Schmuck, Münzen, Waffen: Das wird in Nürnberg versteigert
27.10.2019, 06:00 UhrEinmal ein Polizeiauto fahren, das wünschen sich viele Jungs. Zwei junge Männer haben sich den Traum erfüllt. Der Schriftzug "Polizei" und das Wappen sind längst von dem Transporter entfernt, der charakteristische grüne Streifen aber ist noch zu sehen. Knapp hinter der Nürnberger Stadtgrenze laden sie den VW auf einen Abschleppwagen. Dass sie das Abschleppauto benötigen, haben sie eineinhalb Stunden vorher noch nicht gewusst, als sie den unscheinbaren Parkplatz in der Fürther Weinstraße angesteuert haben. Dort bittet das Zentralfinanzamt Nürnberg zur Auktion von Kraftfahrzeugen.
Kurioses reiht sich hier oft aneinander: Ein BMW-Motorrad parkt neben einem Traktor, drei Roller neben einem Bagger, ein Sportwagen neben einem alten Opel Corsa. Eine Zusammenstellung, die so auch bei einem Gebrauchtwagenhändler wohl kaum zu finden ist. Das Zentralfinanzamt sucht sich nicht aus, was es verkauft. Sondern nimmt, was es kriegt – und gibt es weiter. "Die Sachen stammen aus amtlichen Vollstreckungsverfahren, von Staatserbfällen, von Behörden oder der Polizei", erklärt Christine Staubwasser. Sie ist Regierungsdirektorin im Zentralfinanzamt.
Online muss sein
Wenn Finanzamt oder Staatsanwaltschaft pfänden, ein Verstorbener keinen Rechtsnachfolger einträgt, die Polizei Gegenstände sicherstellt, die nicht mehr an die Besitzer herausgegeben werden können, werden die Sachen nach einer gewissen Zeit wieder verkauft. Alle acht Wochen finden dazu Versteigerungen im Zentralfinanzamt Nürnberg statt, das dafür sogar einen eigenen Raum hat.
Versteigert wird alles, von Uhren über Schmuck, Elektrogeräte, Kleidung, Münzen, Sportgeräte bis hin zu Waffen. Nur eines müssen die Dinge gemein haben: "Sie müssen wirtschaftlich sinnvoll sein", sagt Staubwasser, "der zu erwartende Erlös sollte also höher sein als die Unkosten, die durch Transport oder Schätzung entstehen." Seit es das Finanzamt in Nürnberg gibt, finden hier Auktionen statt. Mitmachen darf jede geschäftsfähige Person.
Seit 2004 versteigert das Finanzamt Sachen auch im Internet. Daran kommt keiner vorbei, der etwas verkaufen will. Das weiß auch Auktionsprofi Eva Franke. Ihr gehört das Auktionshaus in Buchenbühl, das ihren Namen trägt. Heuer feiert sie mit ihren 14 Mitarbeiterinnen Zehnjähriges. Begonnen haben sie zu dritt. Ein Zeichen für den Boom in der Branche? Eva Franke differenziert: Zwar gibt es im Moment viel zu versteigern, die Preise sind dafür niedrig.
"Jeder kann sich heute eine Antiquität leisten", sagt sie. Vor Versteigerungen wie vor einer Woche sind die Vitrinen im Auktionshaus prall gefüllt, "alles ist zu verkaufen", sagt Franke, während sie zwischen Biedermeier-Möbeln, reich verziertem Porzellan und schicken Gläsern entlangschreitet. An jedem Stück hängt ein kleiner Zettel, dort sind die Nummer bei der Auktion notiert - und ein Mindestgebot. Los geht’s bei 20 Euro.
Auktionshaus verdient 20 Prozent
Eva Frankes Auktionshaus verdient 20 Prozent an jedem Stück, das einen neuen Besitzer findet. Sie nimmt Artikel nur in Kommission, "das finde ich einfach die beste Variante", sagt die Kunsthistorikerin, auch für diejenigen, die die Sachen verkauft haben wollen. Fast alles, was Franke anbietet, stammt aus Privathaushalten. Teilweise aus Nachlässen, "aber auch von älteren Menschen, die zum Beispiel in eine kleinere Wohnung ziehen". Oder in ein Seniorenheim. Die Generation, die davon jetzt betroffen ist, "hat viel angesammelt", sagt Eva Franke. Menschen, die den Krieg oder die Zeit danach erlebt haben und sich bis heute schwer von Dingen trennen. "Die Kinder aber wollen eben nicht alles."
