Fall 19 der Weihnachtsaktion
Tag der Geburt wurde für Mutter zum Trauma: Ihr Kind kam ohne Beine zur Welt
5.12.2021, 08:18 UhrBen ist ein echter Sonnenschein, mit strahlend braunen Augen und einem umwerfenden zahnlosen Lächeln. Ben ist vier Monate alt und ein Bild von einem Baby. Eigentlich. Denn Ben hat keine Beine, nicht einmal Ansätze davon.
Auch für seine Mutter hat es zwei Seiten. Wenn sich Karin M. (alle Namen geändert) über ihr Baby beugt, strahlt sie, lacht es an, lächelt mit ihm um die Wette. Doch wenn sie über ihr einziges Kind spricht, fließen Tränen. „Ich frage mich, warum er? Warum darf er nicht so wie andere aufwachsen?“ Und: "Wie konnte es soweit kommen?"
Laut Frauenärztin war alles in Ordnung
Bens Behinderung ist für die 30-Jährige noch immer ein Schock. Denn die Schwangerschaft verlief unauffällig. „Ich habe jede Vorsorge wahrgenommen, auf mich geachtet“, sagt sie. Bei den regelmäßigen Untersuchungen hätte ihr die Frauenärztin immer bestätigt, dass alles in Ordnung sei. Mehr noch und fast unvorstellbar: Die Gliedmaßen seien vorhanden, soll die Gynäkologin gesagt haben. Ein anderes Mal wurden die Beine nicht gesehen, aber da bekam sie von ihrer Ärztin zu hören, dass das schon mal sein könne.
Schock nach der Geburt
Aufgrund der Steißlage des Kindes wurde Karin M. schließlich ein Kaiserschnitt empfohlen. Untersuchungen unmittelbar vor der Operation zeigten dann Auffälligkeiten hinsichtlich fehlender beziehungsweise entstellter Gliedmaßen des Kindes, was die Ärzte wenig mitfühlend mit den Worten kommentierten, das würde „ein Überraschungspaket“ werden.
„Und dann legten sie ihn mir so in den Arm. Ohne Beine“, schluchzt Karin M. und wiegt dabei ihr Baby. Sie ist bis heute fassungslos, denn sie ahnte nichts, konnte sich nicht auf diesen Moment vorbereiten, wurde in ein Leben voller Sorgen und tiefer Verzweiflung katapultiert.
Karin M. ist ausgebildete Krankenschwester, hat immer gearbeitet und das gerne, wie sie erzählt. Reichtümer kann man im pflegerischen Bereich nicht anhäufen, aber auch bei Karin M. hat der Verdienst für ein zufriedenes Leben gereicht.
„Ich habe immer auf eigenen Beinen gestanden. Von der Allgemeinheit zu leben, kommt auch jetzt für mich nicht in Frage, dafür bin ich einfach zu stolz“, sagt sie. „Aber jetzt muss ich natürlich erst mal sehen, wie ich mit dem Ganzen zurechtkomme.“ Zumal der Vater des Kleinen sie nicht unterstützt – weder finanziell noch im Alltag.
Sie will es alleine schaffen
Doch Karin M. ist zielstrebig. Für sie war lange vor Bens Geburt klar, sich weiterbilden zu wollen, eine Ausbildung als Heilpraktikerin zu machen. Inzwischen hat sie sich auf einer privaten Akademie angemeldet. Die monatlich 200 Euro dafür stemmt sie vom knappen Elterngeld-Budget.
Sie weiß, dass sie mit ihrem Kind auf sich gestellt ist, nun an einer sicheren Zukunft arbeiten muss. „Ich will ihn ja selbst aufziehen.“ Ihn wegzugeben, kam nie für sie in Frage. Dieser feste Wille beeindruckt auch die Sozialpädagogin vom Caritas-Kinder- und Jugendhaus Stapf, die Karin M. regelmäßig besucht: „Das ist keine Selbstverständlichkeit. Nicht jeder geht mit so einem Schicksalsschlag so selbstlos und verantwortungsvoll um.“
Doch der Weg zur Weiterbildung ist steinig, denn der Unterricht findet an den Abenden auch in Präsenz statt. „Ich habe den Kleinen auch schon ein paar Mal mitgenommen, aber das geht eigentlich nicht für ihn“, sagt Karin M. Das Jugendamt übernimmt aber nur einen geringen Teil für eine Tagesmutter, die ein paar Stunden für Ben da sein könnte, wenn Karin M. die Schulbank drückt. Knapp 280 Euro müsste sie dafür selbst stemmen – doch das ist schier unmöglich.
Ben soll die beste Förderung bekommen
Zudem sie auch ihr Auto unterhalten muss. Denn sie ist viel mit Ben unterwegs: zu Ärzten, Spezialkliniken, zur Physiotherapie. Sie versucht alles zu unternehmen, um ihm die beste Pflege und Förderung zukommen zu lassen. Dazu gehört auch, dass sie selbst mit ihm Übungen machen muss. „Das tut ihm immer weh. Es tut mir leid, dass er das alles erdulden muss.“
Wunsch nach Gerechtigkeit
Ihrem Schicksal ergibt sie sich nicht, sondern stellt sich ihm. Dazu gehört auch, dass sie unter anderem ihre Ärztin rechtlich belangen will. Doch die Anwalts- und Gerichtskosten für so einen Weg sind hoch. „Mir geht es nicht um Schmerzensgeld oder um eine Entschädigung“, wie sie betont. Auch wenn sie weiß, dass sie aufgrund Bens massiver Behinderung in Zukunft auf jeden Euro angewiesen sein wird. Dennoch. „Mir geht es nur um Gerechtigkeit. Wenn ich einen Fehler in meinem Beruf gemacht hätte, hätte ich auch die Konsequenzen tragen müssen“, sagt sie mit fester Stimme. „Diese Verantwortungslosigkeit und das fehlende Feingefühl machen mich immer noch wütend“, sagt sie und wiegt dabei Ben weiter ruhig in ihrem Arm.
Um Karin M. und ihr Kind finanziell unterstützen zu können, bitten wir heute herzlichst um Spenden.
Gezielt und unbürokratisch: So hilft die Aktion "Freude für alle" des Verlags Nürnberger Presse (VNP) Menschen, die ins soziale Abseits und in Not geraten. Sie möchten spenden und sich an der Aktion beteiligen? Dann klicken Sie bitte hier. Alle Fälle der diesjährigen Weihnachtsaktion finden Sie unter diesem Link.
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