Nürnberger Schausteller im Lockdown: "Hoffnung, dass es irgendwie weitergeht"

Claudia Beyer

NN Lokales

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3.4.2021, 06:00 Uhr
Gebrannte Mandeln, Schoko-Früchte, Lebkuchenherzen und mehr: Hans und Beatrice Dreyer mit Sohn Charles in ihrer Mandel-Hütte, die im März zwei Wochen lang an der Lorenzkirche stand.

© Roland Fengler, NNZ Gebrannte Mandeln, Schoko-Früchte, Lebkuchenherzen und mehr: Hans und Beatrice Dreyer mit Sohn Charles in ihrer Mandel-Hütte, die im März zwei Wochen lang an der Lorenzkirche stand.

"Wenn die ersten Sonnenstrahlen wärmen, man den Frühling riecht – dann holen wir unseren Wohnwagen aus der Halle, die Fahrzeuge werden startklar gemacht. Dann wollen wir raus", erzählt Hans Dreyer mit leuchtenden Augen. Traditionell hätte das Nürnberger Frühlingsfest mit dem Bieranstich am Karsamstag den Start in die Saison markiert. Doch dieses Ostern ist alles anders. Zum zweiten Mal in Folge.

Eine Lebenseinstellung

Karl Krug (li.), der Opa von Beatrice Dreyer, mit seiner Artistengruppe im Jahr 1939.  

Karl Krug (li.), der Opa von Beatrice Dreyer, mit seiner Artistengruppe im Jahr 1939.   © Foto: privat

Der 38-Jährige und seine Frau Beatrice sind Schausteller mit Leib und Seele – bereits in der sechsten Generation. "Ich bin groß geworden auf dem Volksfest, ich kenne nichts anderes", sagt die Nürnbergerin. "Wir hängen an dem Beruf, es ist eine Lebenseinstellung", ergänzt ihr Mann. Er holt sein Handy hervor und zeigt ein Schwarz-Weiß-Foto von 1939. Eine Artistengruppe, er deutet auf den Mann ganz links, das sei der Großvater seiner Frau.

Normalerweise würde das Ehepaar jetzt mit seinem Sohn im Wohnwagen auf dem Volksfestplatz campieren. In nächster Nachbarschaft zu Beatrices Eltern, die den Autoscooter betreiben. An der anderen Ecke steht ihr Bruder mit seiner Losbude und die Patentante mit Pizza.

Neben der finanziellen Misere ist das Schlimmste, so die 36-Jährige, "dass die ganzen persönlichen Kontakte wegbrechen, wir müssen unser Leben auf dem Volksfest aufgeben. Das fehlt mir wahnsinnig!" Die Schaustellerwelt ist klein, man müsse sie sich wie ein Dorf vorstellen. Es sei das erste Mal, dass sie dauerhaft in ihrer kleinen Wohnung in Nürnberg festsitzen. Und so fühlt es sich für Beatrice Dreyer immer noch an wie im Film: "Unwirklich".

"Es ist voll blöd"

Herzen voller Hoffnung: Der Stand der Dreyers an der Lorenzkirche.

Herzen voller Hoffnung: Der Stand der Dreyers an der Lorenzkirche. © Roland Fengler, NNZ

Die Familie wohnt in Mögeldorf im Osten Nürnbergs. Und hat Sehnsucht. Selbst der siebenjährige Charles vermisst sein Kinderzimmer im Wohnwagen, "das ist viel größer" als in der Wohnung, in der sie sonst nur wenige Monate im Jahr leben. "Es ist voll blöd", sagt der Junge, "auf dem Volkfestplatz sind meine ganzen Freunde."

Bei ihm steht nun Homeschooling auf dem Programm. Charles geht in die zweite Klasse. "Normalerweise ist er während der Schulzeit bei der Oma oder bei mir", ergänzt seine Mutter. Die Eheleute sind vor allem im nordbayerischen Raum unterwegs, da fährt sie immer mal wieder heim.

Abgesagt: Das Nürnberger Frühlingsvolksfest 2021.

Abgesagt: Das Nürnberger Frühlingsvolksfest 2021. © Roland Fengler, NNZ

Auch haben die Dreyers viele feste Termine in Nürnberg: Neben dem Frühlings- und Herbstfest sind sie stets bei der Johanniskirchweih und der Kärwa in Eibach präsent sowie mit ihrem Brezen-Haus auf der Kinderweihnacht. Normalerweise. Dabei ziehen sie von einer Veranstaltung zur nächsten – ohne Pause. Der letzte Urlaub ist schon sechs Jahre her. Eine Woche Ägypten.

Die Familie besitzt einen Fuhrpark von zehn Fahrzeugen mit zwei Zugmaschinen. "Alles in einer Gewerbehalle eingelagert", sagt der 38-Jährige, rund 30 Kilometer von Nürnberg entfernt, "aber die Kosten laufen weiter". Da reichen die staatlichen Hilfen nicht aus: "Unser Polster haben wir längst aufgebraucht."