Eva Franke nimmt sie gerne. Solche Antiquitäten und Raritäten zu erhalten, ist ihr wichtig, genauso wie deren Wertschätzung. "Das ist alles Handarbeit, kein Plastik aus irgendeiner Fabrik", sagt sie. Für sie passen Versteigerungen deshalb auch zur Klimadebatte. "Es geht schließlich um Nachhaltigkeit." Gerne will sie deshalb auch jüngere Menschen dazu bringen, auf Auktionen zu gehen. Sie postet auf Instagram, Facebook, sie streamt ihre Auktionen im Netz. Online wird natürlich auch geboten, "die Hälfte des Geschäfts läuft über das Internet". Bei der Auktion vor Ort ist das Publikum aber doch eher 50, 60 Jahre oder älter.
Immer wieder bringen Eva Frankes Kunden echte Schätze nach Buchenbühl, zuletzt einen Keramikkrug, gestaltet von Pablo Picasso. Oder eine Vase in einer Bronzemontierung von Otto Eckmann. Für die beiden Objekte liegen die Höchstgebote am Ende bei 2600 beziehungsweise 3600 Euro. Aber auch der Vitrinenaufsatzschrank (850 Euro) oder die Swarovski-Seerose (100 Euro) haben nun einen neuen Besitzer. Wofür nicht geboten wurde, bietet Franke nun im Nachverkauf an.
Auktion in Nürnberg: Hitler-Bilder finden keinen Käufer
Außergewöhnliches hat auch das Zentralfinanzamt schon verkauft. Eine pinkfarbene Geige beispielsweise, eine Comicsammlung, 41 Jules-Verne-Bände und sogar eine vollständige Hoteleinrichtung. Im DB-Museum dagegen wissen Bieter manchmal gar nicht, für was sie die Nummer heben. Einmal im Jahr werden dort fünfzig "Überraschungskoffer" versteigert – die allerdings im Zentralen Fundbüro der Deutschen Bahn in Wuppertal überprüft werden, um verderbliche Lebensmittel, Unterwäsche oder Medikamente zu entfernen, zählt Janina Baur auf. Sie ist Presse-Referentin des DB-Museums.
Hier kommt aber auch unter den Hammer, was in Zügen und am Hauptbahnhof liegen bleibt und nach 90 Tagen niemand abgeholt hat. Handys beispielsweise, Tablets, Spielwaren. "Vor drei Jahren haben wir zum Beispiel ein neues, ungetragenes Brautkleid versteigert. Es war sogar noch das Preisschild dran."
Vom Airport ins Fundbüro
Der Erlös fließt in das Fundsachenmanagement der DB, "deckt dort aber nur einen Bruchteil der Kosten", sagt Baur. Deutschlandweit werden jährlich etwa 250.000 Gegenstände in Bahnhöfen und Zügen gefunden. 60 Prozent der Sachen finden den Weg zurück zum Eigentümer.
Versteigerungen finden am Flughafen Nürnberg nicht statt. Was in den Flugzeugen liegen bleibt, wird an die Fluggesellschaften übergeben. "Die haben eigene Fundbüros", erklärt Pressesprecher Christian Albrecht. Was am Airport zurückbleibt, "wird bei uns gesammelt und nach einem gewissen Zeitraum an das städtische Fundbüro übergeben".
Dort müssen die Sachen ein halbes Jahr liegen, ehe sie versteigert werden – und zwar online über die Plattform sonderauktionen.net Zuständig ist für die Online-Auktion der Stadt Nürnberg die Noa.kommunal. "Die erste Versteigerung fand im Mai 2017 statt", weiß Susanne Brandes. Sie arbeitet bei der Tochtergesellschaft der Stadt.
Acht Online-Auktionen haben bisher stattgefunden – und noch "konnten wir fast immer alle Artikel an einen glücklichen Käufer weitergeben". Besonders beliebt sind die Fundfahrräder, aber auch hier tauchen immer wieder überraschende Gegenstände auf. In der kommenden Auktion beispielsweise eine Posaune. Wer die bekommt, zeigt sich am 7. November. Dann heißt es: Zum Ersten, zum Zweiten und zum Dritten.
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