Baustellenabsperrungen, die Fußgänger auf die Fahrbahn zwingen, würden ebenso dazu zählen wie Gehwege, die plötzlich in einen Radweg übergehen, etwa am Maxtor- oder Spittlertorgraben. Unbeliebt seien außerdem Kreuzungen, die sich wegen der Ampelschaltung nur in Etappen queren lassen – Beispiel Innerer Laufer Platz. Andere Fußgängerwege wiederum bräuchten für den Minimal-Komfort mehr Beleuchtung, wie man an der Bahnunterführung an der Rothenburger Straße beim Frankenschnellweg sehen könne.
"Fußgänger sind ein wenig in Vergessenheit geraten"
Mittlerweile erobert das Fußgänger-Thema schleichend die Verkehrsrathäuser der Großstädte. Nach autofreundlichen Jahrzehnten verleihen ihm ökologische Argumente Auftrieb. Und auch die demografische Entwicklung lenkt den Fokus auf den schwächsten, schutzlosesten Verkehrsteilnehmer. Immer mehr Ältere werden immer mobiler, fordern einen öffentlichen Raum, der sicher und barrierefrei ist. "Fußgänger sind ein wenig in Vergessenheit geraten, obwohl sie so viel Anteil am Stadtverkehr haben", stellt Frank Jülich fest, der Leiter des Nürnberger Verkehrsplanungsamts. "Vermutlich haben sie so wenig Lobby, weil sie den geringsten Platzbedarf haben und sich arrangieren." Auch Jülichs Amt stärkte zuletzt vor allem den Nahverkehr und die Radfahrer. 23 Prozent des Stadtverkehrs in Nürnberg finden zu Fuß statt – dieser Anteil soll wachsen.
London oder Berlin haben inzwischen eigene Fußverkehrsstrategien entworfen. Berlin experimentiert zaghaft mit ersten "Begegnungszonen", in denen Fußgänger Vorrang genießen, abgeschaut von der Schweiz. Das Umweltbundesamt hat kürzlich ein Konzept für eine bundesweite Fußverkehrsstrategie veröffentlicht, auf einem eigenen "Fußverkehrskongress". Unter dem Motto "Geht doch!" weisen die Studienautoren darin auf Standortvorteile für Kommunen hin. Die "Walkability", ein Ausdruck für die Fußgängerfreundlichkeit, entscheide über Lebensqualität und Zukunftsfähigkeit einer Stadt. Was fußgängerfreundlich wirklich heißt, ist bisher aber noch kaum wissenschaftlich untersucht.
Zugeparkte Gehwege bleiben ein Ärgernis
Verkehrsplaner Jülich will keinen eigenen Fußgängerbeauftragten einrichten. Ein Sonderposten verführe nur dazu, dass andere Verwaltungsteile sich heraushalten und dem Fuß-Beauftragten die Arbeit überlassen, findet er. Den Anfang für ein Nürnberger "Fußverkehrskonzept", das er irgendwann einmal dem Stadtrat vorlegen will, hat Jülich gemacht. Es steckt im Stadium einer Stichwortsammlung, benennt aber bereits Handlungsfelder. Die SPD-Stadtratsfraktion hat so ein Strategiekonzept jetzt nochmals mit einem Antrag eingefordert.
Weit oben stehen die zugeparkten Gehwege, ein Hauptärgernis. Mehr Autofahrer in Parkhäuser umzulenken, die Verkehrsüberwacher, Parkgebühren oder Bußgelder aufzustocken, betont der Verkehrsplanungsamtsleiter, bleibe allerdings eine politische Frage. Das Fußverkehrskonzept verlangt auch nach Öffentlichkeitsarbeit, um das Zufußgehen positiv zu bewerben. Und nach Bürgerbeteiligung: Workshops und Stadtteilprojekte könnten, so die Idee, Verbesserungsvorschläge bringen. Dabei sei schon jetzt klar, sagt Jülich: "Das wird zu Lasten Einzelner gehen. Der öffentliche Raum ist nun mal nicht vermehrbar."
"Muss man im Grunde beim Fußverkehr anfangen"
Das beweist die Dauerkonkurrenz zwischen Fußgängern und Radfahrern. Wie gefährlich diese tatsächlich ist, erfasst die Verkehrsunfallstatistik der Polizei nicht. Doch zumindest gefühlt vermiesen Radler auf Gehwegen ihren laufenden Mitmenschen das Leben; man beschimpft einander, auch wenn gar nichts passiert. "Viele ältere Menschen sagen uns, sie trauen sich nicht zu gehen, weil sie damit rechnen müssten, dass ihnen ein Fahrrad in die Hacken fährt", bestätigt Ursula Walther.
Die Nürnberger CSU-Stadtratsfraktion hat kürzlich eine Untersuchung speziell für die Fußgängerzonen und den Bereich rund ums Rathaus beantragt. Hier würden sich regelmäßig Bürger über Rücksichtslosigkeit und zu hohes Tempo von Fahrrädern, Autos und Lieferwagen beschweren. Ein Konzept für eine "Rücksichtskampagne" liegt seit 2017 in Frank Jülichs Schublade. Doch die Stadt hat kein Geld für die Umsetzung, Sponsoren fanden sich bisher keine. "Wenn man die Verkehrswende will", sagt Ursula Walther von "Fuß e.V.", "muss man im Grunde beim Fußverkehr anfangen. Weil er alle betrifft."