Präsenzunterricht oder Homeschooling?
Trotz steigender Infektionszahlen: Kein Homeschooling für Bayerns Schulen geplant
11.11.2021, 10:28 UhrEs war kurz vor den Herbstferien, als für viele Schülerinnen und Schüler, Eltern sowie Lehrkräfte an der Bismarckschule im Nürnberger Stadtteil Schoppershof der Schockmoment eintrat: 56 Corona-Fälle. Aber was hat sich nach einer Woche Ferien getan, wie ist der Stand generell an Nürnberger Schulen und wie soll es weitergehen - vor allem wenn mehr Infektionsfälle an Schulen vorkommen.
An der Bismarckschule, bei der der Grundschulbereich bei dem Ausbruchsgeschehen betroffen war, hat sich die Situation entspannt, wie Monika Ettl vom Staatlichen Schulamt Nürnberg, das für alle Grund- und Mittelschulen in der Stadt zuständig ist, auf Anfrage von nordbayern.de erklärt. Bei der Testung am Montag sind drei neue positive Fälle in der Grundschule hinzugekommen, in der Mittelschule war es nur einer. "Wir sind sehr erleichtert, dass die Zahlen nach unten gegangen sind", so Ettl. Die Schülerinnen und Schüler werden in zwei Gruppen getestet, die einen montags und mittwochs, die anderen dienstags und donnerstags. Am Montag ist bei allen entweder ein Schnelltest durchgeführt oder von zu Hause mitgebracht worden.
Insgesamt sind an Nürnbergs Grund- und Mittelschulen 118 positive Fälle an 36 Schulen hinzugekommen - bei einer Dimension von 25.000 Schülerinnen und Schüler, die sich auf 51 öffentliche Grund- sowie 23 öffentliche Mittelschulen verteilen. Wenn aktuell Kinder oder Jugendliche positive getestet werden, wird eine Woche lang täglich getestet. Somit können Ausbrüche und einzelne infektiöse Kinder herausgefischt werden. In Quarantäne sind derzeit 200 Kinder, darunter befinden sich aber auch noch Betroffene, die bereits vor den Ferien positiv getestet wurden.
"Präsenzunterricht ist unser wichtigstes Gut"
Neben den regelmäßigen Tests besteht aktuell Maskenpflicht - auch am Sitzplatz im Klassenzimmer. Bis einschließlich zur vierten Jahrgangsstufe darf statt einer medizinischen Gesichtsmaske auch eine textile Mund-Nasen-Bedeckung getragen werden. Dadurch müssen bei einem positiven Fall in der Schule nur noch Kontaktpersonen, die beispielsweise mit dem betreffenden Schüler beim Frühstücken ohne Maske zusammensaßen in Quarantäne und nicht mehr die ganze Klasse. "Wir starten besser, als wir aufgehört haben", zeigt sich Ettl zu den Entwicklungen vorsichtig optimistisch und lobt das "großes Verständnis" und die "Eigenverantwortung" der Eltern.
Sollte doch eine Klasse in Quarantäne sein, wird Distanzunterricht angeboten. Ettl stellt aber auch klar: "Präsenzunterricht ist unser wichtigstes Gut." In die gleiche Kerbe schlägt auch das bayerische Kultusministerium. Aus München heißt es auf Anfrage von nordbayern.de: "Der Präsenzunterricht ist das erklärte Ziel an bayerischen Schulen im aktuellen Schuljahr." Nach aktuellem Stand (9. November) seien 0,89 Prozent der Schüler und 0,18 Prozent der Lehrkräfte wegen einer Quarantäneanordnung abwesend. Wie der Präsenzunterricht gewährleistet werden soll, erklärt das Ministerium wie folgt: "Für dessen Aufrechterhaltung wurde ein engmaschiges Sicherheitsnetz geknüpft, das insbesondere aus regelmäßigen Testungen, Impfangeboten, Maskenpflicht, Lüftungskonzepten und Hygieneregeln besteht."
PCR-Pooltests auch in weiterführenden Schulen gefordert
Das Ausbruchsgeschehen an der Bismarckschule wurde vor den Herbstferien bei PCR-Pooltests entdeckt, die momentan an Grundschulen sowie Förderschulen regelmäßig durchgeführt werden. Schülerinnen und Schüler ab der fünften Jahrgangsstufe der anderen Schularten, wie beispielsweise von Gymnasien oder Realschulen, werden dreimal in der Woche per Antigen-Selbsttest getestet, bei denen das Testergebnis unmittelbar einsehbar ist. Das Problem dabei: "Schnell- und Selbsttests haben gegenüber den PCR-Tests eine höhere Fehlerrate", so das Gesundheitsministerium.
