Homeschooling: Wie viel Mediennutzung ist noch gesund?
25.1.2021, 12:16 UhrWie lange sollten Kinder und Jugendliche Medien neben der Schule überhaupt noch nutzen?
Klaus Lutz: Die Frage ist ja ohnehin: Was ist in der jetzigen Zeit noch gesund? Zugleich bleibt einem ja momentan nichts anderes übrig, als über den Computer zu kommunizieren. Wichtig aber ist mir in diesem Zusammenhang, dass man – was die tägliche Dauer betrifft – zwischen Mediennutzung für die Schule und der privaten Nutzung trennt. Die "Sendung mit der Maus" muss da genauso noch drin sein wie das gemeinsame virtuelle PC-Spiel mit Freunden, da man sich sonst zurzeit nicht treffen kann. Eltern können also hier nachgiebiger sein, was die Gesamtnutzungsdauer derzeit angeht – und mehr zulassen als sonst.
Spüren Sie da eine größere Verunsicherung bei den Eltern?
Klaus Lutz: Ja, Eltern merken ja selbst, wie anstrengend es ist, im Homeoffice viel Zeit am Bildschirm verbringen zu müssen. Sie brauchen aber selbst auch Ruhe für ihre Arbeit. So ist es zwar von Vorteil, wenn sich Kinder eigenständig mit Medien beschäftigten können, aber Eltern wollen auch ihr Kind grundsätzlich nicht zu lange vor dem PC sitzen lassen – ein Dilemma.
Apps zur Sprachförderung
Gibt es denn Wege, diese Konflikte zu umgehen?
Klaus Lutz: Man muss überlegen, wie man die Mediennutzung für Kinder auch qualitativ gut gestalten kann. Zum Beispiel hat die Stiftung Lesen gute Vorschläge für Apps zur Sprachförderung gemacht, da kann man mal stöbern. Wichtig ist aber auch, dass Eltern umfassend darüber informiert sind, wie sich Mediennutzung technisch einschränken lässt, damit man nicht gestresst wird, weil man ständig schauen und das Kind wieder ermahnen muss, endlich abzuschalten. Die Seite www.medien-kindersicher.de hält dafür Anleitungen für alle gängigen Geräte bereit.
Zurück zum digitalen Homeschooling – gibt es da eigentlich Tipps, wie es funktioniert?
Klaus Lutz: Es ist beispielsweise schon gut, wenn die Kameras eingeschaltet sind; ich merke selbst, wie viel schwerer mir das in digitalen Zusammenkünften fällt, wenn man ins Schwarze blickt. So geht es auch den Lehrern. Man hat dann keine Möglichkeit zu spüren, ob alle noch am Ball sind, aber merkt auch nicht, wie es den Schülerinnen und Schülern gerade so geht. Insofern verstehe ich, wenn Lehrerinnen und Lehrer sich wünschen, dass die Kameras angeschaltet sind. Das motiviert mich als Dozent selbst ja auch.
Digital-Wirrwarr an den Schulen: Wer ist schuld am Chaos?
Was ist noch wichtig?
Klaus Lutz: Es ist außerdem ratsam, viel Eigenaktivität mit hineinzubringen. Ich versuche das gerade selbst in Webinaren mit Studierenden – da gehen kleine Gruppen in sogenannte Break-out-rooms, besprechen etwas, dann hole ich sie zurück, und sie berichten, was sie gemacht haben. Das gilt für den Schulunterricht auch – die aktiven Phasen sind enorm wichtig. Da sollten sich die Lehrerinnen und Lehrer bemühen und solche Phasen einbauen.
Haben Sie einen Überblick, wie das an den Schulen aktuell läuft?
Klaus Lutz: Klar ist, dass Grundschulen etwas anderes benötigen als die Oberstufen. Ich kritisiere allerdings, dass es derzeit vor allem darum geht, wie man diese Auszeit überbrückt, statt schon weiterzudenken, wie Unterricht auch nach der Pandemie anders gestaltet werden kann. Wichtig ist es jetzt, sich didaktisch weiterzuentwickeln. Wenn Schule nach dieser Phase so weitermacht wie bisher, hätten wir eine Chance vertan.
Mehr Freiräume für digitales Lernen
Worin liegt diese Chance, wie lässt sich Digital- und Präsenzunterricht miteinander verbinden?
Klaus Lutz: Ein Beispiel: Eine Klasse mit 30 Schülerinnen und Schülern hat Englischunterrricht, zehn Schüler beherrschen den Stoff bereits, zehn beteiligen sich nicht, für die restlichen zehn ist es noch neu, die arbeiten mit. Hätte man ein gutes digitales Angebot, könnte man da besser differenzieren, zum Beispiel mit Extra-Kursen online für diejenigen, die den Stoff bereits beherrschen. Das schafft auch mehr Freiräume für selbstaktives Lernen und ein neues soziales Miteinander.
Distanzunterricht: So lief der erste Tag in Fürth
Ist es für Grundschulen überhaupt sinnvoll, digitalen Unterricht einzuführen?
Klaus Lutz: Derzeit gibt es ja keine andere Möglichkeit. Bislang war der Ansatz dort immer ein anderer, es wurden beispielsweise Hörspiele oder Hörgeschichten mit Kindern in der Schule erstellt. Jetzt ist es wichtig, sie eigenaktiv mit hineinzunehmen und nicht nur Arbeitsblätter zu verschicken. Man könnte ja beispielsweise gemeinsam einen Radiobeitrag für Kinderrechte erarbeiten, in dem Kinder mit ihrem Handy aufnehmen, was ihnen zum Recht auf Spielen einfällt. In jedem Fall ist es wichtig, die Kinder miteinzubeziehen.
Hier können Sie Ihre Meinung zur Corona-Krise kundtun oder sich mit anderen Usern zum Thema austauschen. Alle Artikel zu Corona haben wir zudem für Sie auf einer Themenseite gesammelt.
Die Sorge ist ja groß, dass viele Kinder während der Pandemie auf der Strecke bleiben . . .
Klaus Lutz: Der digitale Unterricht müsste eigentlich so gestaltet werden, dass auch die Grundschüler ohne die ständige Begleitung durch die Eltern lernen können. Es gibt bereits Eltern, die Privatlehrer anstellen. Die merken, dass ihre Kinder nur was lernen, wenn jemand dabei sitzt. Das können die Eltern aber nicht die ganze Zeit. Das kann natürlich nicht die Lösung sein. Daher muss der digitale Unterricht für die Kinder so konzipiert werden, dass sie ohne ständige Begleitung lernen können, etwa mit einem interaktiven Erkläransatz, wie es auch die "Sendung mit der Maus" macht, wenn sie auf ihr ergänzendes Angebot im Netz überleitet.