Klare Sicht in luftiger Höhe
12.1.2013, 06:37 UhrDa ist es schon rausgerutscht, das Un-Wort in der Sprache der Ballonfahrer: „Fliegen.“ Es schmerzt den Experten und provoziert ihn, es zu berichtigen. Nein, hier fliegt niemand — der Ballon fährt durch die Luft.
Es ist aber eine Fahrt ins Ungewisse. Der Startpunkt ist klar, das Ziel aber nicht. Die Crew — das sind Katrin Felgenhauer, Sylvia Gampe, Jens Hinrichsen, Joachim Gampe und der NN-Redakteur. Sylvia Gampe wird die Verfolgung mit dem Auto aufnehmen, von unten beobachten, wohin der rote Riese zieht.
Doch der liegt zunächst noch schlaff auf dem Sportplatz des TSV Südwest in Röthenbach bei Schweinau. Daneben: der Korb. Er knarzt wie Omas Rattan-Schaukelstuhl, sobald ihn jemand anfasst. Kaum zu glauben, dass hier vier Personen Platz haben, die sich noch dazu die gut zwei Quadratmeter mit vier Propangasflaschen teilen. Das Team arbeitet Hand in Hand: Der schlaffe Riese wird mit dem Korb verbunden, ein Ventilator bläst Luft in die sich blähende Hülle. Dann wirft Joachim Gampe den Brenner an, Flammen stechen in die 3400-Kubikmeter-Hülle. Der Riese wälzt sich, reckt sich und steht. Nur noch ein Seil am Auto hält den Korb. Einsteigen, die Fahrt geht los.
Das Seil löst sich. Sylvia Gampe wird kleiner und kleiner. Im Norden zeigt sich der Fernsehturm. Die Luft ist klar, die Temperatur liegt bei sechs Grad. Unter uns liegt Röthenbach, in der Ferne das blaue, eckige Kraftwerk in Gebersdorf. Die Piloten Gampe und Hinrichsen sind im Funkkontakt mit dem Flughafen. Gampe hat rund 200 Fahrten hinter sich, Hinrichsen bis zu 600. Er ist der „Präsident“ des Vereins „Frankenballon“. Den Hebel am Brenner lässt er nicht los. Sobald der Korb an Höhe verliert, zieht er daran. Es knallt und heiße Flammen züngeln wieder in den Hohlraum der Hülle, die wie eine Kathedrale über den Köpfen schwebt.
Dann ist da noch Katrin Felgenhauer — sie ist mit 34 Jahren die Jüngste im Korb. Die Erlangerin ist auch Mitglied im Nationalteam der Ballonfahrer. Kurios: Sie hat Höhenangst, aber nicht im Korb. Wie das funktioniert? „Höhenangst entsteht dann, wenn ein Kontakt zum Boden besteht — also auf einer Leiter, oder im Riesenrad“, sagt sie. Im Korb gibt es keine stützende Verbindung zur Erde — er schwebt.
Der Fernsehturm steht mittlerweile im Südwesten, der Ballon nähert sich dem Gelände der N-Ergie in Sandreuth. Er fährt gen Norden, unter uns gleitet das Opernhaus vorüber, im Osten fächert sich das Schienennetz am Hauptbahnhof auf. Der Korb hat eine Höhe von rund 300 Metern, das Tempo schwankt zwischen 23 und 32 Kilometern pro Stunde.
Es geht über die Altstadt, der Korb nimmt Kurs auf die Lorenzkirche. Dann ist sie direkt darunter. Das neue Dach des Kirchenschiffs hebt sich rot vom rußigen Mauerwerks ab. Menschen krabbeln wie Käfer ihre Bahnen ums Bauwerk, verschwinden in Hauseingängen oder unter Dächern der Verkaufsstände.
Auf der Burgfreiung winken Touristen, doch der Luftstrom schiebt den Ball Richtung Obstmarkt und von da zum Marienbergpark. Wieder gibt Hinrichsen Feuer, der Knall schreckt Hunde auf, die wild zu bellen anfangen. Am Flughafen gibt ein Lotse Entwarnung: Der Korb darf über das Rollfeld gleiten. Hinter Neunkirchen am Brand suchen die Piloten einen Landeplatz — auf einer Wiese holpert der Korb noch über Gras und Maulwurfshügel. Dann kommt er zum Stehen. Die Hülle wirft Falten, sackt in sich zusammen. Es ist vorbei. Leider. Doch nach der Landung ist vor dem Start — frei nach Sepp Herberger.
Infos über Ballonfahrten unter der Telefonnummer (09132)60086 oder unter www.frankenballon.de
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