Steiniger Weg in den Alltag: Franke besiegt Krebs - und hilft jetzt anderen

Andre Fischer

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5.12.2020, 18:59 Uhr
Werner Semeniuk wäre an Kehlkopfkrebs fast gestorben, aber er hat nicht aufgegeben. 

© e-arc-tmp-20201130_164237-1.jpg, NZ Werner Semeniuk wäre an Kehlkopfkrebs fast gestorben, aber er hat nicht aufgegeben. 

Werner Semeniuk, 71 Jahre alt, wurde 2003 der Kehlkopf entfernt und er musste wieder Sprechen und Essen lernen. Wer aber mit ihm am Telefon spricht und ihn nicht sieht, der merkt fast keinen Unterschied zwischen dem Sprechen mit einer Stimmprothese und dem normalen Sprechen über einen Kehlkopf. Seine Erfahrungen gibt mit der Krankheit gibt Semeniuk seit 16 Jahren als Patientenbetreuer an Betroffene weiter. Er will den Menschen nach der schrecklichen Diagnose helfen.

"Es war um Weihnachten herum und ich hatte immer wieder Halsschmerzen. Als ich die Diagnose Kehlkopfkrebs bekommen habe, war ich am Boden zerstört." Ursache für Kehlkopfkrebs kann Rauchen, aber auch ein Gendefekt sein. Ärzte schätzen, dass mindestens 50 Prozent der Fälle auf Rauchen zurückzuführen sind. Rund 20.000 Menschen in Deutschland sind derzeit von Kehlkopfkrebs betroffen.

Dass Semeniuk den Menschen helfen will, war seine Idee. "Ich wurde selber sehr gut operiert und musste keine Chemotherapie machen und auch nicht bestrahlt werden." Schon ein Jahr nach seiner Operation versuchte er, mit seinen Erfahrungen anderen Mut zu machen. Er will mit seinem eigenen Schicksal zeigen, dass auch nach der Operation das Leben weitergeht und man mitreden kann. Aber man muss sich anstrengen.

Ohne Training geht nichts

Semeniuk hat eine Ausbildung als Patientenbetreuer gemacht und übte seine Tätigkeit am Klinikum Nord und an der Uni-Klinik in Erlangen aus. Er wird in der Regel vom behandelnden Professor angefordert, um mit den Menschen zu reden, bevor sie operiert werden. "Bei den Aufklärungsgesprächen soll möglichst auch der Partner dabei sein, denn der oder die, die operiert werden, liegen mit dem Kopf schon im Operationssaal." Von der Krankheit sind meistens Männer betroffen, aber die Zahl der Frauen nimmt seit ein paar Jahren deutlich zu. "Ich weise darauf hin, dass man selber etwas tun muss, von selbst geht nichts." Nach der Operation müssen das Schlucken, das Trinken, das Atmen und das Sprechen wieder gelernt werden.

Doch nicht alle machen mit. "Manche sagen, ich renne doch nicht jede Woche zum Logopäden. Allein kann man sich das neue Sprechen nicht aneignen", erzählt Semeniuk. Er wurde im Februar operiert und konnte schon im Mai sprechen. Einige der an Kehlkopfkrebs Erkrankten, sind über die Diagnose derart verzweifelt, dass sie sich komplett zurückziehen.

Semeniuks jüngster Patient war dreieinhalb Jahre alt, sein ältester 91. Wer sich nur bestrahlen und nicht operieren lässt, muss damit rechnen, dass viel Gewebe verbrannt wird und man nichts mehr schmecken kann. "Die Entscheidung, ob man sich operieren oder bestrahlen lässt, kann einem niemand abnehmen." Wer eine Chemotherapie und Bestrahlung hinter sich bringen muss, hat es jedenfalls deutlich schwerer, ins normale Leben zurückzukehren, ist sich der engagierte Rentner sicher.

Vom Chef abgeschoben

Semeniuk war Vizepräsident vom Verband der Kehlkopfoperierten in ganz Deutschland, er leitete auch den Landesverband und die Nürnberger Selbsthilfegruppe. Er freut sich, dass er bislang vielen Kranken helfen konnte und sie ermunterte, nicht aufzugeben. "Man bekommt ja kein Geld. Es ist ein Ehrenamt. Ich bekomme aber viele positive Rückmeldungen und fühle mich bestätigt, wenn jemand sagt, sie haben meiner Frau sehr geholfen und ihr die Angst genommen."

Semeniuk war im Polizeidienst und wurde nach seiner Operation von seinem Chef abgeschoben. "Er sagte zu mir, dass er mich nicht mehr brauchen könne. Fahren Sie nach Bamberg ins Präsidium, holen Sie sich ihre Papiere und gehen Sie in den Ruhestand. Da war ich erst 54 Jahre alt." Es hat nicht geholfen, dass Semeniuk zeigen konnte, wie er trotz seiner Behinderung arbeiten konnte. Dass er in die Rente abgeschoben wurde, schmerzt ihn noch heute. Doch er konnte sich auf seine Frau und seine Familie verlassen, die ihn wieder aufgebaut haben. Das Umfeld machte es ihm allerdings nicht leicht und er litt unter Witzen. Ein Bekannte bezeichnete ihn als Steifftier, weil er einen Knopf im Hals hat. Semeniuk hat sich aber nicht unterkriegen lassen.

Insgesamt gibt es drei Möglichkeiten eine Ersatzstimme zu erlernen. Semeniuk kann die Verbindung zwischen dem äußerem Luftraum und der Speiseröhre, die ein Ventil im Hals ist, mit dem Finger schließen. Dann versetzt die Luft beim Ausatmen die Schleimhautfalten der Speiseröhre in Schwingungen und ermöglichen eine Stimmbildung. Die einzelnen Methoden benötigen viel Übung, deshalb ist Eingliederung in eine Selbsthilfegruppe sehr wichtig. Die Nürnberger Gruppe hat derzeit 89 Mitglieder. Was ist Glück für einen Mann, der über viele Jahre sehr viel Leid gesehen hat? "Dass ich gesund geblieben bin und dass ich einen jungen Hund habe. Einen Havaneser, der in Oberfranken geboren ist."