Ist die Sprengelschule gut genug für das Kind?

06.06.2013, 07:27 Uhr
Ist die Sprengelschule gut genug für das Kind?

© dpa

Es ist ein Thema, über das Familien nicht gerne öffentlich sprechen. Ihren Kindern zuliebe. Die junge Frau, die wir in Wöhrd auf einem Spielplatz getroffen haben, heißt in Wirklichkeit nicht Valerie L. Wir nennen sie so, weil wir über sie schreiben möchten. Weil ihre Meinung exemplarisch für die vieler anderer Mütter und Väter steht. Valerie L. ist alleinerziehend und lebt mit ihrer dreijährigen Tochter im Nürnberger Osten. Sie ist zufrieden mit der Wohnlage und mit dem Kindergarten in der Nähe. Trotzdem will sie, so bald es geht, umziehen. „Meine Kleine muss in die Thusnelda-Schule. Das möchte ich auf keinen Fall.“ Was genau ihr Problem mit der Thusneldaschule ist, kann Valerie L. nicht sagen. Es ist so ein Gefühl.

So ein Gefühl. Genau das ist das Problem. Und es ist sehr alt, sagt Peter Gruber, der Rektor. „Es gibt keine rationalen Gründe dafür, warum unsere Schule einen schlechten Ruf hat.“ Schon als eine Kollegin vor 16 Jahren ihre Kinder hier einschulte, habe sie von entsetzten Reaktionen aus ihrem Bekanntenkreis erzählt. „In all der Zeit hat sich daran nichts geändert“, sagt Gruber. Er erlebe es immer wieder, dass Eltern am Tag der Schuleinschreibung mit ausgefülltem Gastschulantrag kommen und ihre Kinder schon in anderen Schulen am Schnupperunterricht haben teilnehmen lassen. „Das trifft uns ins Mark.“

„Die Stadt ist nicht auf Streit aus“

Zehn Gastschulanträge für das kommende Schuljahr sind bei Gruber eingegangen. Die Eltern wüssten schon, was sie schreiben müssen, damit die Stadt die Genehmigung erteilt. „Sie ist ja auch nicht auf Streit aus.“ Früher waren es immer drei erste Klassen, diesmal gibt es zum Schulanfang im September an der Thusneldaschule nur zwei – und die werden mit jeweils 21 oder 22 Kindern relativ klein sein. Was den Abc-Schützen nur zugutekommt. Und wer erst einmal da ist, kommt gerne. „Im letzten Jahr hatten wir einige Familien, die umgezogen sind, aber sehr großen Wert darauf legten, dass ihr Kind bei uns bleibt.“ Es gebe Eltern, sagt Gruber, denen es wichtig ist, dass ihre Kinder die gesellschaftliche Realität erleben.

„Auf die Thusneldaschule lasse ich nichts kommen“, sagt Christa Eder, die seit vielen Jahren in Mögeldorf lebt und lange Zeit Elternbeiratsvorsitzende war. Ihre beiden Kinder, ein Junge und ein Mädchen, mittlerweile erwachsen, haben sich an ihrer Schule wohlgefühlt. „Die Lehrer machen eine hervorragende Arbeit.“ Und es sei für die Grundschulkinder nur gut, auch mit den Älteren der Mittelschule in Kontakt zu kommen. „Das ist die Realität.“

Gesellschaftliche Realität in einer Großstadt bedeutet manchmal auch, einen hohen Anteil an Schülern mit Migrationshintergrund in den Klassen zu haben. Zu den Eltern, die sich nicht abschotten wollen, gehören die Winters (Name ebenfalls geändert). Sie leben mit ihren beiden Kindern in Gostenhof, ihre Tochter ist im vergangenen Jahr eingeschult worden. Die Mehrheit der Kinder in ihrer Klasse hat einen Migrationshintergrund, viele stammen aus sozial schwachen Familien. Die Winters sehen das nicht als Problem. Natürlich haben sie sich ihre Entscheidung gut überlegt. Drei von sechs Abc-Schützen aus dem Gostenhofer Kinderladen, den ihre Tochter besucht hat, gehen jetzt an eine Privatschule. „Wir haben uns für die Sprengelschule entschieden“, sagt Annette Winter. „Unser Kind soll in der Umgebung bleiben, in der es verwurzelt ist und nicht durch die halbe Stadt fahren müssen. Ein Gastschulantrag kam für uns nicht infrage.“