Deshalb fordert Martina Borgendale, Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Bayern (GEW), zweimal pro Woche eben jene PCR-Pooltests auch in weiterführenden Schulen - in Kombination mit Luftfilteranlagen in Klassenzimmern. "Das wäre sozialverträglich, würde mehr Sicherheit reinbringen und Präsenzunterricht sicherstellen", erklärt Borgendale und fügt an: "Homeschooling muss das letzte Mittel sein.
Weniger optimistisch ist sie bei der aktuellen Entwicklung. "Ich befürchte, dass wir gerade an den weiterführenden Schulen in die nächsten Schulschließungen rennen könnten." Zwar sei politisch schon versucht worden, das zu verhindern, jedoch häufen sich die positiven Schnelltests. Zwangsweise müssen dann Klassen in Quarantäne, "dann haben wir wieder Distanzunterricht". Borgendale beschreibt: "Es wurde nicht alles getan, um die nächste Welle in Schulen und mögliche Schulschließungen zu verhindern. Das wurmt uns sehr."
"Wir wollen Präsenzunterricht"
Sollte es zum Distanzunterricht kommen, wäre es laut Borgendale wichtig, "dass man den Familien eine Woche Vorlauf gibt, um sich auf die Situation einzustellen". Außerdem sollte die Woche genutzt werden, um sicherzustellen, dass die IT bei den Schülerinnen und Schülern vorhanden ist, die für das Homeschooling benötigt wird und der Distanzunterricht mit Vorlaufzeit ordentlich Vorbereitet werden kann.
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"Wir wollen Präsenzunterricht", sagt auch Sandra Schäfer vom Nürnberger Lehrer- und Lehrerinnenverein (NLLV). Wenn es doch anders kommen sollte, ist ihr die Kommunikation wichtig. Auch Schäfer möchte mehr Vorlaufzeit für so ein Szenario und nicht von Freitag auf Montag reagieren müssen. "Die Möglichkeit auf Vorbereitung ist eingeschränkt. Ein sehr kurzfristiges Reagieren ist für Schulen fatal, weil es nervös macht und Unruhe stiftet." Zudem kämpft man an Grund-, Mittel- und Förderschulen auch ohne das Coronavirus schon mit Lehrermangel, der die Situation in Pandemie-Zeiten nicht erleichtert.
Booster-Impfungen sowie kostenfreie PCR-Tests für Lehrer gefordert
Der Bayerische Philologenverband (bpv), welcher Lehrkräfte an Beruflichen Oberschulen sowie Gymnasien vertritt, fordert derweil koordinierte Booster-Impfungen sowie kostenfreie PCR-Tests für Lehrkräfte. Der Zeitpunkt für die Booster-Impfung, die sechs Monate nach dem erlangen des vollständigen Impfschutzes verabreicht werden soll, ist bei den Lehrerinnen und Lehrern bald erreicht. Bisher ist aber noch unklar, wie die Auffrischungsimpfungen überhaupt organisiert und durchgeführt werden sollen, heißt es in einer Mitteilung des Verbands.
bpv-Vorsitzender Michael Schwägerl erinnert mit Blick darauf an die erste Impfserie: "Damit es bei den Booster-Impfungen nicht wieder zu Verzögerungen kommt, ist eine frühzeitige Koordination und Organisation nötig. An den bayerischen Gymnasien und Beruflichen Oberschulen sind nahezu 95 Prozent der Kolleginnen und Kollegen geimpft. Dementsprechend hoch dürfte die Bereitschaft in der Lehrerschaft sein, den eigenen Impfschutz vor dem Winter auffrischen zu lassen." Der Grund hierfür: "Nach wie vor bedeutet das Unterrichten an den weiterführenden Schulen täglich zahlreiche Kontakte mit Kindern und Jugendlichen, von denen viele nicht geimpft sind oder sich noch nicht impfen lassen können. Die Lehrkräfte dürfen bei den Booster-Impfungen nicht auf sich allein gestellt sein. Wir brauchen in den nächsten, entscheidenden Wochen koordinierte Impfangebote speziell für diese Berufsgruppe", fordert Schwägerl.
Außerdem möchte der bpv, dass die Kostenpflichtigkeit von PCR-Tests für unterrichtendes Personal mit den zunehmenden Corona-Ausbrüchen auf den Prüfstand gestellt wird. Wie der Verband erklärt, können sich Lehrkräfte bei einem Ausbruch in einer ihrer Klassen keinem kostenlosen PCR-Test unterziehen, insofern sie keine Symptome aufweisen. "Bei einem Ausbruch testen sich die Lehrkräfte aktuell in der Regel anhand täglicher Selbsttests", erklärt Schwägerl und fügt an: "Angesichts der hohen Impfquote unter Lehrerinnen und Lehrern macht es absolut Sinn, in einem solchen Falle einen kostenfreien, sensibleren PCR-Test zu ermöglichen. Diese Maßnahme würde erheblich zu einem Mehr an Sicherheit beitragen - für die Lehrkräfte selbst sowie für die uns anvertrauten Kinder und Jugendlichen.”