Nürnberger Einheit: Kinder sind im Nachteil
27.02.2010, 00:00 Uhr
«Für uns kam der Rücktritt überraschend. Er hat private Gründe für seinen Schritt genannt«, sagte Hassan Khalaf. Aamir selbst äußerte sich nicht zu seinem plötzlichen Verzicht.
«Kinder werden dümmer gemacht«
Der aus Ägypten stammende Khalaf war in den vergangenen Jahren im bisherigen Ausländerbeirat aktiv. Er und seine Mitstreiter haben zum Teil in der eigenen Familie erlebt, dass Kinder in der Grundschule «dümmer gemacht werden«, als sie eigentlich sind. Ihrer Erfahrung nach wird der Übertritt an weiterführende Schulen oft regelrecht verhindert. Auch an dieser Stelle will die «Nürnberger Einheit« im neuen Integrationsrat Besserung erreichen.
«Für Migrantenkinder und ihre Eltern ist es vielfach zu früh, schon in der vierten Klasse eine Entscheidung über den weiteren Bildungsweg zu treffen«, betont Süleyman Yildirim, einer der jetzt noch elf Bewerber für die Wahl im März, «bei vielen platzt der Knoten später, weil sie häufig sprachlich einiges aufholen müssen.« Yildirim, der am islamisch-christlichen Dialog beteiligt ist, vermisst ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen der Schule und den betroffenen Eltern. «Die trauen sich oft einfach nicht, dorthin zu gehen«, meint er. Die Kinder kämen dann häufig nicht mehr weiter als bis zur Hauptschule.
Motivation der Eltern stärken
Diese Situation ist für Mehmet Ali Celikoglu einer der Hauptgründe, sich für einen Sitz in dem neuen Gremium zu bewerben. Bei seinen eigenen vier Kindern hat er die Benachteiligung selbst erlebt.
Die Noten waren gar nicht so schlecht, aber die Lehrer würden nichtdeutschstämmige Schüler erst gar nicht für höhere Schulen empfehlen, weil sie dort wenig Unterstützung von zu Hause bekämen und dann scheiterten. Celikoglu, dessen Kinder es am Ende in die Realschule geschafft haben, liegt deshalb besonders viel daran, die Motivation der Väter und Mütter zu stärken.
Gleiche Bildungschancen
Für die «Nürnberger Einheit« steht die Forderung nach gleichen Bildungschancen für Migrantenkinder ganz oben. Eine Mindestquote für Beschäftigte mit Migrationshintergrund in der Stadtverwaltung und in städtischen Unternehmen gehört aber ebenso dazu wie eine stärkere Berücksichtigung von Zuwanderern auf den Kandidatenlisten der deutschen Parteien oder die Gleichbehandlung der Religionen.
Die Gruppe hält viel auf ihre Vielfalt bei Nationalitäten - türkischstämmige Bewerber sind auf der Liste allerdings in der großen Überzahl - und der politischen Orientierung. So ist Khalaf bei der FDP, während Yildirim SPD-Mitglied ist. Zu einem Beraterteam gehört unter anderem Ümit Sormaz (CSU). Er ist Geschäftsführer des «Intelligenzknotens« in der Färberstraße, eines Unternehmens, das im Bereich Schule und Bildung tätig ist. Es bietet Förderkurse, Nachhilfe oder Coachings an. Sormaz und seine Helfer organisieren eine Art Werbe-Tour für die Kandidaten. Sie wollen verschiedene Migrantenvereine und die Stadtratsfraktionen besuchen, aber auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf). «Ein besonderes Anliegen ist es uns, möglichst viele Wahlberechtigte dazu zu bringen, dass sie auch tatsächlich zur Abstimmung gehen«, meint Sormaz.
Die komplette Kandidatenliste «Nürnberger Einheit«: Fatih Cakiray, Mehmet Ali Celikoglu, Chasan Efendi Chalit, Nida Kocabas, Hassan Khalaf, Odell Riley, Aydin Özcan, Erdal Ruc, Salim Muhammad, Nihal Toptas, Süleyman Yildirim.