Revolution in der Fabrik
15.07.2011, 00:00 Uhr
Es ist Sonntagvormittag und du willst dir ein paar Spiegeleier braten. Aber als du die Pfanne aus dem Schrank nimmst, bricht der Griff einfach ab. Falls du keine zweite Pfanne besitzt, hast du heute – im Jahr 2011 — nur eine Option: Warten auf Montag – und eine neue Pfanne kaufen. Erst dann kann’s Spiegeleier geben.
In zehn Jahren hast du eine viel bessere Option: Du suchst dir eine schöne neue Pfanne im Internet aus und lädst die dazugehörige Software runter (natürlich gegen Gebühr). Dann spielst du die Software auf deinen Hausgeräte-Neuanfertigungsautomaten, der 2021 in jeder Küche stehen wird. In dem Gerät formt ein Laserstahl aus einem Pulver deine neue Spezialkunststoff-Pfanne.
Diese Vision Wirklichkeit werden zu lassen, ist das Ziel des neuen Erlanger Sonderforschungsbereiches (SFB) „Additive Fertigung“. „Der Begriff beschreibt Produktionstechnologien, bei denen Bauteile unmittelbar aus einem Computermodell heraus schichtweise gefertigt werden“, erklärt Prof. Dietmar Drummer, Leiter des Erlanger Lehrstuhls für Kunststofftechnik und Sprecher des SFB. Mit Hilfe „additiver Fertigung“ lassen sich nahezu beliebig komplexe Gegenstände aus Kunststoff und Metall ohne Form und Werkzeug herstellen.
Die grundsätzliche Möglichkeit, mit Hilfe eines Lasers Dinge schichtweise aus Pulver „aufzuschmelzen“, ist seit gut 20 Jahren als „Rapid Prototyping“ bekannt. Aber: „Die so erzeugten Gegenstände, sind wie der Name sagt, Prototypen. Die können Sie in die Vitrine stellen, aber niemals unter realistischen Bedingungen benutzen“, sagt Drummer.
„Wir wollen diese Methode so weiter entwickeln, dass sie eben nicht nur für Prototypen, sondern für die echte Serienfertigung in der Industrie einsetzbar wird“, erklärt Drummers Mitarbeiter Florian Kühnlein, der als Geschäftsführer des SFB fungiert.
Konkret heißt das: Ähnlich wie es heutige Drucker erlauben, am Bildschirm erstellte Grafiken auf Papier zu bannen, so sollen Metall- oder Kunststoffteile mit Computerhilfe konzipiert und per Mausklick in die Fertigung gegeben werden.
Für die Industrie bedeutet das: Sie kann Investitionen in Werkzeugformen einsparen und braucht keine Mindeststückzahlen, um kostendeckend zu arbeiten. In dem SFB arbeiten Ingenieure, Werkstoffwissenschaftler, Chemiker und Mathematiker von acht Erlanger Uni-Lehrstühlen und dem Bayerischen Laserzentrum zusammen. „Wir wollen die gesamte Prozesskette beleuchten – vom Ausgangswerkstoff über die Anlagentechnik bis zur Simulation der Produkteigenschaften und deren Qualitätskontrolle“, erläutert Drummer.
Ein besseres Verständnis des Verhaltens von Pulvern in der Fertigung soll zum Beispiel den Weg zu neuen, optimierten Pulverwerkstoffen weisen. Außerdem sollen die Produktionsprozesse stabiler und die Simulationen exakter werden.
Ein Beispiel für die Anwendungsmöglichkeiten der additiven Fertigung ist die Medizintechnik: Implantate oder Prothesen könnten schon bei der Herstellung den Patienten individuell angepasst werden. Und nicht zu vergessen: Der Hausgeräte-Neuanfertigungsautomat stellt alles neu her, was daheim kaputt geht.