Diana Liberova, die Vorsitzende des Integrationsrats, betrachtet das Problem aus anderer Perspektive. Sie glaubt, dass das Potenzial der Kinder mit Migrationshintergrund oft nicht erkannt wird. Dass man ihnen einen Stempel aufdrückt, weil man glaubt, sie schafften den Übertritt an eine weiterführende Schule sowieso nicht. „Man traut ihnen nichts zu.“ Liberova ist eine Verfechterin des gebundenen Ganztagsunterrichts. „Ein solches Konzept sei gut für alle Kinder. Aber das kostet Geld.“ Gute Ansätze seien da, es mangle aber an den Projektmitteln. „Man muss die Schulen besser ausstatten.“ Der Freistaat habe das Problem zwar erkannt, arbeite aber nur halbherzig an Lösungen. „Er muss den Kommunen mehr Verantwortung übertragen und sich als Träger heraushalten.“

Rund 200 Gastschulanträge sind bislang im Amt für Volks- und Förderschulen eingegangen. „Das Gros ist da, aber der Prozess ist noch nicht abgeschlossen“, sagt Christian Maluga. „Es werden wohl noch mehr werden.“ Er rechnet am Ende mit 250 bis 270 Anträgen. Diese Zahl sei in den letzten Jahren relativ konstant geblieben. Die Ablehnungsquote liege in der Regel bei zehn Prozent.

Für die Schwachen wird sehr viel getan

Die Winters glauben an das deutsche Schulsystem. Und sie glauben auch an die Lehrer. „Wir haben mit der Sprengelschule bislang keine schlechten Erfahrungen gemacht. Es geht unserer Tochter sehr gut dort“, sagt Annette Winter. „Sie kommt gut klar, und sie kehrt fröhlich nach Hause zurück. Es herrscht eine sehr gute Atmosphäre.“ Klar hätten sie darüber nachgedacht, ob ihre Tochter vielleicht durch schwächere Schüler gebremst werden könnte. „Aber wir glauben das nicht, weil sehr viel dafür getan wird, die Schwachen gut zu fördern.“ Die Schule und die Lehrer seien sehr engagiert, sie brächten sehr viel Eigeninitiative ein. „Es wäre wichtig“, sagt Annette Winter, dass Eltern genauer darauf sehen, was an der Schule passiert. „Und dass sich mehr Eltern für die Sprengelschule ihrer Kinder entscheiden. Eine gesunde Mischung ist für alle Kinder bereichernd.“



Das sieht Peter Gruber ebenso. Auch er möchte, dass sich Eltern seine Schule genauer ansehen. Von 59 Viertklässlern sind im vergangen Jahr 41 an weiterführende Schulen übergetreten – wenn man diese Quote als Kriterium hernehmen möchte, steht die Thusneldaschule gar nicht schlecht da. „Das dürfte kein Grund sein, dass viele Eltern so skeptisch sind“, sagt Gruber.

Wichtig ist ihm aber vor allem zu zeigen, was an sozialem Leben an der Schule läuft. Es gibt einen Schulvertrag, der die Kinder zu Fairness, Toleranz, Ehrlichkeit und Hilfsbereitschaft anhält. „Wir gehören alle zusammen“, steht in dem Papier geschrieben, das die Schüler unterzeichnen. Sie verpflichten sich zu einem respektvollen Umgang miteinander, dazu, Gewalt abzulehnen und das Eigentum anderer zu achten. Abgesehen davon wird viel Wert auf Musik und Bewegung gelegt. Es gibt ein Musicalprojekt und einen Chor, es wird Fußball und Tennis gespielt und Schlittschuh gelaufen, es werden Natur- und Kulturprojekte gepflegt. Auch auf solche Dinge, findet Peter Gruber, sollten Eltern achten. Und nicht nur darauf, wo die Schüler herkommen, die mit ihren Kindern in einer Klasse sitzen.
 

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