberbürgermeister sprach Machtwort

SPD-Fraktionschef Thorsten Brehm hatte Walthelm zuvor aufgefordert, die "Geheimniskrämerei" zu beenden und endlich die Zahlen über die Corona-Lage in den Stadtteilen öffentlich zu machen. Oberbürgermeister Marcus König (CSU) entschied kurzerhand, dass die Referentin die Sachlage in der Mittwoch-Sitzung offenlegen müsse.

Deutliche Kritik kommt von Titus Schüller, Stadtrat der Linken. Die Kritiker in Reihen von CSU und SPD sollten schweigen, wettert er, schließlich hätten sie bereits bei Walthelms Wahl gewusst, dass die Kandidatin keinerlei Erfahrung im Gesundheitsbereich sowie in der Verwaltung vorweisen könne und auch im Umweltbereich nicht qualifiziert sei.

Doch jetzt gelte es, sie "mit aller Kraft zu unterstützen". Die "guten Ansätze" beim Thema Impfen müssten forciert werden: Dass die Kunden der Nürnberger Tafeln bei ihrem Besuch ein Impfangebot erhalten, sei ebenso zu begrüßen wie geplante Impfmobile in besonders belastete Stadtteile zu schicken.

Und für die Probleme im Gesundheitsamt trage schließlich auch der Oberbürgermeister eine gehörige Portion Verantwortung, sagt Schüller kämpferisch.

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