Viele Fragen offen

Tumulte nach Volksfest-Brand: Polizei setzt Ermittlungskommission ein - und prüft Vorwürfe

Tobi Lang

Redakteur

E-Mail zur Autorenseite

Alexander Brock

Lokales

E-Mail zur Autorenseite

4.5.2022, 15:52 Uhr
Das Feuer in der Losbude richtete einen enormen Sachschaden an, vier Menschen wurden verletzt. 

© ToMa , no credit Das Feuer in der Losbude richtete einen enormen Sachschaden an, vier Menschen wurden verletzt. 

Als vergangenen Mittwoch eine Losbude auf dem Nürnberger Volksfest in Flammen aufging, fing auch die Existenz einer Schaustellerfamilie Feuer. Noch immer kämpft die Branche nach dem Corona-Lockdown ums Überleben. Viele haben auf dem Frühlingsfest erstmals wieder nennenswerte Einnahmen - der Brand ist für die Verantwortlichen hinter dem Geschäft ein Tiefschlag, den niemand gebrauchen kann.

Gegen Mitternacht loderten die Flammen auf. Schausteller griffen zu Schläuchen, Feuerlöschern und Eimern, sie versuchten, die Bude zu löschen. Die Stimmung war hochemotional, da sind sich alle Parteien einig. Wegen der aufgeheizten Situation rückte unter anderem das Unterstützungskommando (USK) an. Was die Minuten nach dem Brand angeht, unterscheiden sich die Darstellungen aber deutlich. Einige Augenzeugen meldeten sich bei unserer Redaktion, sprachen von Übergriffen und Gewalt durch die Polizei.

Tumulte und Wortgefechte

Klar ist: Als die Polizei einschritt, eskalierte die Situation. Einsatzkräfte, so formuliert es das Präsidium Mittelfranken, hinderten Schausteller und Passanten bei ihren Löschversuchen, weil sie sich selbst in akute Gefahr brachten. Man habe die Losbude wegen der "unkontrollierten Annährung von Personen" absperren müssen, heißt es in einer Pressemitteilung. Es kam zu Tumulten, sicherlich auch zu Wortgefechten - aber auch zur von einzelnen Schaustellern skizzierten Gewalt?

Ausschließen kann das auch die Polizei zunächst nicht. Deshalb wurde bereits vergangene Woche eine Ermittlungskommission gegründet. "Sie wird sich mit den Begleitumständen des Brandes befassen", erklärt Markus Feder, Leiter der Pressestelle des Präsidiums. Es gelte aufzuklären, ob es auf Seiten der Schausteller und Passanten zu Straftaten kam - und wenn ja, zu welchen. Für mögliche Verfehlungen der Polizei ist das Landeskriminalamt (LKA) zuständig.

Bei konkreten Verdachtsmomenten ermittelt das LKA

Tätig geworden sind die Behörden in München aber noch nicht. Weit über 50 Zeugen müssen wohl vernommen werden, erklärt Feder - und sagt: "Das wird dauern." Man sei dabei, die Aufnahmen aus den Bodycams der Polizisten auszuwerten und Schausteller, Feuerwehrleute und Passanten anzuhören. So sollen die Tumulte rekonstruiert werden. Ergeben sich dabei konkrete Verdachtsmomente gegen Beamte, landet der Fall beim LKA. "Da gibt es überhaupt nichts zu vertuschen." Inzwischen trafen sich Polizei, Schausteller und die Stadt zu einem runden Tisch. Die Gespräche zwischen den Parteien laufen.

Derweil ermittelt die Polizei zur eigentlichen Brandursache. Die Kripo versucht zu klären, warum die Bude in Flammen aufging - konkrete Hinweise gibt es aber noch nicht.

Schaustellerverband will "da nichts kommentieren"

Lorenz Kalb, Vorsitzender des Süddeutschen Schaustellerverbandes, ist das alles sehr unangenehm. Er hätte auch gerne, dass die Sache so rasch wie möglich abgeschlossen ist. Ihm geht's um Image. Vor diesem Hintergrund betont er auch, dass der Brand "schnell gelöscht" war, die Schausteller "ein gutes Verhältnis" zueinander hätten und das "die Sache neutral geklärt" werden müsse. Über die "Sache" will er auch kein Wort verlieren. "Es gibt da nichts zu kommentieren", sagt er.

Sebastian Kahl war in jener Nacht Einsatzleiter der Berufsfeuerwehr und selbst vor Ort. Als die Brandbekämpfer am Volksfestplatz ankamen, nahm er "eine angespannte Stimmung" wahr. Polizisten seien damit beschäftigt gewesen, den Platz vor der Bude freizuräumen. "Die Feuerwehr wurde da nicht angegangen, was unseren Einsatz anging", sagt Kahl. Das Problem sei gewesen, dass "sehr viele Personen in der engen Budengasse gestanden sind." Die stark vertretenen Polizeikräfte habe der Feuerwehreinsatzleiter "eher defensiv" wahrgenommen. "Ich kann aber verstehen, dass einige Schausteller sehr aufgebracht waren. Schließlich ging es um ihre Existenz, einige standen unter Schock." Vier leicht verletzte Personen habe es gegeben.

Allerdings sei das aufgrund der Stimmung "kein alltäglicher Einsatz" gewesen. "Da wurde geschrien und geschimpft. Wir kamen in eine emotionale Situation rein." Übergriffe der Polizei habe er nicht festgestellt. "Allerdings war der Brand schon so gut wie gelöscht, als wir kamen. Was davor passiert ist, kann ich nicht sagen."