Nach Haft in Türkei: Nürnberger Politikerin ist wieder frei
10.10.2019, 09:42 UhrKartal war am vergangenen Samstag bei ihrer Einreise am Flughafen Istanbul festgenommen worden. Sie war auf dem Weg nach Ankara zur Beerdigung ihres Onkels, weshalb sie in Istanbul hatte zwischenlanden müssen. Bereits in den Jahren zuvor war Kartal immer wieder in der Türkei - zuletzt vor zwei Monaten. Probleme bei der Einreise hatte es nie gegeben. Zu den Hintergründen ihrer Festnahme war zunächst nichts bekannt geworden. Wie nun die IG-Metall mitteilte, in der sich die 56-Jährige seit vielen Jahren engagiert, wird der deutschen Staatsbürgerin "Terrorpropaganda" vorgeworfen. Nach mehrtägigen Verhören habe die Staatsanwaltschaft in Ankara Untersuchungshaft für Kartal gefordert, wie es heißt. Diesem Antrag sei der Haftrichter jedoch nicht nachgekommen, sodass die Kommunalpolitikerin wieder auf freiem Fuß sei. Jedoch darf sie den Angaben zufolge die Türkei nicht verlassen und muss sich täglich bei der Polizei melden.
Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin wollte auf Anfrage die Freilassung Kartals mit dem Hinweis, dass man grundsätzlich konsularische Einzelfälle aus Gründen der Persönlichkeitsrechte nicht veröffentliche, nicht bestätigen. Gleichwohl kenne man aber den Fall der Frau, die „konsularisch betreut“ werde, so der Sprecher weiter. Die Öffentlichmachung von Inhalten überlasse man den jeweiligen Familien, wie es aus Berlin heißt. Kartals Familie hält sich jedoch zurück. Auch die Linke Liste Nürnberg erhalte keine näheren Informationen von der Familie, wie Linke Liste-Geschäftsführer Klaus-Dieter Roese sagt. "Die Familie ist sehr vorsichtig und gibt nichts nach außen", so Roese. Kartal ist verheiratet, Mutter zweier erwachsener Kinder und sie ist Kurdin. Ihre Festnahme fällt in die international höchst umstrittene Syrien-Offensive der Türkei. Ziel der Operation von Präsident Recep Tayyip Erdogan ist die kurdische YPG-Miliz, die auf syrischer Seite der Grenze ein großes Gebiet kontrolliert.
Kartal ist nur eine von fünf Bundesbürgern, die in den vergangenen Wochen aus vermeintlich politischen Gründen in der Türkei festgenommen wurden. Darunter war zuletzt nach Angaben der Kurdischen Gemeinde Deutschland (KGD) auch die Hamburgerin Nebahat Yildirim, die Ehefrau des KGD-Chefs in Hamburg. Die türkische Justiz befasst sich derzeit mit politischen Vorwürfen gegen mindestens zehn Bundesbürger. So auch mit dem wohl bekanntesten Angeklagten in der Türkei, Deniz Yücel. Der einstige Türkei-Korrespondent der Welt saß ein Jahr lang in türkischer Untersuchungshaft und war schließlich wegen "Terrorpropaganda" angeklagt worden. Zu seinem Prozesstermin am 17. Oktober in Istanbul wird Yücel nach Angaben seines Anwalts jedoch nicht erscheinen. Im Fall von Senem Kartal verweist die IG-Metall auf den Gesundheitszustand der 56-Jährigen: Sie sei aufgrund verschiedener schwerer Erkrankungen zu 80 Prozent schwerbehindert und dringend auf medizinische Betreuung von Ärzten angewiesen. "Wenn sie diese Betreuung und die Therapien in Nürnberg längere Zeit nicht in Anspruch nehmen kann, ist es für sie lebensbedrohlich", heißt es.
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