Forschungsprojekt am Nürnberger Klinikum

Lungenprobleme: Dieser Oberarzt macht Frühchen Hoffnung

Isabella Fischer

Hochschule & Wissenschaft

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30.11.2021, 05:55 Uhr
Prof. Christoph Fusch ist Chefarzt der Klinik für Neugeborene, Kinder und Jugendliche am Klinikum Nürnberg.

© Rudi Ott Prof. Christoph Fusch ist Chefarzt der Klinik für Neugeborene, Kinder und Jugendliche am Klinikum Nürnberg.

Nicht für alle neugeborenen Kinder verläuft der Start ins Leben komplikationsfrei – vor allem Frühgeborene, die weit vor ihrem errechneten Geburtstermin zur Welt kommen, leiden unter schweren Lungen- oder Herzproblemen. Die kleinen Körper liegen meist Wochen im Brutkasten und sind mit zahlreichen Kabeln an Maschinen angeschlossen - für Eltern und Angehörige ein erschreckendes Bild und eine belastende Situation.

Lungenkranke Neugeborene können mit einer sogenannten ECMO-Maschine extern beatmet werden. ECMO steht für "extrakorporale Membranoxygenierung", das Blut wird dabei außerhalb des Körpers maschinell mit Sauerstoff versorgt. In der Öffentlichkeit wurde das Verfahren im Zuge der Corona-Pandemie bekannt, da Patientinnen und Patienten mit schweren Covid-19-Verläufen an ein ECMO-Gerät angeschlossen werden.

Jährlich benötigen weltweit etwa 43.000 Neugeborene eine solche Behandlung. Bislang werden die Katheter-Zugänge einer ECMO-Maschine an Oberschenkel- oder Halsgefäßen gelegt. ECMO ist für die kleinen Patienten ein hoch invasives Verfahren, das zu gefährlichen Komplikationen wie Schlaganfällen, Durchblutungsstörungen oder Embolien führen kann, erklärt Professor Christoph Fusch, Ärztlicher Leiter der Klinik für Neugeborene, Kinder und Jugendliche am Klinikum Nürnberg. Auch kann nur eine begrenzte Anzahl von Neugeborenen damit behandelt werden. "Neugeborene, die 2000 Gramm oder mehr wiegen, können an eine ECMO angeschlossen werden. Da Frühchen aber teilweise deutlich weniger Gewicht haben, sind sie von dieser Behandlung ausgeschlossen", erklärt er.

Seit Jahren arbeitet Fusch mit seinem Kollegen Doktor Niels Rochow, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, und seinem Forschungsteam an dem Kathetersystem "Umbigate", um Neugeborenen wie Frühchen mit Lungenproblemen den Start ins Leben zu erleichtern. "Umbigate" erinnert an eine künstliche Plazenta und soll einen Gefäßzugang mit hohem Blutfluss ermöglichen. Der Name setzt sich aus den Wörtern Umbilicus, Nabelschnur, und Gate, Zugang, zusammen und verrät, wo das System an die kleinen Körper angeschlossen wird: an der Nabelschnur der Neugeborenen. Und die spielt eine zentrale und wichtige Rolle.

Die ersten Stunden nach der Geburt sind die wichtigsten. Da zeigt sich, ob die Neugeborenen Unterstützung benötigen oder nicht. Ein kurzes Zeitfenster, in der "Umbigate" schon zum Einsatz kommen kann. "Nabelgefäße nutzen wir bereits heute für die Gabe von Antibiotika oder zur Ernährungszufuhr, für den Anschluss einer ECMO oder einer künstlichen Plazenta müssen wir aber erst die Blutgefäße dort erweitern", erklärt Fusch. Die Erweiterung sei möglich, weil die Durchmesser der Nabelarterien im Mutterleib größer sind, sich aber wenige Stunden nach der Geburt verschließen. "Diese Gefäße können wir aber mit Wärme und minimalinvasiv wieder öffnen, ohne sie kaputt zu machen", erklärt Fusch. Auch die Gabe von blutverdünnenden Mitteln und eine Narkose entfällt.

Die Forschung im Bereich der Neonatologie hat in den letzten Jahren große Fortschritte erzielt, einen weiteren Beitrag könnte "Umbigate" leisten. Das Gerät, an dem Fusch mit seinem Team in Kooperation mit dem Deutschen Herzzentrum in München arbeitet, ist nicht größer als ein Schuhkarton.

Bis es aber in der Praxis angewendet werden kann, wird es noch ein wenig dauern. Fusch und sein Forscherteam arbeiten derzeit an der Perfektionierung ihrer Entwicklung einer künstlichen Plazenta. "Wir haben zwar schon große Fortschritte erzielt und sind in einer weiteren wichtigen Testphase - aber eine solche Entwicklung dauert einfach", erklärt Fusch. In zehn Jahren könnte das Gerät zugelassen sein, prognostiziert er. Dann könnte es in Europa schätzungsweise rund 10.000 Neugeborenen jährlich helfen.

Das neue Kathetersystem könnte zudem auch in ärmeren Ländern eingesetzt werden, weil es wesentlich kostengünstiger sein wird als herkömmliche Methoden. Eine künstliche Plazenta soll – wie die Plazenta im Mutterleib – das Blut des Kindes mit Sauerstoff versorgen und die Nieren bei der Ausscheidung unterstützen. Damit könnte Neugeborenen mit einer angeborenen Lungenfehlbildung die nötige Unterstützung gegeben werden, sodass die Lunge ausreifen kann.

Einen großen Vorteil sieht Fusch in der Skalierbarkeit des Geräts. "Auch termingeborene Kinder können damit behandelt werden, sprich alle Neugeborene, die sonst an einer ECMO landen würden", sagt er. Ausgezeichnet wurden er und sein Team mit dem Medical Valley Award. Das Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie unterstützt das Projekt über zwei Jahre mit insgesamt 250.000 Euro.

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