Nürnbergs Erster wird 45
10.10.2018, 08:00 Uhr
Fast sein halbes Leben hat Filip auf dem Bauspielplatz Langwasser verbracht, was nach viel klingt, aber er ist erst elf Jahre alt. "Es gefällt mir hier einfach", erzählt er, während er souverän über die Anlage führt, die jeder – auch er – einfach nur "Baui" nennt. Er ist an diesem Samstag der Gästeführer für die Besucher des 45. Baui-Geburtstags. Er zeigt die alten und neuen Bauwerke, etwa eine Brücke, die in diesem Sommer gebaut wurde und für die er viel Holz gesägt hat. Und stellt die zehn Hühner vor, etwa "Rock ’n’ Roll" (wenig Federn, Wuschelfrisur), und Hahn Rudi. Hähne erkennt man übrigens daran, dass sie mehr Federn an ihren Beinen haben als die Hennen, erklärt Filip.
Inge Trepte hat mehr als ihr halbes Leben auf dem Baui verbracht, einige Jahre mehr als Filip, denn sie ist 62. So hat sie noch mit dem Zimmermann Erwin Götz gearbeitet, der den Baui im September 1973 eröffnet und in den ersten Jahren allein geführt hat. "Eine Legende", berichtet sie. "Er hat sich zugetraut, den ersten Aktivspielplatz in Nürnberg zu eröffnen, und er hatte Erfolg." Fünf Jahre später schuf das Jugendamt die zweite Stelle, ihre Stelle, und seitdem hat sie nie woanders arbeiten wollen.
Viele Beschwerden am Anfang
In den ersten Jahren haben sich die Nachbarn sehr über den Platz beschwert, erzählt Trepte. Wegen des Kinderlärms etwa oder wegen des Lagerfeuerrauchs. "Lieber hätten sie einen Manöverplatz hier gehabt", scherzt sie. "Aber heute wird sogar das Krähen unseres Gockels ausgehalten." Auch der damalige Jugendamtsleiter habe dem Projekt maximal zwei Jahre gegeben. Ein Irrtum, wie sich herausstellte: Das Modell machte Schule, mittlerweile gibt es 17 Aktivspielplätze in Nürnberg.
Groß feiern habe man eigentlich nicht wollen, entsprechend klein sei auch die Ankündigung ausgefallen. "Das 50-Jährige, das wird wieder ein großes Fest", verspricht Trepte. Heuer haben Eltern, Erzieher und Trägerverein einfach ein paar Kuchen gebacken, Kaffee gekocht, Chili und Kürbissuppe gekocht. Die Kinder spielen Dosenwerfen. Und natürlich wird gehämmert und gesägt, denn das hier ist ein Bauspielplatz. Treptes Kollege Joachim Ueberall steht mit den Kindern auf dem Bauplatz, hier entstehen heute Eulen- und Monstergesichter, unter anderem mit Nagelaugen.

Trepte nutzt den Tag, um dankbare Worte zu finden. Der städtische Betriebskostenzuschuss von 20 000 Euro reiche natürlich nicht aus für einen Ganzjahresbetrieb, aber es gebe allerlei Unterstützer. Etwa die Sparkasse, die Wohnungsbaugesellschaft Nürnberg, den Münchner Verein "Children for a better world" oder die Firma I.K. Hofmann, die die Stadtteilpatenschaft für Langwasser innehat.
Doch die Dinge hätten sich nicht nur positiv entwickelt. Die Pisa-Studie merke man auf dem Baui ebenso wie das achtjährige Gymnasium (G 8). So ist es fraglich, wie lange etwa Filip noch hier sein kann: "Wenn die Kinder in der fünften Klasse sind, kommen die heutzutage kaum mehr aus dem Schulalltag heraus", sagt Trepte. "Die haben überhaupt keine Zeit mehr zum Spielen." Früher hätten die Kleinen noch von den Großen lernen können, die in einigen Dingen die besseren Erzieher seien als Erwachsene. Aber es gibt hier keine Großen mehr.
Wie wichtig Spielen sei, kann die Erzieherin kaum in Worte fassen: "Das ist so vielschichtig, das kann man auf einen Ratsch gar nicht sagen, was da alles dazugehört." Man lerne Konfliktbewältigung, schließe Freundschaften und löse sie wieder auf, streite sich, und nicht zuletzt könne man seine Fantasie ausleben. Statt dieser wichtigen Dinge lerne man nur noch für die Schule statt fürs Leben. "Was tun wir als Gesellschaft unseren Kindern nur an?"
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