Mit 80 Jahren: Ohne sie läuft in Ansbachs Tafel nichts

Timo Schickler

Lokalredaktion Nürnberg

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31.12.2020, 11:00 Uhr
Mit 62 hat Edeltraud Merker die Tafel in Ansbach zusammen mit einer Freundin gegründet, 18 Jahre später leitet sie sie noch immer.

© Michael Matejka, NNZ Mit 62 hat Edeltraud Merker die Tafel in Ansbach zusammen mit einer Freundin gegründet, 18 Jahre später leitet sie sie noch immer.

Zur Ruhe setzen? Pah. Edeltraut Merker setzt sich überhaupt nicht. Pausenlos ist sie unterwegs, sortiert Lebensmittel auseinander, räumt Regale ein oder gibt einer Helferin Instruktionen. Sie ist der Motor der Ansbacher Tafel. Und läuft und läuft. Zwischendurch beantwortet sie Fragen, im Stehen natürlich. Bis es aus einem der anderen Räume in der Karolinenstraße wieder tönt: "Frau Merker!" Schon verschwindet die 80-Jährige durch die Tür.

Vor 20 Jahren mit Tafel begonnen

Ihr Alter ist schwer zu glauben. So viel Energie steckt in der Frau mit der schicken Brille, der Kurzhaarfrisur und den wachen Augen. Und dem Herz für die, die nur wenig haben. Deren Schicksal treibt sie an, seit schon zwei Jahrzehnten. Vor 18 Jahren hat sie die Tafel in Ansbach mit einer Freundin gegründet, "aber es hat zwei Jahre gedauert, das alles vorzubereiten".

Denn wie für vieles in ihrem Leben hat Merker auch für ihr Hilfsprojekt kämpfen müssen. Sie finden Menschen, die sie unterstützen, am Anfang vor allem ihre Familie. Und sie finden Räume, nachdem ihre Mitgründerin und sie mit ihrer Idee einer Tafel vorher bei Organisationen auf taube Ohren stoßen.


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Heute hat die Tafel ihren Sitz bei der Diakonie, auf der Schürze, die Merker trägt, ist das Emblem der Caritas zu sehen. Inzwischen unterstützen Verbände die Tafel, die jüngere und ältere Bedürftige versorgt, völlig unterschiedliche Menschen. Die müssen auch einen kleinen Betrag zahlen. Zwei Euro pro Person, Kinder bis 16 Jahre zahlen nichts. Für mehrere volle Taschen voller Brot, Obst, Nudeln und Gemüse.

Sie stemmt das alles ohne Verein. Dafür mit vielen Ehrenamtlichen, die nicht nur jetzt um kurz vor elf Uhr schwer schuften. Die einen haben schon Bäckereien und Lebensmittelhändler abgeklappert, andere haben längst vorsortiert.

Wie bei einer Tafel sieht es hier aber nicht aus, dafür sorgen Kühlschränke wie in Supermärkten, die Theke einer alten Bäckerei, Geschenke, wie Merker erzählt. Die 100 Ehrenamtlichen geben den Menschen das Gefühl, hier richtig einzukaufen. „Wir packen keine Pakete, wir bieten alles an, jeder darf aussuchen, was er will“, erklärt Merker, die nebenbei mit fester Stimme koordiniert. Mit Maske und Handschuhen versteht sich. Corona? Hält Merker nicht auf, das Hygienekonzept stimmt. „Und die Leute brauchen uns doch."

Lange Schlange Bedürftiger

Das zeigt die lange Schlange der Bedürftigen im Hof. Während die wächst, erzählt Edeltraut Merker aus ihrem Leben, von ihren drei Kindern, sieben Enkeln und sieben Urenkeln. Und von der Zeit vor 30 Jahren als sie aus Weißenfels in Sachsen-Anhalt nach Franken kommt.

Zuerst nach Bamberg, wo sie sich auf eine Stelle im Rathaus bewirbt. Ein Job am PC, "obwohl ich noch nie vorher an einem Computer gearbeitet habe". Deshalb arbeitet Merker auch freiwillig 14 Tage ohne Gehalt. Sie wird zur Attraktion, aus anderen Abteilungen kommen Mitarbeiter, "um die Frau zu sehen, die umsonst arbeitet", erinnert sich die 80-Jährige.

Umsonst ist ihr Einsatz in der Tafel mitnichten. Auch wenn Edeltraut Merker da auch bei Null starten muss. Die Idee für die Tafel hat ihre Freundin Hildegard Nefzger. Nach einer Reise auf dem Jakobsweg geht sie auf Merker zu, die kurz vor dem Ruhestand steht: "Eine Tafel, das wäre doch was."

Früher Privatauto, heute Lieferwagen

Sie teilen sich die Aufgaben, Nefzger kümmert sich um die Waren, lässt ihre Kontakte spielen, Merker holt ab und organisiert die Verteilung. Merker erinnert sich noch, wie sie mit ihrer Tochter bei einem Supermarkt vorfährt. "Dort haben sie gefragt, wo unser Wagen ist - und wir haben auf den Kofferraum gezeigt."

Heute parkt ein großer weißer Lieferwagen vor dem Eingang zur Tafel, bis oben voll mit Waren aus der Region. Aus Mittelfranken, das heute Edeltraut Merkers Heimat ist. Seit die studierte Erzieherin die Leitung eines Internats in der Gegend übernommen hat. Ihr Wissen hat sie sich in einem Fernstudium in der DDR angeeignet hat, nachts, während ihre Kinder geschlafen haben.


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Aber Merker schläft eh so wenig wie sie sitzt. Bis 2 Uhr nachts arbeitet sie schon mal an Schreibkram für die Tafel. Jeden Tag ist sie vor Ort. Für ihren Einsatz hat die 80-Jährige, die sich auch bei der Arbeiterwohlfahrt und in der SPD eingebracht hat, Senioren betreut und Jugendfreizeiten organisiert hat, schon das Ehrenzeichen für Verdienste im Ehrenamt des Freistaats Bayern bekommen.

Ein nettes Wort und was zu essen

In der Ansbacher Tafel begrüßt sie einen Menschen nach dem anderen und verteilt Lebensmittel. Sie kennt fast alle Schicksale. Vor Corona hat sie den Leute draußen an Bistrotischen Kaffee gebracht, auch für kleines Geld, und ist dabei ins Gespräch gekommen. Auch das tut gut. Für jeden der 500 Bedürftigen, die Merker versorgt, hat sie ein nettes Wort. Und etwas zu essen.

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