Mit dem Molch durchs Rohr

30.03.2011, 19:13 Uhr
Mit dem Molch durchs Rohr

Aber diesmal geizt die Messe mit Hinguckern. Keine Aquarien mit bunten Luftblasen, keine psychedelischen Lichtspiele. Ist eine neue Bescheidenheit eingekehrt? Immerhin haben sich 887 Aussteller aus 45 Ländern in Nürnberg eingefunden, mehr denn je zuvor. Nach Deutschland mit 343 Ausstellern steht China auf dem zweiten Platz (120); mit Abstand folgen Italien (47) und die Niederlande (46 Aussteller).

Manche Firmen reisen um die halbe Welt, um sich in Nürnberg zu präsentieren. Andere Firmen sitzen vor der Haustüre, und wagen sich jetzt zum erstenmal auf die Messe. So die Firma Grimm, ansässig in Roth, seit 104 Jahren auf dem Markt, in fünfter Generation geführt von Martin Grimm. Ihr Sektor ist die Bauchemie.

Quellung im Gefüge verhindert Risse im Bau

Bauchemie? Wir dachten, beim Bau setzt man Stein auf Stein, und dazwischen schmiert man Mörtel? Weit gefehlt, die Konsistenz von Mörtel und Tünche ist eine Wissenschaft für sich. Eben Bauchemie. Die Firma Grimm stellt Pulver und Pasten aus Aluminium her. Aluminiumpulver besteht aus Blättchen, die gerade einen Tausendstel Millimeter stark sind. Das Pulver wird in Trockenmörtel gemischt, zu dem noch Zement, Kalk und Additive hinzukommen. Erst direkt vor dem Auftrag an der Baustelle kommt Wasser hinzu, dann erst klatscht der Mörtel an die Wand.

„Ein Teil des Wassers verdunstet, ein Teil dringt in die Mauer ein, und ein Teil geht Reaktionen mit dem Wasser ein“, schildert Martin Grimm. „Ist das Wasser verdunstet, können Risse entstehen. Die Aluminiumpartikel bilden Wasserstoffgas, und das bewirkt eine gezielte Quellung im Gefüge. Und verhindert somit Risse.“

Wie schön glänzt pures Gold. Und Silber erst! Doch was ist das? Das soll Silber sein? Diese stumpfgraue Masse, die ausschaut wie eine Stadtmaus im Aschekübel? „Sie sind zu verwöhnt“, belehrt Reiner Hommel, gelernter Biologe und Vertriebsleiter der Nürnberger Firma Bio Gate: „Silber ist nicht silbern.“

Goldzähne im Mund töten Bakterien. Silber ebenfalls. „Französische Soldaten hatten im Ersten Weltkrieg immer eine Silbermünze in der Wasserflasche, um das Wasser frisch zu halten“, verrät Reiner Hommel. Bio Gate macht mit Farben und Textilien das, was die Firma Grimm mit Mörtel macht. Silberdrähte werden unter hohem Druck und Beigabe von Xenon-Gas pulverisiert. Die Silberpartikel werden in Farbe gemischt und killen dort Bakterien. Schon 0,02 Prozent Silber in der Farbe reichen, um Bakterien in Schach zu halten. Entsprechend kommt silberversetzte Farbe in Krankenhäusern zur Anwendung. Oder in Sitzpolstern im öffentlichen Raum, auf denen vieler Menschen Kehrseite Platz nimmt.

Nicht nur Farben können die Umwelt belasten, auch ihr Auftrag mittels Spritzpistole und CO2. Die Nürnberger Firma Dete liefert nicht nur Lackieranlagen vom Farbtank über computergesteuerte Roboterpistole bis zum Trockner – sie arbeitet auch noch „klimaneutral“. Hinter diesem Begriff steht eine mathematische Transaktion. Die Firma ermittelt den Verbrauch von CO2 pro Auftrag. „Sagen wir mal, beim Lackieren von hundert Bechern verbrauchen wir ein Kilo CO2“, kalkuliert der Werkstofftechnik-Ingenieur Wolfdietrich Ederen, „dann kaufen wir Gutschriften von einem Klimaschutzprojekt im Wert von ein Kilo CO2. Das Projekt kann ein Windpark sein, oder ein Solarkraftwerk.“ Ein Nullsummenspiel also – und damit klimaneutral.

Einen Hingucker haben wir doch noch entdeckt: den Molch. Keine Amphibie, sondern ein Pfropfen aus Elastomeren, der per Druckluft durch gläserne Rohre fegt und mit seinen Lippen Rückstände von farbiger Suppe aufwischt. Nicht „Tube-Cleaner“ oder „Tunnel-Sucker“, sondern frei nach Brehm: Molch. Schön, wenn Techniker sich auf die Anmut der deutschen Sprache besinnen!

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