Spiele-Entwickler aus Nürnberg erobern mit Videospiel die Welt

Timo Schickler

Lokalredaktion Nürnberg

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14.5.2021, 07:35 Uhr
So sieht es aus: Das Spiel "Can't Drive This" von den Pixel Maniacs.

© privat, NNZ So sieht es aus: Das Spiel "Can't Drive This" von den Pixel Maniacs.

Sie haben mit ein paar Apps angefangen, daraus noch mehr Apps gemacht und zwei Computerspiele. Nun hat die Nürnberger Firma Pixel Maniacs ihr Renn-und-Plan-Spiel "Can't Drive This" für alle Spielkonsolen und in 14 Sprachen auf den Markt gebracht. Gekostet hat das viel Geld - und jede Menge Nerven, weiß Spiele-Entwickler Benjamin Lochmann.

Seit fünf Jahren arbeitet euer Team an einem Spiel, das es jetzt auf der Konsole gibt. Mal ehrlich: Seid ihr faul?

Benjamin Lochmann: Wie fies! Nein, sind wir nicht. Wir haben seit fünf Jahren in Vollzeit an „Can't Drive This" gearbeitet. Der Grund ist schlichtweg die Komplexität von Software-Produkten.

Benjamin Lochmann ist Chef der Pixel Maniacs.

Benjamin Lochmann ist Chef der Pixel Maniacs. © privat, NN

Warum macht die Sache so komplex?

Benjamin Lochmann: Konsumenten – und leider auch Produzenten – unterschätzen leicht, wie viel Aufwand ein Konsolenspiel ist. Das gilt für jedes einzelne Objekt in der Welt, in der das Spiel stattfindet. Gibt es in einem Rennspiel ein Auto, muss alles daran gezeichnet und in einen 3-D-Raum gebracht werden. Das fängt mit Rädern an, die sich drehen, und reicht bis zu irgendwelchen Extras, die man am Auto anbringen kann.

Sind die denn so wichtig?

Benjamin Lochmann: Ja, denn diese Zusatzobjekte sind eine Motivation für viele Spielerinnen und Spieler, weiter zu zocken. Aber auch die Programmierung ist aufwändig.

Für den PC oder für die Konsole?

Benjamin Lochmann: Für alles. Unser Spiel gibt es jetzt am PC, aber man kann es auch auf der PlayStation 4 oder 5, Xbox One und der Nintendo Switch spielen. Und jede Konsole hat unterschiedliche Anforderungen, das fängt schon bei den Controllern an, die sich auch noch überall auf der Welt unterscheiden.

Wenn ich in Japan also X drücke…

Benjamin Lochmann: …ist das wie unser O. Das klingt nach einer kleinen Änderung, zieht aber einen langen Rattenschwanz nach sich. In jedem Text und in jeder Grafik, die die Steuerung erklären, muss das angepasst werden. Wir haben das Spiel außerdem in 14 verschiedene Sprachen übersetzen lassen. Bei Spanisch oder Englisch schaffen wir das selbst. Aber bei Chinesisch oder Koreanisch?

Puh, das ist wohl eher schwierig.

Benjamin Lochmann: Genau. Und das mit dem kleinen Budget. Also haben wir zum Beispiel Thai-Restaurants in unserem Dorf angerufen und die haben unser Spiel getestet. Und nebenbei mussten wir uns in allen Ländern um Alterszertifikate bemühen, unser Spiel ist ja ein Familienspiel. In Japan zum Beispiel darf das aber nur eine Person vor Ort beantragen. Also haben wir da Kontakte gesucht.

Ich bin überzeugt: Ihr seid nicht faul gewesen.

Benjamin Lochmann: Dann kommt ja erst das Marketing, das muss parallel laufen. Wegen der Vielzahl an Spielen muss man es schaffen, aus der Masse herauszustechen. Wir sind deshalb auf vielen Plattformen aktiv, auf TikTok, zu finden unter benlochmann, haben wir in einer Art Tagebuch 90.000 Follower über die Entwicklung unseres Spiels auf dem Laufenden gehalten. Und mehr noch.

Steve Crouse und Benjamin Lochmann haben es geschafft - und baden in ihrem Videospiel.

Steve Crouse und Benjamin Lochmann haben es geschafft - und baden in ihrem Videospiel. © privat, NNZ

Zum Beispiel?

