Tränen zum Abschied um das Café Wanner
12.10.2005, 00:00 Uhr
Nah am Wasser ist nicht nur das Café Wanner gebaut — mit feuchten Augen nimmt an diesem Nachmittag Pächterin Susan Oeguet von jedem Gast persönlich Abschied.
Rührend drückt die Lokal-Chefin ihre treuen Gäste an sich, streicht ihnen über die Wangen oder über das Haar und nimmt Präsente von ihnen entgegen. Im Gegenzug spendiert sie literweise Sekt.
Der Saal ist voll, wie schon lange nicht mehr. Es scheint, als passe zu den Schlager-Klängen vom „Weißen Mond von Maratonga“ kein Blatt mehr zwischen die Tanzpaare.
„Oje“, winkt Rosa Dengler ab. „Wie lange ich das Wanner schon kenne? Ewig!“, sagt die 76-Jährige. Vor 50 Jahren habe sie hier im Saal schon Walzer oder einen so genannten Dreher getanzt. „So oft wie es ging, bin ich damals als junges Ding zum Dutzendteich raus“, erinnert sich die rüstige Frau.
Für ihre Tischnachbarn Katharina Schmitz (75) und Thomas Kornel (88) liegt buchstäblich das Glück auf dieser Tanzfläche. „Wir haben uns hier kennen gelernt“, erzählt Thomas Kornel. Und Gunda Kolb (75) spricht aus, was an diesem letzten Tag hier wohl alle fühlen: „Mir tut das richtig weh, dass jetzt mit dem Wanner Schluss ist.“ Die Nürnbergerin geht seit Jahren jeden Sonntag hier her, um sich zu bewegen und zu reden.
Die 48-Jährige Wirtin Susan Oeguet betreibt seit fünf Jahren zusammen mit Senka Popovic das Restaurant und den Tanzsaal. Vor zehn Jahren haben die beiden Frauen als Servicekräfte im Wanner angefangen. Ihr Chef und Hauptpächter des Lokals, Pino Fusaro, schloss mit dem Duo einen Unterpachtvertrag ab.
Seit Ende August ist nun klar, dass die Brauerei Gutmann aus dem fränkischen Titting die Traditionsgaststätte übernehmen wird (wir berichteten). In den nächsten Tagen will der neue Eigentümer mit der Generalsanierung beginnen. Obwohl Gerüchte über einen neuen Pächter kursieren, hoffen die Frauen dennoch, dass Gutmann auf sie zu geht. Alexander Brock