Streit über Gutachten

Immobilienskandal in Nürnberg? Museum rechtfertigt sich - CSU startet Gegenangriff

Ralf Müller

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29.7.2021, 16:46 Uhr
Die Steuerzahler in Bayern müssen laut neuen Gutachten für das Zukunftsmuseum in Nürnberg Mietkosten in nicht gerechtfertigter Millionenhöhe bezahlen. Das Zukunftsmuseum (l), der Nürnberger Zweigstelle vom Deutschen Museum in München, auf dem Gelände Augustinerhof.

© Daniel Karmann, dpa Die Steuerzahler in Bayern müssen laut neuen Gutachten für das Zukunftsmuseum in Nürnberg Mietkosten in nicht gerechtfertigter Millionenhöhe bezahlen. Das Zukunftsmuseum (l), der Nürnberger Zweigstelle vom Deutschen Museum in München, auf dem Gelände Augustinerhof.

Selten habe er so "detaillierte, plausible, klare und deutliche Gutachten" gelesen, sagte der kulturpolitische Sprecher der SPD im bayerischen Landtag Volkmar Halbleib zu zwei "gutachterlichen Stellungnahmen", die am Donnerstag in München von der Landtagsopposition vorgelegt wurden. Mit deren Inhalt wollen Grüne, SPD und FDP dem amtierenden Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) nachweisen, dass er in seiner Zeit als Finanzminister zweistellige Millionenbeträge verschwendet hat, als er seiner Heimatstadt Nürnberg eine Zweigstelle des Deutschen Museums verschaffte. Im kommenden September soll das "Zukunftsmuseum" am Pegnitzufer seine Pforten öffnen.

Entweder sei beim Start des Projekts bewusst nicht so genau hingeschaut worden oder der Freistaat habe sich komplett übers Ohr hauen lassen, sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen Verena Osgyan. Die beiden gutachterlichen Stellungnahmen - eines zu den juristischen und das andere zu den wirtschaftlichen Aspekten des Museumsprojekts - haben es in der Tat in sich. Sie gipfeln in der Feststellung, das Deutsche Museum mit Hauptsitz in München habe auf Kosten des Freistaats völlig überteuerte Verträge für die Anmietung des Museumsbaus im Nürnberger Augustinerhof unterzeichnet. Museums-Generaldirektor Wolfgang Heckl konnte dies tun, weil der Freistaat ihm über eine umfassende Finanzierungsvereinbarung praktisch einen "Blankoscheck" ausgestellt habe, sagte Osgyan.

Im Ergebnis hat sich damit der Freistaat zu Lasten der Steuerzahler zu einer "Anschubfinanzierung" in Höhe von 27,6 Millionen Euro sowie zur Übernahme der kompletten Mietkosten für 25 Jahre verpflichtet, ohne dass der Landtag dabei groß mitreden konnte. Denn Partner des Mietvertrags mit dem Nürnberger Unternehmer Gerd Schmelzer war das öffentlich-rechtliche Deutsche Museum und nicht der Freistaat. Die Höhe der garantierten Netto-Jahresmiete von 2,52 Millionen Euro für 5.500 Quadratmeter, also insgesamt 63 Millionen Euro, hatte schon vor vier Jahren im Wissenschaftsausschuss für heftige Diskussionen gesorgt. Nicht nur die Opposition, auch der ehemalige bayerische Wissenschaftsminister Thomas Goppel (CSU) war als Ausschussmitglied entsetzt von den Zahlen: "Das ist aberwitzig. Wer immer sich das erdacht hat, spinnt."

"Erklärungsbedürftige Übermiete"

Im Auftrag der Oppositionsfraktionen nahm die Nürnberger NCGroup GmbH den Mietvertrag und das Mietobjekt genauer unter die Lupe und kam als erstes zu dem Schluss, dass von den 5.500 Quadratmetern Mietfläche 18,4 Prozent nach allgemein gültigen Kriterien eigentlich gar keine Flächen sind, für man Miete verlangen dürfte. Der Neubau am Pegnitzufer sei auch kein speziell für das Museum errichteter "Sonderbau", wie die staatliche Immobiliengesellschaft Imby behauptet hatte, sondern könnte auch anderweitig gewerblich genutzt werden.

Die Imby hatte die angesetzte monatliche Miethöhe von 40,6 Euro pro Quadratmeter als marktüblich bewertet und erntet nun heftigen Widerspruch von den Gutachtern. Diese errechnen für die "Seiten- oder B-Lage" eine Quadratmetermiete von 20,21 Euro. Es bleibe eine "erklärungsbedürftige Übermiete von 26 Euro je Quadratmeter", sagte der baupolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion Sebastian Körber. Unter Berücksichtigung der etwa 1000 Quadratmeter, für welche eigentlich keine Miete verlangt werden dürfe, zahle das Deutsche Museum und damit der Freistaat pro Jahr 1,4 Millionen Euro zu viel an Mietzins an Unternehmer Schmelzer. Der hatte übrigens - natürlich ohne jeden Zusammenhang mit dem Museumsgeschäft - dem CSU-Bezirksverband Nürnberg-Fürth-Erlangen zwei Spenden in mittlerer fünfstelliger Höhe zukommen lassen.

