Nie Nervosität zeigen

4.2.2012, 00:00 Uhr
Nie Nervosität zeigen

© carrondesign.com

Herr Wagner, lassen Sie sich gern in die Karten schauen?

Tobias Wagner: Nein, eigentlich nicht. Wenn du natürlich ein gutes Blatt hast, es zu Ende spielst – dann zeigst du es gerne. Einen Bluff durchzubringen heißt dagegen ja, dass man seine Karten für sich behält.

Hand aufs Herz: Was ist schöner? Mit guten Karten zu gewinnen oder mit schlechten den anderen sozusagen an der Nase herumzuführen?

Wagner: Eigentlich ist beides schön. Ein gutes Blatt ist allerdings entspannter. Du sitzt am Tisch und dir kann wenig passieren, du wartest viel mehr darauf, dass der andere noch ein bisschen was einzahlt – und denkst bitte „call“, bitte geh’ mit.

Und beim Bluff...

Wagner: Da geht das Adrenalin nach oben. Du hoffst nur, dass der andere sein Blatt früher oder später wegwirft. Da ist der „thrill“, also die Aufregung dabei. Und du darfst dir die Nervosität nicht anmerken lassen.

Also muss ein Pokerspieler gut lügen können.

Wagner: Lügen klingt hart, ist vielleicht auch ein wenig übertrieben. Aber man muss schon eine gute Geschichte erzählen können, seine Karten gut verkaufen. Nach dem Motto: Ich habe was Besseres als du – leg weg.

Klingt schon nicht sehr ehrlich. Wie wird denn verkauft? Reden Sie viel?

Wagner: Ich rede schon recht viel am Tisch, unterhalte mich gern. Es gibt allerdings auch recht ernste Pokerspieler, die ihre Ruhe wollen, um sich zu konzentrieren. Da ist reden natürlich auch ein Mittel, um sie aus dem Konzept zu bringen.

Alle Tricks sind also erlaubt. Ist es leichter gegen Fremde zu spielen, weil man keine Rücksicht nehmen muss?

Wagner: Eigentlich ist es ein Vorteil, die Mitspieler zu kennen. Ein wichtiger Teil beim Pokerspielen ist Information – und die zu nutzen. Wenn ich weiß, wie ein Spieler tickt, weil ich vielleicht auch schon mal online gegen ihn gespielt habe. Kennt man die Spielweise, dann weiß man vielleicht auch, ob der Gegner gerade „bluffable“ ist oder nicht.

Also ob man lügen kann oder eher nicht... Wenn Sie bei einem Turnier gewinnen, würden Sie sagen, dass es ehrlich verdientes Geld ist?

Wagner: Ich glaube schon. Alle, die bei so einem Turnier teilnehmen, zahlen Startgeld, alle haben dieselben Voraussetzungen. Was sollte daran nicht ehrlich sein? Zum Spaß machen eigentlich sehr wenige mit.

Klingt sportlich. Früher hat man Pokerspielen mit einem Hinterzimmer verbunden, mit Qualm in der Luft und Whisky in der Hand. Etwas anrüchig.

Wagner: Das verbinden Ältere heute noch manchmal damit. Aber das hat mit den Turnieren heute nichts mehr zu tun. Das Anrüchige ist eher was für einen Hollywood-Streifen. Abgesehen davon, dass es in Deutschland verboten ist, um Geld zu spielen.

Also ist Pokern eher ein Sport.

Wagner: Würde ich schon sagen. Es ist ein Denksport, wahrscheinlich am ehesten zu vergleichen mit Schach. Allerdings mit besonderen Eigenschaften. Denn wenn man das Startgeld bezahlt, das bei manchen Turnieren 5000 oder 10000 Euro betragen kann, oder man sich bei einem Turnier online qualifiziert, hast du die Möglichkeit, gegen die Besten der Welt zu spielen. Im Fußball kann ich nicht einfach auf den Trainingsplatz beim Club oder den Bayern marschieren, und einen Elfmeter gegen Manuel Neuer schießen.

Noch einmal zum Schach. Da spielt aber doch jeder mit offenen Karten?

Wagner: Nicht wirklich. Denn die Taktik meines Gegners, erkenne ich vielleicht auch nicht sofort – und bluffen ist ein taktisches Mittel.

Haben Sie mit Schach angefangen?

Wagner: Nein, eigentlich mit Mau-Mau. Und dann Rommee und Schafkopf. Und erst vor drei Jahren habe ich mit Pokern angefangen...

...und inzwischen sind Sie auf dem Weg zum Profi, oder? Steile Karriere.

Wagner: Das ist nicht ganz richtig. Es stimmt schon, die vergangenen zwei Jahre war ich bei sehr vielen Turnieren unterwegs. Ich habe einen Contest namens „Live your dream“ gewonnen und wurde jetzt zwei Jahre lang gesponsert. Das bedeutet: Die Anreise zu Turnieren nach Las Vegas, Paris, Spanien, Marokko wurde übernommen, genauso Startgeld und Hotel. Der Vertrag läuft jetzt aus, ob ich weiter so viel reise, weiß ich noch nicht.

Klingt ja auch ganz furchtbar. Mal ehrlich: Sie sind Lehramtsstudent und wollen nächstes Semester ihr Examen machen. Kann man da eigentlich büffeln oder denkt man: Ich könnte ja auch Profi werden?

Wagner: Manchmal fällt es schon schwer. Aber dafür habe ich ja eine Freundin und eine Mutter, die mir in den Hintern treten.

Aha, die wollen Sie wohl gerne „ehrlich arbeiten“ sehen.

Wagner: Meiner Mutter war es zu Beginn schon schwer zu vermitteln, was ich da mache. Und ich habe natürlich auch währenddessen weiterstudiert. Aber sie hat auch eingesehen, dass ich ganz gut Poker spielen kann — und das nicht nur zum Spaß.

Mal was Größeres gewonnen?

Wagner: Ab und zu ist das vorgekommen. Ich bin bei einem Turnier in Paris mit relativ hohen Preisgeldern auf Platz fünf gelandet, bei einem Turnier auf Ibiza bin ich am Ende Zweiter geworden.

Hoppla. Sind Sie reich?

Wagner: Reich ist man, wenn man gesund ist, Familie und Freunde hat. Auch vom Kontostand her würde ich nicht sagen, dass ich sehr reich bin.

Gute Antwort. Oder ein Bluff? Letzte Frage: Stimmt es, dass gute Pokerspieler auch Mathe-Asse sind?

Wagner: Nein. Mathe ist wichtig, ein bisschen Wahrscheinlichkeitsrechnung beispielsweise, um auszurechnen, wie die Chancen stehen. Aber ich kann meine Fachrichtung ehrlich gesagt besser gebrauchen.

Sie studieren Sport und Englisch?

Wagner: Richtig. Und Englisch hilft bei der Konversation am Tisch – und einen Zehn-Stunden-Tag am Pokertisch schafft man auch nur, wenn der Körper fit ist. Nur dann kann man auch geistig frisch bleiben. Da gehen bei einigen nach einiger Zeit die Nerven durch. Ganz ehrlich.
 

Keine Kommentare