Klimacamp in Nürnberg: Aktivisten halten schon seit 40 Tagen durch
12.10.2020, 09:48 UhrDie Nacht war kurz für Ulrike Müller-Telschow. Drei Stunden lang, von zwei bis fünf Uhr früh, hielt die 63-Jährige Wache im Camp, saß im dicken Winteranorak flankiert von ihrer Hündin Ella auf dem Sofa im Gemeinschaftszelt und bewunderte den Sternenhimmel über der Sebalduskirche. Die Stimmung sei trotz der Kälte eigentlich ganz schön gewesen, sagt die Nürnbergerin, die aber nicht wegen der romantischen Atmosphäre hergekommen ist: Rund um die Uhr soll das Klimacamp besetzt sein, mindestens eine Person ist immer wach. Das sei gar nicht so leicht zu organisieren, sagt Müller-Telschow. Doch mittlerweile halten die Aktivisten es seit 40 Tagen durch.
Müller-Telschow ist zwar sei 40 Jahren Mitglied von Greenpeace, doch aktiv geworden ist sie erst jetzt wieder. Den Anstoß habe tatsächlich ein Auftritt von Greta Thunberg gegeben, den sie im Fernsehen sah. "Dieses zarte Kind sagt genau das, was wir alle wissen und trotzdem gerne verdrängen", sagt die Nürnbergerin. "Es mangelt uns nicht an Informationen, sondern an Konsequenz." Die Künstlerin und Unternehmerin, die in der Südstadt ein Brillenstudio führt, will das ändern. Noch sei es nicht zu spät, sagt die Mutter und Großmutter, "noch können wir etwas bewirken." Das könne im Kleinen beginnen, durch regionales Einkaufen und den Verzicht auf Plastik, und sich im Großen fortsetzen durch eine andere Klimapolitik.
100 Fragen und Forderungen übergeben
Dabei sehen Müller-Telschow und ihre Mitstreiter auch die Stadt Nürnberg in der Pflicht. 100 Fragen und Forderungen haben sie jetzt an Umweltreferentin Britta Walthelm übergeben, wollen wissen, was die Kommune tut, um die Erderwärmung zu begrenzen, fordern Solaranlagen auf allen Dächern und mehr Grün in der Stadt. Dass sich Walthelm und der städtische Klimaschutzbeauftragte Wolfgang Müller viel Zeit für ihren Besuch genommen haben, werten die Aktivisten als ersten Erfolg, jetzt wollen sie weitere Vertreter der Kommunalpolitik einladen. Das Klimacamp sei ein guter Ort, um ins Gespräch zu kommen, so Müller-Telschow.
Auf großen Plakatwänden können Besucher die Forderungen der Bewegung nachlesen, eine Tafel am Eingang gibt Aufschluss über das Tagesprogramm. Manche kämen leider her, um ihren Frust abzuladen, erzählt Daniel Fitzinger, 34. Andere bringen Essen vorbei oder helfen mit Spenden. "Das ist ein toller Ort geworden, wo viele an einem Strang ziehen", findet Julia Salomon, die sich bei Greenpeace engagiert und hier einen Teil der Öffentlichkeitsarbeit übernimmt. Die 22-Jährige führt Besucher durchs Camp, zeigt die provisorische Küche, die montags bis samstags von einem benachbarten Geschäft mit Strom versorgt wird, und den "Fairteiler-Kühlschrank", in dem übrig gebliebene Lebensmittel gesammelt werden.
Viele Gespräche
Immer wieder kommt die Studentin dabei mit den Menschen ins Gespräch, so wie gerade eben mit einem Lkw-Fahrer aus Serbien, der sein Wochenende in Nürnberg verbringt. Er selbst habe wenig Hoffnung, dass sich die Entwicklung noch aufhalten lasse, sagt der Mann. "Ich fürchte, dass die Menschen diesen Planeten ruinieren." Das Engagement der Klimaschützer findet er trotzdem gut. "Macht weiter so", ermutigt er Salomon.
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