"Unerklärlich massiv zu Lasten der öffentlichen Hand"

Die Opposition fühlt sich durch die Studien in ihrer Kritik an der Umsetzung des Museumsplans mehr als bestätigt und will jetzt das Thema in verschärfter Form wieder auf die politische Tagesordnung setzen. Die beiden von ihr eingeholten Gutachten gingen postwendend an den Bayerischen Obersten Rechnungshof (ORH) mit der Bitte um Stellungnahme. Weitere Kopien erhielt Ministerpräsident Söder mit der Aufforderung, bis spätestens 19. August unter anderem die Kernfrage zu beantworten, die der SPD-Politiker Halbleib so formulierte: "Wie konnte es zu einem solchen Mietvertrag kommen, der sowohl rechtlich wie auch in der Miethöhe unerklärlich massiv zu Lasten der öffentlichen Hand geht?"

Für sich haben die Oppositionspolitiker die Frage schon beantwortet: Söder wollte das Prestigeprojekt für seine Heimatstadt unter allen Umständen durchziehen. "Am Geld soll es nicht scheitern", hatte der damalige Finanzminister klar gemacht und damit die Verhandlungsposition des Deutsche Museums nicht gerade gestärkt, bemerkte Osgyan. Für sie handelt es sich bei dem Vorgang um einen "Skandal, in dessen Zentrum der heutige Ministerpräsident steht". Diesmal wollen Grüne, SPD und FDP die Verantwortung für die vermutete Millionen-Verschwendung nicht wieder "im Bermuda-Dreieck" (Körber) von Vermieter, Museum und Freistaat verschwinden lassen.

"Auftragsarbeit offensichtlicher Gegner"

Sollten Söders Antworten "ausweichend oder unklar" ausfallen, werde man "parlamentarische Schritte" unternehmen, drohte Halbleib. Die drei Fraktionen stellen auch die Frage nach Regressansprüche an die an den Verhandlungen und am Vertragsabschluss beteiligten Personen. Der SPD-Kulturpolitiker bekräftigte die grundsätzliche Unterstützung aller drei Fraktionen für die Zweigstelle in Nürnberg. Allerdings müsse es möglich sein, solche Projekte "ohne finanziellen Schaden für den Freistaat Bayern und ohne fragwürdige Vorgänge zu Lasten der Steuerzahler" zu verwirklichen.

Der amtierende bayerische Wissenschaftsminister Bernd Sibler (CSU), der zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung noch nicht in diesem Amt war, kritisierte das Vorgehen der Opposition. Ihm sei "schleierhaft, wieso Mitglieder des Landtags ein Interesse daran haben, dieses Projekt jetzt plötzlich in Frage zu stellen". Die Gutachten seien eine Auftragsarbeit "von offensichtlichen Gegnern" des Museumsprojekts, welche zum x-ten Mal die immer gleichen Fragen aufwärmten. Die Gutachten hätten keine neuen Erkenntnisse gebracht, schadeten aber "dem Ruf dieses Zukunftsprojekts für kommende Generationen", so Sibler. Er ärgere sich über die "Instrumentalisierung zu Wahlkampfzwecken."

Das Mietobjekt im Augustinerhof sei eine "Sonderimmobilie", die sich beispielsweise durch besondere Raumhöhen auszeichne, erklärte Sibler. Deshalb dürfe man bei den Mietpreisen nicht "Äpfel mit Birnen" vergleichen. Für Ladenflächen in 1A-Lage im Geschäftskern von Nürnberg würden sogar Nettokaltmieten von 80 Euro je Quadratmeter bezahlt. Das NCGroup-Gutachten hatte allerdings der Museumsimmobilie die 1A-Lage abgesprochen und auch eine anderweitige Nutzung für möglich erklärt.

Blume: "dubioses Gefälligkeitsgutachten"

Das Areal sei keine hundert Meter vom Hauptmarkt entfernt und daher keine innerstädtische Randlage, betonte das Deutsche Museum in einer Stellungnahme. Die Museumsverwaltung rechtfertigt auch die Vermietung von Flächen, die nach Auffassung der Gutachter nicht zu berechnen seien. So sei ein komplettes Stockwerk für Großexponate weggelassen worden. "Den Mietpreis für diesen Sonderbau mit normalen Immobilien zu vergleichen ist falsch", so die Stellungnahme des Museums.

Der Wissenschaftsminister verweist darauf, dass das Deutsche Museum die Verhandlungen mit dem Eigentümer "in eigener Zuständigkeit" geführt und so auch den Vertrag abgeschlossen habe. Die staatliche Immobiliengesellschaft Imby habe in einer Stellungnahme vom März 2017 zum Mietpreis Stellung genommen. In der Folge sei "durch Nachverhandlungen des Deutschen Museums der Mietpreis dann noch gemindert" worden.

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