Benjamin Lochmann: Wir haben zu Ostern viele unserer Konsolen hier in Nürnberg im Wald versteckt. Als Osterei sozusagen. Suchen muss aber keiner mehr, inzwischen sind alle gefunden.

Kreativ muss man sein. Ihr zieht euch angeblich auch aus?

Benjamin Lochmann: Genau, einmal im Jahr für einen Kalender. Der wird dann für einen guten Zweck verkauft. Dieses Jahr kamen 4.000 Euro zusammen, das ging an Sea Watch.

Zurück zum Spiel: Gab es Momente, in denen ihr gedacht habt: Das wird nichts mehr.

Benjamin Lochmann: Wir waren uns immer sicher, dass wir das schaffen. Unsicher waren wir uns nur bei ein paar Funktionen. Wir haben viel Zeit investiert, damit auch vier Spieler online zusammen zocken können. Aber nach Wochen mussten wir abbrechen, weil es zu aufwändig war.

Das frisst Zeit. Noch mal zu den fünf Jahren: Wie hält man sich da finanziell über Wasser?

Benjamin Lochmann: Wir haben vor „Can't Drive This“ ein Spiel namens "ChromaGun" herausgebracht, das uns etwas Geld gebracht hat. Dazu haben wir viele Apps entwickelt, zum Beispiel ein Stadt-Land-Fluss-Spiel. Das wird bis jetzt gespielt und bringt Werbeeinnahmen. Wie ein paar Webseiten, die wir betreiben. Außerdem haben wir vom FilmFernsehFonds Bayern 130.000 Euro Förderung bekommen.

Was kostet denn die Entwicklung so eines Spiels?

Benjamin Lochmann: Insgesamt 500.000 Euro. Tatsächlich haben wir den Aufwand massiv unterschätzt. Wir sind mal von etwas mehr als der Hälfte ausgegangen.

Wo habt ihr euch vertan?

Benjamin Lochmann: Es hat ein Jahr gekostet, das Spiel auf allen Konsolen fehlerfrei zum Laufen zu bringen. Uns war nicht bewusst, in welcher Detailtiefe die Spiele von den Herstellern getestet werden. Aber das ist wichtig, damit das Spiel fehlerfrei läuft.

Das tut es jetzt. Spielt ihr es selber? Oder habt ihr die Nase voll?

So feiern die Pixel Maniacs - vor Corona. Und bevor ihr sie ihr Spiel auf allen Konsolen rausgebracht haben.

So feiern die Pixel Maniacs - vor Corona. Und bevor ihr sie ihr Spiel auf allen Konsolen rausgebracht haben. © privat, NNZ

Benjamin Lochmann: Bei jeder Neuerung testen wir das Spiel natürlich ausgiebig selbst. Wir alle zocken und können gut einschätzen, was Spaß macht oder nicht. Nach vier Jahren verringert sich der Spaß aber etwas, vor allem bei den Programmierern, die Hunderte, wenn nicht Tausende Stunden im Spiel verbracht haben, um einen kleinen Fehler zu finden, der nur alle paar Hundert Runden auftritt.

Aber das Testen könnt ihr doch auslagern. Den Job will doch jeder.

Benjamin Lochmann: Das hören wir tatsächlich öfter! Aber ganz ehrlich: QA, also Qualitätssicherung, macht keinen Spaß. Zumindest mir nicht.

Oha. Wie das?

Benjamin Lochmann: Du gehst nach jeder Änderung dieselben Funktionen durch und testest immer wieder dieselben Abläufe, um herauszufinden, ob irgendetwas eventuell bei der letzten Änderung am Spiel kaputtgegangen ist. Ein kleines falsch gesetztes Zeichen im Quelltext des Spiels kann dafür sorgen, dass irgendeine Kleinigkeit nicht mehr funktioniert.

Und wann kommt dann der Spaß?

Benjamin Lochmann: Aber es ist total spannend, neue Spielmodi zu probieren, mit Gamern auf Messen zu zocken. Wenn man dann sieht, dass das Game bei den Menschen Emotionen weckt und sie sich gegenseitig anbrüllen, negativ wie positiv, hat sich der ganze Aufwand der letzten Jahre rentiert.

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